Bioethik aktuell

Menschenhandel in Georgien: 100 Thailänderinnen wurden von Mafia zu „Eizell-Spenden“ gezwungen

Das kriminelle Netzwerk der Täter stammt aus China, wo die Nachfrage nach Eizellen für IVF groß ist

Lesezeit: 03:48 Minuten

Der Markt für Eizellspenden und Leihmutterschaft funktioniert entlang eines Wohlstandsgefälles. Frauen aus prekären sozialen Verhältnissen werden angelockt, unter Selbstausbeutung ihren Körper als Eizell-Lieferantinnen oder Fremdgebärende an Agenturen zu verkaufen. Ein Fall aus Georgien zeigt die internationale Vernetzung auf – und warum es ein globales Verbot braucht.

© Freepik

Thailändische Frauen aus prekären Verhältnissen wurden unter falschen Versprechungen in die georgische Hauptstadt Tiflis gelockt. Sie berichten, dass sie dort festgehalten und dazu gezwungen wurden, als Eizell-Produzentinnen zu arbeiten (The Nation, 3.2.2025). Die Täter sollen die Frauen mit Hormonen behandelt, betäubt und monatlich Eizellen entnommen haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass eine große Zahl weiterer Frauen betroffen ist. Hinter dem Menschenhändlerring sollen chinesische Kriminelle stecken. Man vermutet, dass die Eizellen verkauft und in andere Länder wie China geschmuggelt wurden, um für In-vitro-Fertilisation (IVF) verwendet zu werden. Weltweit wächst die Nachfrage nach Eizellen von asiatischen Frauen, insbesondere auf dem chinesischen Festland und in vielen westlichen Ländern.

Den thailändischen Frauen wurde hohe Löhne versprochen

Mit Stellenanzeigen auf Facebook lockte das chinesische Netzwerk thailändischen Frauen nach Georgien. Ihnen wurde gesagt, dass sie dort als Leihmütter für Paare arbeiten werden, die keine Kinder bekommen können. Die Anzeigen versprachen ein hohes Einkommen: 400.000 bis 600.000 Baht (11.000 bis 17.000 Euro). Das entspricht einer Summe von fünf bis sechs Jahresgehältern eines thailändischen Durchschnittseinkommens. Die Organisation übernahm die Kosten für Reisepässe und die Anreise.

Sie bekamen hohe Hormondosen, um möglichst viele Eizellen zu „ernten“

11 Thai-Frauen reisten, begleitet von einer Mittelsfrau, im August 2024 nach Georgien. Bei ihrer Ankunft wurden sie jedoch statt zu den versprochenen Arbeitsplätzen in vier abgelegene Häuser gebracht, wo sich an die 100 weitere thailändische Frauen befanden. Es wurde ihnen mitgeteilt, dass sie nicht als Leihmütter, sondern als Eizellspenderinnen arbeiten sollten. Sie bekamen Hormonspritzen verabreicht, um die Eierstöcke zu stimulieren und dutzende Eizellen „ernten“ zu können. Für die Eizellentnahme wurden die Frauen unter Narkose gesetzt. Die meisten bekamen keine Bezahlung.

Thailändische Menschenrechtsorganisation verhalf Frauen zur Flucht

Wer sich weigerte oder die Häuser verlassen wollte, musste hohes Lösegeld zahlen, was für viele unmöglich war. Viele der Frauen gerieten zusehends in eine schlechte gesundheitliche Verfassung. Schließlich gelang es einer Frau das Geld aufzubringen und im September 2024 nach Thailand zurückzukehren. Dort wandte sie sich an die Pavena Foundation for Children and Women, eine thailändische Menschenrechtsorganisation. Dieser gelang es nach monatelangen Verhandlungen mit den Kriminellen und der Zahlung eines Lösegelds drei weitere Frauen Ende Jänner 2025 zu befreien. Pavena Hongsakula, Präsidentin der Stiftung, erklärte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz (The Nation, 3.2.2025), dass schätzungsweise 100 thailändische Frauen weiterhin in einem Wohnkomplex in Tiflis, Georgien, gefangen gehalten würden. Die Behörden in Georgien und Thailand ermitteln gegen ein internationales kriminelles Netzwerk von Eizell-Handel.

Fälle von Menschenhandel und Ausbeutung gibt es auch in der EU

Das EU-Parlament hat Leihmutterschaft auf eine Stufe mit Verbrechen wie Sklaverei und Zwangsheirat gestellt und explizit in den Katalog der im Zusammenhang mit Menschenhandel stehenden Straftaten aufgenommen (Bioethik aktuell, 28.4.2024). Dieser Beschluss könnte die Weichen für ein EU-weites Verbot stellen. Trotz bestehender Verbote in vielen EU-Ländern gibt es weiterhin Schlupflöcher für die Ausbeutung von Frauen und Kinderhandel. In Griechenland wurden im August 2023 Fälle bekannt, in denen Frauen wie „Bruthennen“ festgehalten wurden, um Kinder für australische Bestelleltern auszutragen (Bioethik aktuell, 18.8.2023). Tschechien gilt als Umschlagplatz für den Verkauf von Babys ukrainischer Leihmütter an Klienten in den USA (Die Presse, 2.8.2022).

Ausländische Leihmutterschaftsagenturen agieren weltweit von Georgien aus

In Georgien, wo 98 Prozent der Leihmütter Kinder für Ausländer austragen, hatte im Dezember 2022 seine Gesetze geändert, wonach nur verheiratete, heterosexuelle Paare Zugang zur Leihmutterschaft haben. Ab 2024 hätte Leihmutterschaft für ausländische Bestelleltern verboten werden sollen. Der Gesetzesentwurf wurde jedoch nicht verabschiedet (Bioethik aktuell, 5.11.2023). Durch den Krieg in der Ukraine hat sich der Leihmutterschaftsmarkt nach Georgien verlagert, zahlreiche ausländische Agenturen haben ihre Büros eröffnet. Die Chinese Babycam Medical Consulting Group LLC ist seit März 2024 in Tiflis registriert. Auch eine indische Agentur arbeitet von Georgien aus für indische Kunden (Bioethik aktuell, 13.3.2023). Als Fremdgebärende werden Frauen aus Georgien, aber auch Kasachstan, Indien oder Thailand angeworben. 

Es gibt keine ethische saubere Leihmutterschaft

„Es gibt keine ‚ethisch saubere Leihmutterschaft‘, denn sie wird immer auf dem Rücken von ‚Billigfrauen‘ ausgetragen, die den Kinderwunsch einer privilegierten, reicheren Schicht erfüllen sollen“, betont IMABE-Direktorin Susanne Kummer. Damit verbunden sei stets auch ein ganzes System von Maklern, Agenturen und gezieltem Anheuern von Frauen in finanziellen Nöten. Der internationale Markt werde immer aggressiver. "Um diese ausbeuterischen Entwicklungen zu stoppen, braucht es ein internationales Verbot von Leihmutterschaft“, fordert die Ethikerin. Nur dann könnten die Rechte von Frauen und Kindern wirksam geschützt werden.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: