Eine schwere Krebserkrankung muss heute kein Hindernis mehr für einen späteren Kinderwunsch sein: Erstmals wurde nun auch in Österreich ein Kind geboren, nachdem der von Krebs geheilten Mutter ihr eigenes Eierstockgewebe wiedereingesetzt wurde. Wenige Wochen nach der Transplantation hatte die Frau erneut einen eigenen Zyklus und wurde auf natürlichem Wege schwanger. Sie brachte nun eine gesunde Tochter zur Welt, ihre Krebserkrankung liegt mehr als 15 Jahre zurück. Das berichtet die Direktorin der Leiterin der Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der MedUni Innsbruck, Bettina Toth (vgl. ORF-Science, 18.6.2022).
Das mittlerweile etablierte Verfahren der Konservierung von Eierstockgewebe gibt Krebspatientinnen im fruchtbaren Alter Hoffnung, ihren Kinderwunsch nach Ausheilen der Erkrankung noch erfüllen zu können. Die Geburt des Tiroler Babys ist die erste in Österreich, die nachweislich auf Hilfe dieser Methode zurückzuführen ist.
Eine Chemotherapie kann die Eizellen von Krebspatientinnen so stark schädigen, dass die Patientin später keinen Eisprung mehr hat und damit auf natürlichem Weg keine Kinder mehr bekommen kann. Das Eierstockgewebe wird vor der Chemotherapie bzw. Bestrahlung entnommen und so lange tiefgefroren gelagert, bis die Krebstherapie abgeschlossen ist. Die Tirolerin, die vor über 15 Jahren an einem Hodgkin Lymphom erkrankt war, musste mit einer starken Chemotherapie behandelt werden – und das so schnell wie möglich. Die Technik des Einfrierens von Ovargewebe existiert in Innsbruck seit 2003.
Eine jüngst im Deutschen Ärzteblatt publizierte Studie spricht bei Patientinnen im Alter von 23 bis 28 Jahren von einer Lebendgeburtenrate von 46,2 Prozent nach Transplantation von Eierstockgewebe (vgl. Deutsches Ärzteblatt, 2022; 119(7): [6]; DOI: 10.3238/PersOnko.2022.02.18.01). Eine Studie aus Brasilien zeigt ebenfalls, dass Krebspatientinnen im gebärfähigen Alter von diesem Ansatz profitieren können, vor allem, wenn sehr rasch mit einer Chemotherapie begonnen werden muss. Die Erfolgsrate dieser Technik sei allerdings schwer zu berechnen, da viele Zentren weltweit ihre negativen Ergebnisse nicht melden würden, so die Autoren. Wissenschaftlich publiziert wurden bislang 57 Fälle von Frauen, die nach einer Krebstherapie erfolgreiche Schwangerschaften mit Lebendgeburten hatten (vgl. Gynecological and Reproductive Endocrinology and Metabolism 2020; 1(2):89-94).
Wie stark Patientinnen von einer Schädigung der Eizellen betroffen sind, hängt von ihrem Alter, von der Grunddiagnose und der geplanten Chemo- bzw. Strahlentherapie ab. „Je jünger die Patientin ist, desto dichter gepackt sind die Eizellen im Eierstockgewebe. Dadurch gewinnen wir wirklich viele Eizellen“, sagt Gynäkologin Toth. Die Dosis und die Dauer der Therapie spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.
Frauen mit Tumorerkrankungen, die vor Bestrahlung oder Chemotherapie stehen, werden über diese Option informiert, so Toth. Insgesamt 150 Zentren für Gynäkologie und Fortpflanzungsmedizin haben sich in Österreich, Deutschland und der Schweiz zusammengeschlossen, um Erfahrungen auszutauschen und Therapieangebote auf dem aktuellen Stand zu halten.