Philosophische Grundlagen einer Ethik der Kommunikation
Zusammenfassung
Kommunikationsethik beginnt seit alters mit der Aufgabe, leere von gehaltvoller Rede zu unterscheiden und so kommunikative Akte zu ermöglichen, die dem Menschen als vernunft- und sprachbegabtem Freiheitswesen umfassend gerecht werden. Sie weiß zudem um die Notwendigkeit, kommunikative Räume zu schaffen, die durch eine wechselseitige Anerkennung der Kommunizierenden in ihren kommunikativen Akten geprägt sind und so die Entfaltung von Autonomie begünstigen. Der Beitrag zeigt, dass von einem entsprechenden Ansatz aus technische Kommunikationsmodelle, wie sie die neuere Kommunikationswissenschaft beherrschen, für die Kommunikationsethik nicht in Frage kommen. Das gilt insbesondere im Blick auf jene kommunikativen Akte, die alleine garantieren können, dass auch im Alltag einer hochtechnisierten Medizin Dimensionen wie gelebte Interpersonalität und Würde nicht verloren gehen.
Schlüsselwörter: Anerkennung, Autonomie, Kommunikationsethik, kommunikative Handlungen, Sprache
Abstract
From its very beginning the philosophical ethics of communication had to point out the difference between empty and substantial speech, fostering thus communicative acts corresponding to the nature of man as a free being gifted with reason and language (logos). At the same time, ethics of communication knows that autonomous subjectivity basically requires a communicative space characterized by a mutual recognition of all communicating subjects in their communicative acts. The contribution shows that mere technical models of communication as often used in communicative sciences cannot comply with the needs of a philosophical ethics of communication. This has to be stated especially with regard to the basic communicative acts in a medical context where dimensions like interpersonality or dignity have to be preserved even in times of an intensive use of technical means.
Keywords: Autonomy, Communicative Acts, Ethics of Communication, Language, Recognition
„Kommunikationsethik“ ist heute, wie ein Blick auf Neuerscheinungslisten, aber auch Veranstaltungsangebote verrät, en vogue. Fragt man, warum dem so ist, erhält man nicht selten die Antwort, dass durch die „neuen Medien“ und die durch sie veränderten Kommunikationsbedingungen eben neue Risiken und Probleme im Raum stünden, derer die Ethik sich anzunehmen habe – Probleme, die mit der Struktur dieser Medien, ihrer neuen gesellschaftlichen Relevanz wie auch mit fehlender „Medienkompetenz“ der Nutzer zu tun hätten. „Kommunikationsethik“ wäre in diesem Sinne dann primär „Medienethik“ bzw. „Kommunikationsmittelethik“ – und in der Tat muss man nicht bestreiten, dass es in diesem Bereich von der richtigen Einschätzung der Macht und Potentiale der „neuen Medien“ und der Korrektur mancher verbreiteter Illusionen bis hin zur Analyse von aktuellen, medieninduzierten Süchten tatsächlich einiges zu tun gibt.
Dennoch darf es, wenn nach dem Ethos und der Ethik von Kommunikation gefragt wird, nicht einfach zu einer Engführung auf Fragen der „Kommunikationsmittelethik“ kommen. Auch heute, auch im Zeichen potenzierter Kommunikationstechnologien, liegen die letztlich entscheidenden ethischen Dimensionen rund um die zwischenmenschliche Kommunikation nicht einfach auf der Ebene der Mittel, so wenig hier entstehende Probleme „technisch“ – etwa durch Mittelvervollkommnung – gelöst werden können. Gerade am Beispiel der Medizin kann rasch deutlich werden, dass es um Grundlagenfragen unserer kommunikativen Praxis als solcher geht: darum zuletzt, inwieweit wir in der Lage sind, uns auf eine Praxis, die den Namen „kommunikativ“ auch verdient, einzulassen, oder ihr lieber ausweichen – ihr möglicherweise gerade unter Zuhilfenahme von „Kommunikationsmitteln“ ausweichen, die „Kommunikation“ ja auch dort noch simulieren können, wo sie in Wahrheit gerade nicht stattfindet. Kommunikative Defizite, die beim Arztbesuch oder Spitalaufenthalt erfahren werden, haben ja nicht damit zu tun, dass man den eigenen Hausarzt bei „Facebook“ nicht findet oder das Spitalspersonal nicht die Mobilfunknummer preisgibt; solche Defizite betreffen vielmehr eine viel grundlegendere personale Absenz – eine Absenz, die auch das wortreiche Vieraugengespräch mit dem medizinischen Fachmann oder den physischen Kontakt mit der Pflegekraft noch durchziehen kann. Brisant sind solche Absenzen, weil sie zuletzt den „Pakt des Vertrauens“, der nach Paul Ricoeur jedem medizinischen Behandlungsvertrag zugrunde liegt und in dieser Funktion durch kein medizinethisches Zertifikat, keinen Verhaltenskodex ersetzt werden kann,1 in Frage stellen.
Das Ziel des folgenden Beitrags ist es, aus der Sicht einer philosophischen Ethik der Kommunikation an jene Eckdaten zu erinnern, die eine diesen Namen verdienende kommunikative Praxis erst möglich machen – im medizinischen Kontext wie auch darüber hinaus. Wir beginnen dabei, wie in der Philosophie nicht ganz unüblich, bei den alten Griechen, deren Entdeckung, dass nicht alles, was in Gestalt der Sprache daherkommt, auch gehaltvolles Sprechen sein muss, sondern dass wir immer wieder auch mit „kommunikativen Blasen“, mit „leerer Rede“ (die Griechen haben hier den Ausdruck „Kenologie“ geprägt) zu rechnen haben, von einigermaßen zeitloser Relevanz ist. Versuchen wir, worum es hier im Kern geht, uns zu vergegenwärtigen!
Erfüllte vs. leere Rede; Homologie
Die Griechen haben den Menschen dasjenige „Lebewesen“ genannt, das als einziges „über den Logos verfügt“. Dieses zóon lógon échon ist in der Tradition primär als das „vernunftbegabte Lebewesen“, das animal rationale, aufgefaßt worden – falsch ist das sicher nicht, dennoch aber nicht alles, was hier zu sagen ist. Von den zahlreichen Übersetzungsmöglichkeiten des griechischen Substantivs Logos nämlich – das prominente Lexikon von Liddell und Scott zählt ihrer mehr als 50 auf – betreffen nicht wenige unsere Sprache, weshalb man, so vor allem im Kontext der neuen Konjunktur der Sprachphilosophie im 20. Jahrhundert, für zóon lógon échon gerne „sprachbegabtes Lebewesen“ gesagt hat. Überhören wir dabei jedoch die Pointe nicht: Es geht nicht darum, dem Menschen seine Vernunft zu nehmen und ihm dafür die Sprache zu geben – es geht vielmehr darum, zu begreifen, dass es menschliche Vernunft ohne Sprache nicht gibt noch geben kann, aber auch umgekehrt eigentliche Sprache nicht ohne ihr immanente Vernunft gedacht zu werden vermag.2 Schon darin liegt ein erster Fingerzeig auch für die Kommunikationsethik: Diese kann nämlich weder auf eine sprachlose Rationalität (sagen wir nach Art der mathematischen Vernunft, die sich maximal aus der Sprache herausnimmt) noch auf ein nicht in Vernunft zentriertes Sprechen (sagen wir nach Art der bloßen Rhetorik oder der „Sprache“ der Werbung) hin orientiert sein. Vielmehr wird eine philosophisch über sich selbst aufgeklärte Kommunikationsethik immer fordern, dass sich in aller Kommunikation durchgeklärte Gedanken in einem umfassenden Sinne sprachlich (also immer im Blick auf den anderen), sprachliche Äußerungen aber zugleich von einem Erkenntnisanspruch her (also vernünftig, nicht einem fremden „Sog“ gehorchend) organisieren. Das Ideal, auf das hin eine Kommunikationsethik so zu denken hat, liegt dann, wenn man so will, von vornherein in dem je und je herzustellenden Äquilibrium zwischen Rationalität und sprachlicher Vermittlung, zwischen gedanklicher Klarheit und verbaler Manifestation derselben – was gleich zu Beginn festzuhalten wichtig ist, scheiden doch so alle rein instrumentellen und strategischen Begriffe von Kommunikation aus. Als Grundsatz für alles weitere stellen wir daher auf: „Kommunikation“3 überhaupt ist jedesmalige Realisierung des sprachlich-vernünftigen Wesens des Menschen, nicht der Ort einseitiger Durchsetzung von „Interessen“.
Aber zurück zu den alten Griechen, die im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. einen durchaus denkwürdigen Streit ausfochten – den Streit nämlich, ob es möglich sei, Worte zu machen, vielleicht sogar viele und nach allen Regeln der Kunst auch schöne Worte zu machen, und dennoch nichts zu sagen! Im Hintergrund dieses Streites steht die letztlich in die Zeiten des mythisch-magischen Bewusstseins zurückreichende Überzeugung, dass jedem Wort eine Wirkung und damit auch eine Bedeutung anhaftet, dass in jedem Wort entsprechend irgend etwas manifest wird und kein Wort vergebens gesprochen sein kann.4 Diesen ursprünglich also magisch-mythischen Gedanken, dass Worte in jedem Fall „wirken“, treffen wir in dem besagten Zeitraum (also im 5. und 4. Jh. v. Chr.) in bestimmter Transformation in der Sophistik an, von der sich die Philosophie jetzt bewußt zu unterscheiden anschickt – was sie eben auch im Sinne einer Unterscheidung zwischen leerer und gehaltvoller Sprache tut. Schauen wir zuerst auf die Sophistik: Bei dem Sophisten Gorgias (ca. 485 – 375 v. Chr.) etwa finden wir die Position, dass es beim Sprechen gerade nicht auf irgendeinen „Gehalt“ ankomme, die Sprache ist vielmehr eine Macht, die uns sinnlich affiziert. Ein Wort trifft auf unser Ohr, und es wirkt dabei nicht etwa über eine „Bedeutung“, die es transportiert, sondern über seine Lautung, seinen Rhythmus – im Grunde also nicht anders als eine Musik. Worte setzen so nicht etwa einen Erkenntnisprozeß in Gang – dass ein solcher ohnehin illusorisch ist, hatte Gorgias in einem eigenen Buch mit dem Titel „Über das Nichts“ gelehrt. Worte als sinnliche Ereignisse haben nur sinnliche Wirkungen – womit Gorgias in aller Deutlichkeit die „Geschäftsgrundlage“ der Sophistik für alles weitere offenlegt, denn in der Tat setzt das sophistische Denken die These voraus, dass Sprache zwar nicht „wahrheitsfähig“ ist, wohl aber etwas „bewegen“ kann; dass wir entsprechend in ihr nicht erkennen, wohl aber „strategisch“ unsere Interessen zur Durchsetzung bringen können. Es ist offenkundig, dass noch immer so manches „Kommunikationstraining“ von genau dieser „Geschäftsgrundlage“ her denkt, dass nicht zuletzt die politische Rhetorik noch immer fragt, was man mit Worten auf welche Weise erreichen, nicht aber, was man in ihnen „mit anderen teilen“, welche echte Teilhabe man also mit ihnen gewähren kann.
Noch ein zweiter Grundsatz der Sophistik, den wir bei Protagoras (ca. 490 – 410 v. Chr.), aber auch bei anderen finden, ist hier zu erwähnen: der markante Satz nämlich, dass „jeder Logos – alles, was jemand sagt – notwendig etwas Wahres enthalte“ (pás lógos aletheúei) bzw. überhaupt eine „Wahrheit“ sei, wenn auch vielleicht nur für den Sprecher. Die darauf gestützte Folgerung, dass prinzipiell jede Rede ihr Recht habe und darum im Prinzip auch keine widerlegt werden könne, ist dann wieder nur ein anderer Ausdruck dafür, dass nach sophistischer Auffassung im Wettstreit der Reden jedenfalls kein Wahrheitsentscheid mehr fallen kann, sondern es nur darauf ankommt, mit rhetorischen Techniken dem eigenen Standpunkt zur faktischen Durchsetzung zu verhelfen. Die Sophistik hat auch hier die Grundlagen der (Zweck-)Rhetorik geschaffen, die noch immer in Geltung stehen. Aber sie lebt keineswegs nur auf der Ebene der Rhetorik fort. Sie lebt vor allem fort in der Annahme, dass es eben kein leeres Wort geben kann; dass alle Reden, da sie ja irgendwie wirken, auch „wahr“ sind, und dass es zugleich eine Wahrheit, die über den Wirkkreis der eigenen Rede, also über die eigene Perspektive hinausreicht, nicht gibt – genau damit befinden wir uns nämlich im Umkreis von Positionen, die ziemlich genau in Grundannahmen der „Postmoderne“ wiederkehren und weithin auch ins Alltagsbewußtsein abgesunken sind.
Ganz anders nun aber die Position der Philosophen vom Schlage eines Sokrates, insbesondere aber auch Platons, des Meisterschülers des Sokrates! Für die Sokratiker ist es zunächst ein geradezu traumatisches Erlebnis, dass es sein kann, dass jemand, etwa ein Sophist, sehr viele Worte gebraucht, aber offenbar nicht nur nichts sagt, sondern am Ende sogar gar nichts sagen, keinen Gehalt aussprechen, sondern allenfalls „etwas erreichen“ will. Da gibt es Leute, so Sokrates, die bieten sich, sagen wir als Politiker, an, den Menschen zu einem guten Leben zu verhelfen, aber was sie hervorbringen, sind schlechte Menschen. Da gibt es andere, so Platon, die simulieren sehr viel Wissen, etwa die Dichter; aber ein wirklich handfestes Wissen, wie es zum Beispiel ein Handwerker besitzt, für den das Wort „Tisch“ nicht einfach nur ein Bestandsteil des eigenen Sprachschatzes, sondern eine konkrete Konstruktionsanweisung ist, besitzen sie nicht. Da gibt es am Ende solche, die, sagen wir als Politikberater, meinen bei der Erörterung, was das Gute oder das Gerechte sei, mit denen, die echte Erkenntnis von diesen Gegenständen besitzen, mithalten zu können, und die doch nichts anderes tun, als bloßen Schein (dóxa) zu erzeugen. Was hier nötig ist, ist die Fertigkeit, den Schein und das Scheinwissen als solche kenntlich zu machen, das hohle und leere Wort verstummen zu lassen und stattdessen der Erkenntnis Platz zu machen. Am Anfang aller Ethik der Kommunikation steht die Unterscheidung zwischen leerer und gehaltvoller Rede, zwischen einem bloßen Verbalismus und einem sprachlichen Geschehen, in dem sich Wahrheit ereignet.
Wie aber lautet das Rezept der Philosophen, zu einer den Schein hinter sich lassenden Erkenntnis zu gelangen und auf diesem Wege auch zu einer tragfähigen Unterscheidung zwischen leerer und gehaltvoller Rede zu gelangen? Das entscheidende Stichwort lautet bei Platon „Homologie“
(homología), wörtlich: „Übereinstimmung“, wobei allerdings an eine „Übereinstimmung“ gedacht ist, die sich nicht nur etwa einem Konsens oder gar einem Kompromiss verdankt. Worum es geht, ist folgendes: Wir sind nach Platon durchaus in der Lage, die Beschränktheit unseres eigenen Standpunkts zu verlassen – nämlich immer dann, wenn wir uns ernsthaft in den Dialog mit dem anderen Standpunkt begeben und dies nicht etwa mit der vorgängigen Absicht der Selbstbehauptung, sondern der des Weiterkommens tun. „Dialog“ bedeutet hier – was gegen eine sehr verbreitete Fehldeutung festzuhalten ist – nicht einfach „Zwiegespräch“ überhaupt. Der Dialog ist vielmehr der Ort, an dem durch den Logos, die Rede hindurch, eine Einheit erzeugt oder besser vergegenwärtigt wird, in der die Unterredner nicht nur das Ziel, sondern auch den Grund ihrer Gedankenbewegung erkennen können.5
Machen wir uns, worum es bei den Alternativen, die sich hier zeigen, in letzter Instanz geht, an einem relativ schlichten medizinethischen Beispiel klar, dem Beispiel der „informierten Zustimmung“, des „informed consent“! Das Prinzip der informierten Zustimmung fordert, dass prinzipiell einer medizinischen Intervention ein „kommunikativer Akt“ vorzuschalten ist, in dem es um die Herstellung eines Einvernehmens bezüglich des Ziels und der zu wählenden Mittel bei dieser Intervention geht. Wird der so geforderte kommunikative Akt nun „sophistisch“ aufgefaßt, dann geht es in ihm um nichts anderes als einen Interessenabgleich – und zwar durchaus mit der Option, dass das Interesse, das sich eben „besser“ zu artikulieren vermag (in der Regel das des Arztes) auch die Oberhand behält.6 Geht man, zweitens, im Sinne des „schwachen“ Dialogbegriffs von einem bloßen „Zwiegespräch“ aus, das einfach nur stattgefunden hat, dann ist das Ergebnis, sei es als Dissens, sei es als Übereinstimmung, in jedem Fall kontingent; niemand weiß so recht, was eigentlich den Ausschlag für diese oder jene Entscheidung gab, das Fachwissen, die Atmosphäre, die Erwartungen und Hoffnungen. Denn nur dann, wenn, drittens, die „informierte Zustimmung“ tatsächlich „homologischen“ Charakter im Sinne Platons hat, alle Beteiligten also sich der rationalen Dynamik eines Gesprächs überlassen haben, in dem das Hören auf Gründe die eigenen „Interessen“ zu relativieren, der eigene Standpunkt sich im anderen Standpunkt zu spiegeln vermochte, haben wir es mit einem Teilhabe- und Erkenntnisakt zu tun, der der Entscheidung den Charakter des gemeinsam Verantworteten aufprägen kann. Nur so kann Kommunikation der Ort werden, von dem aus sich der Sinn von Handlungen, auch von medizinisch-technischen Handlungen, erschließt und diese Erschließung zugleich in jenen „Pakt des Vertrauens“ eingebettet bleibt, von dem Paul Ricoeur gesprochen hat.
Ein erster kommunikationsethischer Imperativ, der an diese Überlegungen angeschlossen werden kann, könnte dann lauten: Unterscheide jederzeit eine homologische, d. h. eine sich von einer sich ereignenden Übereinstimmung her erschließende Rede, von einer Rede, die nur einen partikulären Standpunkt behauptet! Oder, in Anlehnung an Karl Jaspers: Kommuniziere nicht im Sinne der „Selbstbehauptung“, sondern im Sinne der Offenheit für das Aufscheinen eines gemeinsamen Horizontes im Medium einer erkenntnisorientierten Sprache!
Freiheit und Anerkennung
Wir springen an dieser Stelle von den Griechen in die Neuzeit und unsere Gegenwart, in der sich weitere Problemdimensionen zeigen. Wir müssen uns auf einige ausgewählte Aspekte beschränken, werden aber versuchen, doch den für unsere Frage zentralen Gesichtspunkt deutlich werden zu lassen. Wenn man eine ganz kurze Formel für das, was die Neuzeit ausmacht, aufstellen möchte, könnte dafür die These dienen, dass es in der Neuzeit wesentlich zu einer Subjektwerdung des Menschen gekommen ist, die an die Stelle eines älteren Eingebundenseins in objektive Ordnungen tritt. Leitworte der Neuzeit sind entsprechend vor allem „Freiheit“ und „Autonomie“, wie das gerade schon herangezogene Beispiel des „informed consent“ ja das Geltendmachen der Patientenautonomie gegenüber einem Paternalismus betrifft, wie er in älteren Formen des Arztethos noch enthalten war, verschärft aber mit der Ausbildung einer technologisch hochgerüsteten und folglich von technischen Experten verwalteten Medizin zum Problem wird. Die Philosophie hat in diesem Zusammenhang nicht nur die allgemeinen Prinzipien der Subjektivität oder der Autonomie entfaltet, sondern auch entdeckt, dass die konkrete Subjektwerdung des Menschen immer etwas mit den kommunikativen Konstellationen zu tun hat, in denen er sich aufhält. So kann schon das Wort, in dem sich die Subjektivität zunächst ausspricht – das Wort „Ich“ – das Belangloseste und das Belangvollste, das Akzidentelle wie das eigentlich Verbindlichkeit Stiftende meinen: das eine, wenn „Ich“ nichts weiter als eine einfache Deixis ist und nur etwa den Ort, das „hic“ eines Beliebigen im Chor der Masse oder des Mainstream meint; das andere, wenn es sich als mehr als eine bloß punktuelle Erscheinung, vielmehr als „jemand“ meldet, in dessen Tun und Lassen jenes allgemeine Gesetz erscheint, das Kant im Begriff der „Auto-Nomie“ als selbstgegebenes im Blick hatte.7
Wenn es von den kommunikativen Konstellationen her nun sehr unterschiedliche Voraussetzungen dafür gibt, ob sich Personen auch als Subjekt artikulieren und entsprechend (genuine) Autonomie entfalten können, so ist dabei als zentrales Prinzip eines subjektivitätsaffin gestalteten kommunikativen Raumes das Prinzip des wechselseitigen Anerkanntseins der Subjekte, die den kommunikativen Raum jeweils betreten, zu nennen. Anerkennung meint dabei nicht die Gewährung eines bestimmten Sozialprestiges,8 sondern etwas viel Grundlegenderes: Sie meint die ursprüngliche wechselseitige Freilassung von Freiheitswesen als solchen, aus der sich das Vernunftwesen Ich bzw. die Subjektivität erst empfangen kann. Johann Gottlieb Fichte, der für diesen Kontext zu den maßgeblichen Autoren zählt,9 hat davon gesprochen, dass empirische Subjektivität nur auftreten und Gestalt gewinnen kann, wo Anerkennung als die wechselseitige Aufforderung, auf verantwortliche Weise frei zu sein, schon gelebt wird. „Der Mensch wird nur unter Menschen ein Mensch“, hat Fichte gesagt10 – er wird es, indem sich Menschen ein Subjektsein in umfassendem Sinne, und das heißt einen verantwortlichen Freiheitsgebrauch wechselseitig zumuten. Auf unser Thema, die Grundlegung einer Kommunikationsethik angewendet, heißt das: Im eigentlichen Sinne kommunikativ handelt derjenige, der in seiner Rede Anerkennung aktualisiert, kommunikationsethisch fragwürdig handelt dagegen, wer sich aus hier herausnimmt. Der zweite kommunikationsethische Imperativ kann dann heißen: Kommuniziere anerkennend, das heißt: Achte stets die Freiheit des Gegenüber nicht nur allgemein, sondern so, dass du selbst seine Freiheit konkret ermöglichst! Eröffne einen kommunikativen Raum, in dem euer beider Freiheit lebendig werden kann!
Grenzen des technischen Kommunikationsbegriffs
In scharfem Kontrast zu dem Kommunikationsbegriff, wie wir ihn bisher zugrunde gelegt haben, steht dann der technische Kommunikationsbegriff, wie er seit Mitte des 20. Jh. in der „Kommunikationswissenschaft“ entwickelt wurde und wie er in Zeiten gerade auch einer im Sinne technischer Wissenschaftlichkeit verwissenschaftlichten Medizin kurz besprochen werden muss. Das hierher stammende „Sender-Kanal-Empfänger-Modell“ beispielsweise, das auch in die Linguistik eindringen konnte, gibt seine Herkunft aus der Radiotechnik sogleich zu erkennen; Bezüge zu anderen technischen Disziplinen, etwa der Automatentheorie, lassen sich ebenfalls leicht herstellen. Nach diesem Modell würde man z. B. ein Scheitern der Arzt-Patienten-Kommunikation dadurch erklären, dass der Patient ein bei ihm eintreffendes „Signal“ des Arztes falsch „dekodiert“ oder dass eine „Störquelle“ im „Kanal“ (etwa die fehlerhafte Übertragung des Signals durch das Krankenhauspersonal) dazu führt, dass das „Nachrichtenziel“ nicht erreicht wird.11 Die „Reparatur“ verlangt dann entweder, den Patienten zu einer korrekten Decodierung des Signals zu befähigen (ihn also z. B. in medizinischer Fachterminologie zu schulen) oder die Störquellen auszuschalten (man kann den Krankenhausbetrieb im ganzen als „Rauschen“ verstehen, das zur Verzerrung des Signals führt). Es ist klar, dass hier „Kommunikation“ im Grunde nach dem Vorbild von Schaltkreisen gedacht ist, in denen weder so etwas wie „Homologie“ noch so etwas wie „Anerkennung“ gedacht werden kann. Aber selbst, wenn man von entsprechenden extremen Versuchen, menschliche Sprache unmittelbar „technisch“ zu rekonstruieren bzw. zu substituieren, absieht, neigt die aktuelle Mentalität, wie es scheint, weniger zu einem Jaspers’schen „Tiefenbegriff“ von „Kommunikation“ als vielmehr zu Fragen wie der, ob es nicht erlern- und beherrschbare Verfahren gibt, mit denen wir für einen garantierten Gehalt der menschlichen Rede einstehen können? Wenn wir zu jedem technischen Gerät, das wir erwerben, eine Gebrauchsanweisung mitgeliefert bekommen und wissen, dass wir das Gerät nur dann erfolgreich werden nützen können, wenn wir die Gebrauchsanweisung befolgen: Gibt es dann nicht auch so etwas wie eine „Gebrauchsanweisung“ für unsere Sprache insgesamt, die wir nur befolgen müßten, um bei garantiert gehaltvoller Rede anzukommen? In der Tat hat man in der Neuzeit schon vor dem Entstehen der „Kommunikationswissenschaft“ auf vielfache Weise versucht, das Verhältnis des Menschen zu seiner Sprache „technisch“ zu regeln – etwa damit, dass man meinte, in der formalen Logik bzw. der Festschreibung eines bestimmten, nicht allzu weiten Verstehenshorizontes als der Norm alles Verstehens Mittel und Werkzeug für eine Regulierung unseres Sprachgebrauchs zu haben (das ist, in Kürze zusammengefaßt, das Programm des ‚Wiener Kreises’ gewesen); ferner etwa damit, dass man auf konstruktivem Wege versuchte eine idealtypisch verfaßte Sprache zu entwickeln (das ist das Programm der „Orthosprache“ im Konstruktivismus gewesen, das vor einigen Jahrzehnten noch einige nicht ganz schlechte Köpfe bewegte). Wir halten hier fest: technisches Wissen ist Verfügungswissen – und genau deshalb zeigt sich hier aus Sicht der Kommunikationsethik auch die Grenze dieses Modells, wie sich hier zugleich die Brisanz für eine heute immer auch technisch verfaßte medizinische Praxis zeigt. Der technisch geregelte Sprachgebrauch spielt niemals zwischen Subjekt und Subjekt, die sich als Subjekte freilassen; er spielt zwischen Subjekt und Objekt, das unter die Verfügung des ersteren gerät. Es ist dabei klar, dass nicht zuletzt der Arzt den Patienten auch als Objekt behandeln muss, wenn er fachgerecht helfen will. Allerdings „kommuniziert“ der Arzt mit seinem Patienten auch nicht insofern, als er ihn z. B. einer Operation unterzieht. Eine Operation indes, die in keiner Weise in kommunikative Handlungen eingebettet wäre, in denen es zu einer gemeinschaftlichen Verständigung z. B. über Sinn und Zweck der Maßnahme gekommen wäre, wäre im Sinne eines bloßen Verfügens ein Akt der Verdinglichung eines Menschen, der selbstverständlich auch über die Dimension der Körperverletzung und ihre juristische Verfolgung hinaus moralisch in keiner Weise akzeptabel wäre. Die Sprache der die medizinischen Akte einbettenden kommunikativen Handlungen wird dabei in jedem Falle ihrerseits eine andere sein als diejenige Sprache, die zum medizinisch-technischen Verfügungswissen gehört. Die besondere Herausforderung für die Medizin und die Kommunikation in medizinischem Handeln besteht dann darin, dass von den Akteuren aus kommunikationsethischen Gründen gleichsam eine „Mehrsprachigkeit“ verlangt ist: Sie müssen die Sprache des technischen Verfügungswissens, aber auch eine Sprache beherrschen, die das Unverfügbare einer freien interpersonalen Kommunikation nicht nur zulässt, sondern herbeiführt und fördert. Dass beides nicht immer in gleicher Weise gelingen mag, liegt auf der Hand; einen Sprachreduktionismus zu fordern, der die eine in die andere Sprache überführen könnte, ist daraus jedoch nicht ableitbar. Man kann an dieser Stelle einen weiteren kommunikationsethischen Imperativ anschließen, der da lauten würde:
Handle sprachlich – und wisse, eigentlich sprachliches Handeln von sprachlichem Machen und Bewirken zu unterscheiden!12
Resümee zur Kommunikationsethik mit Blick auf die Medizin
Wir haben oben bereits darauf hingewiesen, dass man das griechische Wort Logos auf sehr unterschiedliche Weise übersetzen kann. An dieser Stelle ergänzen wir, dass man „Logos“ – so etwa nach dem klassischen Philologen Wolfgang Schadewaldt13 – der Grundbedeutung nach, die der ansonsten so breitgefächerten Semantik vorausliegt, am treffendsten mit dem Begriff „Verhältnis“ wiedergibt. Das klingt ein wenig abstrakt, ist es aber nicht, wenn man sich klar macht, dass wir uns ja sowohl sprachlich zueinander ins Verhältnis setzen wie kraft der Vernunft ein Selbst- und Weltverhältnis konstituieren bzw. nach den Verhältnissen (etwa Gesetzen) forschen, in denen die Dinge ursprünglich gehalten sind. Die griechische Bestimmung des Menschen als des „logosbegabten Wesens“, des zóon lógon échon, ist insoweit die Definition des Menschen als eines Wesens, das in besonderer Weise dazu in der Lage ist, verhältnisoffen zu sein und Verhältnisse aufzubauen. Kommunikationsethisch läßt sich das in drei Folgerungen fassen, die wir, unsere Überlegungen bündelnd, zum Abschluss herausstellen wollen; die Folgerungen schließen dabei auch an die kommunikationsethischen Imperative an, die wir bereits kennengelernt haben.
Die erste Folgerung betrifft die Tatsache, dass, normativ gesehen, Kommunikation und kommunikative Strukturen immer den Sinn haben müssen, Verhältnisse zu begründen, nicht aber den, sie unmöglich zu machen oder sich aus ihnen herauszunehmen. Für die Kommunikation im Kontext der Medizin heißt das in jedem Fall: Insofern die Medizin keine Schreibtisch- oder Kathederwissenschaft und ebenso keine bloße Technik ist, sondern zu ihr konstitutiv eine kommunikative Dimension hinzutritt, gehört schon zum Ethos des Arztberufs zwingend die Bereitschaft, das eigene Tun immer in den Rahmen interpersonaler Verhältnisse zu stellen. Diese Bereitschaft schließt die Offenheit für andere Freiheit (mit Einschluss von nach rein technisch-wissenschaftlichen Standards „irrationalen“ Momenten) ein. Arzt sein heißt immer auch, sich auf Freiheit einlassen und sich zu dieser, nicht einfach zu Dingen und Sachverhalten ins Verhältnis setzen zu können – in Zeiten, die die Tendenz haben, die Medizin eher szientifisch bzw. als bloße Heiltechnik zu verstehen, gerät diese basale Dimension des spezifischen Sinns von Medizin leicht aus dem Blick. Damit ist übrigens nicht verlangt, dass es immer und um jeden Preis zu einem Konsens kommen müßte. Entscheidend ist vielmehr, dass sich auch im Dissens, wo er erscheint, das vorgängige Anerkanntsein des Gegenübers als mehr als ein Objekt reflektiert. Dort, wo der Andere nur Sache ist, wo ihm z. B., was er wissen darf oder muss, vorenthalten, wo er gar bewusst in die Irre geleitet wird, sind auch die Worte, die dabei im Spiel sind, kommunikationsethisch gesehen bedeutungslos, wenn nicht unwahr. Kant hat davon gesprochen, dass die Lüge unbedingt die Würde der Menschheit in unserer Person verletzt,14 weil unter ihrer Voraussetzung der Aufbau eigentlich humaner Verhältnisse nicht mehr möglich ist und am Ende alles unter Verdacht geraten muss.
Die zweite Folgerung betrifft den Punkt, dass die Verhältnisse, die wir kommunikativ eingehen und schaffen, jeweils über die je einzelnen Horizonte, die sich in ihnen treffen, auch hinausreichen und in gewisser Weise den gemeinschaftlichen Grund von unser aller Existenz betreffen. Gelebte Interpersonalität läßt immer ein Verbindendes, ein Allgemeines aufscheinen, dessen wir als Vernunftwesen insgesamt fähig sind und das wir in der Erkenntnis wie im Handeln darzustellen versuchen. Echte kommunikative Praxis findet entsprechend dort statt, wo eine Öffnung auf dieses Allgemeine hin erfolgen kann, wo das „Umgreifende“ all unseres Erkennens und Handelns (um nochmals Jaspers zu bemühen) prinzipiell mit im Spiel ist. Transponiert auf den Bereich medizinischen Handelns heißt das, dass dieses Handeln darum weiß, dass es sich nicht im Be-Handeln erschöpft, sondern an erster Stelle eine humane Praxis, ein Handeln aus Freiheit um der menschlichen Freiheit ist. Man kann hier auch davon sprechen, dass medizinisches Handeln, insofern es eine kommunikative Praxis ist, einer Würde verpflichtet ist, die auch der vollkommensten technischen Verrichtung notwendig fehlt. Medizinisches Handeln muss seine letzte Motivation aus dieser Dimension der Würde empfangen – und diese Motivation in entsprechenden kommunikativen Akten auch deutlich machen können.
Das Dritte schließlich wäre die Erinnerung, dass „Logos“ in der Tat eben auch Sprache heißt, also nicht nur eine mentale Innenwelt, sondern gerade auch die konkrete Äußerung, die Darstellung hier und jetzt einschließt. Wir haben bereits erwähnt, dass die Aufrüstung der Medizin zu einem technologischen Gesamtkomplex das Arzt-Patient-Verhältnis heute neu zu definieren droht, indem sie es den Experten überantwortet und damit anonymisiert. Dazu gehört, dass die Spielräume für den kommunikativen Ort, die sprachliche Darstellung der Beteiligten enger werden und tendenziell ganz verschwinden. Kommunikationsethisch gesehen kann sich jedoch niemand den Anspruch nehmen lassen, sprachlich einen Raum einzunehmen und in diesem auch anerkannt zu sein. Wenn Kant davon gesprochen hat, dass das angeborene Recht des Menschen nur eines ist, nämlich die Freiheit,15 und dieses Recht nach Kant zugleich das Recht einschließt, irgendwo im Raume dasein zu dürfen,16 so gilt dies auch für die kommunikative Freiheit. Sie fordert uns auf, kommunikativen Raum stets neu zu erobern. Sie fordert uns, was dasselbe heißt, auf, nicht „nur Worte“ zu machen, sondern in kommunikativen Akten unsere Lebenswelt mit dem Geist der Freiheit zu erfüllen. Sie fordert die gehaltvolle Rede, in der das Verhältnis zwischen Personen wie das zur Welt stets neu und lebendig sprachlich gestiftet wird. Der Bereich der Medizin ist davon nicht ausgenommen – im Gegenteil. Medizinisches Handeln geht in gelingender Kommunikation sicher nicht auf; ohne sie aber ist es medizinisches Handeln im ursprünglichen Sinne nicht gewesen.
Referenzen
- vgl. Ricoeur P., Die drei Ebenen des medizinischen Urteils, in: Hoffmann T. S., Schweidler, Walter (Hg.), Normkultur vs. Nutzenkultur. Über kulturelle Kontexte von Bioethik und Biorecht, Walter de Gruyter, Berlin, New York (2006), S. 519-535, bes. S. 520 ff.
- Es versteht sich, dass mit „Sprache“ hier nicht nur die phonetische, sondern, unabhängig vom Medium, jede Art reflexiv-kommunikativer Weltaneignung und -darstellung gemeint ist.
- Der für die zwischenmenschliche Mitteilung heute etablierte Begriff „Kommunikation“ ist nicht frei von Tücken, da er einerseits fast unvermeidlich technische Assoziationen (von den „kommunizierenden Röhren“ bis hin zur nachrichtentechnischen Rekonstruktion menschlicher Rede bei Shannon C. E., Weaver W., The Mathematical Theory of Communication, University of Illinois Press, Urbana, Ill., 1949) hervorruft, andererseits asymmetrische Kommunikationsstrukturen evoziert (ein Kommuniqué meint eine Verlautbarung von oben nach unten). Erst Karl Jaspers hat den Terminus philosophisch geadelt; seine Standarddefinition lautet: Kommunikation ist die durch Mitteilung zustande gebrachte „Gemeinschaft gegenseitigen bewußten Verständlichwerdens“ (Jaspers K., Vernunft und Existenz. 5 Vorlesungen, Wolters, Groningen, 1935, S. 72). In seiner Einführung in die Philosophie (R. Piper & Co Verlag, München, 1953) finden sich Jaspers’ bekannt gewordene Worte: „Was sich nicht in Kommunikation verwirklicht, ist noch nicht, was nicht zuletzt in ihr gründet, ist ohne genügenden Grund. Die Wahrheit beginnt zu zweien“ (S. 119). Im Kontext wird klargestellt, dass „Kommunikation“ nicht „Selbstbehauptung“ meint, sondern viel eher die „Hoffnung“, „dass ich mir unberechenbar wiedergeschenkt werde aus der Hingabe“ (S. 120).
- Hier nur ein einschlägiger Titel zum Thema: Kraus M., Name und Sache. Ein Problem im frühgriechischen Denken, Verlag B.R. Grüner, Amsterdam (1987), bes. S. 168 ff.
- Auf diese Grundbedeutung des Dialogbegriffs hat u. a. der Wissenschaftstheoretiker Peter Janich zu Recht sehr deutlich hingewiesen; vgl. Janich P., Konstruktivismus und Naturerkenntnis. Auf dem Weg zum Kulturalismus, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main (1996), S. 73 ff.
- Zum Thema „informed consent“ kann man entsprechend von „Praktikern“ auch hören: „Ich komme immer zu dem Ergebnis, das ich erreichen will – es kommt darauf an, wie ich informiere!“
- „Autonomie“ wird heute auch umgangssprachlich vielfach im Sinne bloßer (auch begründungsfreier) „Selbstbestimmung“ verstanden, also nicht, wie bei Kant, von der Selbstgesetzgebung aus praktischer Vernunft heraus aufgefasst. Für die Medizinethik ist hier insoweit der Gebrauch und die Definition des Stichworts „Autonomie“ bei Beauchamp T. L., Childress J. F., Principles of Biomedical Ethics, Oxford University Press, 1. Aufl., New York u. a. (1979) / 7. Aufl. (2013) verhängnisvoll gewesen.
- Manche zeitgenössischen Anerkennungstheorien verfehlen den Anerkennungsbegriff gerade darin, dass sie ihn im Sinne einer sozial vermittelten Versorgung mit Selbstbewusstsein umdeuten. Dadurch verliert der Anerkennungsbegriff jedoch gerade seine noch alle Sozialität fundierende Dimension.
- Ein Verweis statt vieler: Düsing E., Intersubjektvität und Selbstbewußtsein. Behavioristische, phänomenologische und idealistische Begründungstheorien bei Mead, Schütz, Fichte und Hegel, Verlag Jürgen Dinter, Köln (1986), bes. S. 179-289
- Fichte J. G., Grundlage des Naturrechts, § 3, Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (= GA) I/3, 347
- Diese Skizze bezieht sich auf die Grundlegungsschrift der neueren Kommunikationswissenschaft von Shannon C. E., Weaver W., siehe Ref. 3
- Der Begriff des „sprachlichen Handelns“ in dem hier vorausgesetzten Sinne wurde von Bruno Liebrucks eingeführt; vgl. Woschnak M., „Handle sprachlich“ – Zur Ethik bei Bruno Liebrucks, in: Gottschlich M. (Hrsg.), Die drei Revolutionen der Denkart. Systematische Beiträge zum denken von Bruno Liebrucks, Verlag Karl Alber, Freiburg / München (2013), S. 201-220
- vgl. Schadewaldt W., Einführung in die Philosophie der Vorsokratiker, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main (1979), bes. S. 370 ff.
- vgl. Kant I., Metaphysik der Sitten. Tugendlehre, hrsg. von der Preußischen Akademie der Wissenschaften (= AA), VI, 429
- vgl. Kant I., Metaphysik der Sitten. Rechtslehre, AA VI, 237
- vgl. Kant I., Vorarbeiten zur Rechtslehre, AA XXIII, 279 f.
Univ.-Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann
FernUniversität in Hagen
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