Chile hat keine gesetzlichen Regelungen zu Assistierten Reproduktionstechnologien (ART). Künstliche Befruchtung und andere Verfahren werden rein administrativ geregelt, was sich zahlreiche Agenturen im Bereich der Leihmutterschaft zu Nutze machen. Ein überparteilicher Zusammenschluss von Abgeordneten – unter ihnen Sozialisten, Christdemokraten, Liberale und Rechtspopulisten – hat nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der auf ein Verbot von Leihmutterschaft abzielt.
Keine Frau soll mehr als Leihmutter "benutzt werden"
Die Parlamentarier argumentieren, dass Leihmutterschaft eine Rechtsverletzung darstellt. Sie und schlagen Änderungen des Strafgesetzbuchs vor, um entsprechende Praktiken zu sanktionieren. Die Praxis der Leihmutterschaft stelle Missbrauch dar, verletze die Würde von Frauen und Kindern und führe zu einer ungebremsten Kommerzialisierung von Schwangerschaften, begründen die Politiker ihr Vorhaben (Diario Estrategia, 14.1.2025). Die Initiative hat eine breite Debatte ausgelöst. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, dass keine Frau mehr „als Leihmutter benutzt“ werden darf.
Frauen und Kinder werden zu Objekten degradiert
Ein zentraler Punkt des Gesetzesentwurfes liegt in der Betonung der Würde und der Rechte der betroffenen Frauen und Kinder. Die Abgeordneten stellen klar, dass Leihmutterschaft nicht nur die Rechte der Leihmütter und der Neugeborenen missachtet, sondern sie zu Objekten degradiert. In dem Entwurf wird daher jede Art von Vertrag, der eine Frau zur Schwangerschaft zugunsten einer anderen Person verpflichtet als unzulässig erklärt. Die Abstammung („mater semper certa est“) könne nicht vertraglich aufgegeben werden.
Leihmutterschaft ist eine „skrupellose Industrie“
Es sei ermutigend, dass der Gesetzesvorschlag zur Verteidigung der Würde von Frauen unabhängig von politischen Unterschieden breite Unterstützung finde, sagt Juan Irarrázaval, RP-Abgeordneter und Mitverfasser des Gesetzesvorschlags. Leihmutterschaft habe sich zu einer „skrupellosen Industrie“ mit Milliardenumsätzen entwickelt. Chile sei das zweite Land der Welt, das die Sklaverei abgeschafft habe. Nun könne es auch im Bereich der Leihmutterschaft zu einem internationalen Vorbild werden, das sich entschlossen gegen Praktiken wie Menschenhandel und Ausbeutung stellt, betont Irarrázaval.
Vermittlung von Frauen, Handel mit Gameten, Embryonen und Kindern soll künftig unter Strafe stehen
Der Gesetzesentwurf soll jegliche Form von Leihmutterschaft verbieten. Internationale Erfahrungen hätten gezeigt, dass die so genannte nicht-kommerzielle Leihmutterschaft nur dazu führe, die kommerzielle Praxis zu verschleiern, was die Ausbeutung von besonders vulnerablen Frauen noch weiter verstärke, erklärt Irarrázaval.
In Zukunft soll laut Entwurf die Vermittlung und Weitergabe von Gameten oder Embryonen sowie die Organisation und Bewerbung von Leihmutterschaft unter Strafe gestellt werden. Ebenso werden Strafen für Angehörige der Gesundheitsberufe verhängt, die an Prozessen der assistierten Schwangerschaft mit dem Ziel teilnehmen, diese Praxis zu erleichtern.
Unterstützung kommt von der internationalen Casablanca-Declaration
Die Gesetzesinitiative wird von der Casablanca-Declaration unterstützt, die 2023 von mehr als hundert Staats- und Regierungschefs weltweit unterzeichnet wurde. Diese Erklärung fordert die Abschaffung der Leihmutterschaft und ist ein Zeichen für den wachsenden internationalen Konsens, dass solche Praktiken nicht nur ethisch bedenklich, sondern auch ausbeuterisch sind (Bioethik aktuell, 28.4.2024).
Thailand wittert Geschäft: Leihmutterschaft für Ausländer soll wieder erlaubt werden
Das Gegenbeispiel zu Chile ist derzeit Thailand. Die Regierung kündigte am 1. März 2024 an, das vor fast zehn Jahren erlassene Verbot internationaler Leihmutterschaft aufheben zu wollen (Bioethik aktuell, 15.9.2014). Sogenannte „internationalen Wunscheltern (Intended Parents - IPs), egal ob hetero- oder homosexuell, die rechtsgültig verheiratet sind, soll es wieder möglich sein, Kinder in Thailand zu bestellen. Dies kann durch eine thailändische oder auch „eigene Leihmutter“, die sie mitbringen, geschehen.
Die Gesetzesänderung geht mit einer breiteren Reform der Reproduktionstechniken (ART) einher, die auch künstliche Befruchtung für thailändische Paare – einschließlich gleichgeschlechtlicher Paare – kostenlos macht, um der niedrigen Geburtenrate entgegenzuwirken.
Japanischer Milliardär beschaffte sich 19 Kinder via thailändischer Leihmütter
Thailand hatte Leihmutterschaft für Ausländer 2015 nach mehreren Skandalen verboten darunter der Fall des „Baby Gammy“, bei dem ein australisches Paar in Thailand von den bestellten Zwillingen nur das gesunde Kind mit nach Hause nahm. Die Leihmutter hatte sich geweigert, das Kind mit Down-Syndrom abzutreiben, dieses wurde von den Bestelleltern in Thailand zurückgelassen (Bioethik aktuell, 17.5.2016). Auch die „Baby-Fabrik“ eines japanischen Geschäftsmanns führte zu internationaler Kritik: Er hatte 19 Kinder via Samenspenden von thailändischen Leihmüttern für sich zur Welt bringen lassen. Diese Vorfälle führten dazu, dass Thailand strenge Gesetze erließ (Bioethik aktuell, 9.2.2017).
Internationaler Markt von Leihmutterschaft für Ausländer verlagert sich
In Indien ist Leihmutterschaft für Ausländer seit 2019 verboten, nachdem bis dahin jährlich etwa 25.000 Kinder von indischen Frauen aus Armenvierteln für Ausländer ausgetragen wurden. Der internationale Markt verlagerte sich unter anderem in die Ukraine und nach Georgien. Indische Büros machten dort ihre Zweigstellen auf. Nun wurde auch in Georgien mit 1. Jänner 2024 ein Verbot des Baby-Business für Ausländer erlassen. Thailand will mit der geplanten Zulassung von ausländischen Kunden offenbar internationale Kundenströme an sich ziehen. Agenturen wird zudem Tür und Tor geöffnet, weltweit Frauen in prekären Lebenssituationen für ihr Business als Leihmütter zu rekrutieren.