IMABE: Rückblick und Ausblick

Imago Hominis (2008); 15(4): 287-289
Johannes Bonelli

Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums seit der Gründung des Instituts IMABE sei ein kurzer Rückblick auf die Tätigkeiten des Instituts in all diesen Jahren erlaubt.

Laut Eigendefinition versteht sich das Institut als Drehscheibe zur Förderung des interdisziplinären Dialogs von Medizin und Ethik in Forschung und Praxis auf Basis des christlichen Menschenbildes. Dementsprechend waren die Forschungsschwerpunkte auf die ethischen Implikationen der modernen Entwicklungen in der medizinischen Forschung ausgerichtet in dem Bewusstsein, dass es eine Wahrheit über den Menschen gibt, deren Respektierung unverzichtbar ist für den friedlichen und fruchtbaren Fortschritt der Menschheit. Diese Wahrheit über den Menschen gründet in der Menschenwürde und den Menschenrechten auf der Grundlage einer naturrechtlichen Werteordnung.

Mensch von Anfang an

Es darf daher nicht verwundern, dass sich eine ganze Reihe von Symposien und Publikationen des IMABE-Instituts mit dem Lebensschutz am Anfang und am Ende des Lebens auseinandergesetzt hat. Demgemäß war gleichsam der Auftakt der Tätigkeit des Instituts ein viel beachtetes interdisziplinäres Symposium über den Status des Embryos, das zusammen mit der Schweizer Gesellschaft für Bioethik in Wien veranstaltet wurde. Dabei hat eine ganze Reihe von namhaften, international anerkannten Wissenschaftlern aus den verschiedensten Fachbereichen mitgewirkt. Die Ergebnisse wurden in einem Symposiumsband publiziert. Dabei konnte gezeigt werden, dass durch die Wissenschaft zwar keine Antwort auf Fragen nach dem Sinn des menschlichen Lebens gegeben werden kann. Was sie uns aber über den Menschen lehrt, ist, dass seine menschliche Natur schon ab dem ersten Augenblick seiner Empfängnis existiert. Sie lehrt uns, dass der menschliche Embryo weder eine verderbliche Ware ist, die man beliebig einfrieren oder auftauen kann, noch ein Konsumgut, mit dem Handel getrieben werden kann, noch Material für wissenschaftliche Experimente im Namen des Fortschritts. Der menschliche Embryo ist mehr als nur eine biologische Masse, in der gewisse chemische und physikalische Prozesse mehr oder weniger geordnet ablaufen. Er ist ein Mensch und daher Person von Anfang an. Diese Erkenntnisse haben gravierende ethische Implikationen in Bezug auf die Stammzellenforschung, die Gentechnologie, die Reproduktionsmedizin, die Pränataldiagnostik usw., mit denen sich IMABE im Laufe der letzten 20 Jahre kontinuierlich und eingehend auseinandergesetzt und darüber publiziert hat.

Würdevolles Leben bis zuletzt

In gleicher Weise hat sich IMABE schwerpunktmäßig auch mit den ethischen Problemen am Ende des Lebens auseinandergesetzt. Im Vordergrund stand natürlich hier die Euthanasiedebatte, in die IMABE durch mehrere Symposien und Publikationen eingegriffen hat. In unserer Gesellschaft herrscht eine gewisse Hilflosigkeit im Umgang mit schwerkranken Patienten und Sterbenden. Sterbende werden in Institutionen abgeschoben und oft in unmenschlicher Weise alleine gelassen. Der Tod ist gleichsam zum Tabu geworden. In gewisser Weise hat auch der Fortschritt in der Medizin zu dieser Problematik beigetragen, denn mit der Verlängerung der Lebenserwartung ist eine Multimorbidität der Schwachen und Alten einhergegangen, die viele Probleme aufwirft. Die Befürworter der Euthanasie reden viel von verletzter Menschenwürde und meinen damit den Zustand der Alten und Schwerkranken. Angesichts dieser Situation scheint es notwendig, die Würde und den Wert, den kranke Menschen für eine Gesellschaft darstellen, wieder stärker in den Vordergrund zu stellen, damit unser Gesundheitssystem nicht zu einer Isolation unserer Kranken führt, abseits vom Alltagsleben und abseits von ihrer gewohnten Umgebung und ihren Angehörigen. Die Würde des Menschen besteht gerade darin, dass er um seiner selbst willen existiert. Sie hängt in keinster Weise davon ab, ob er gesund ist oder krank. Wir können immer wieder mit Staunen feststellen, zu welcher Größe der Mensch gerade im Leid fähig ist. Es ist ein eigenartiges Paradox, wie in Krankheit und Leid die Gebrechlichkeit des Menschen, aber gleichzeitig auch seine Würde und Größe offenbar werden können. „Nie werde ich jemanden, auch auf Verlangen nicht, ein Tötungsmittel verabreichen oder auch nur einen Rat dazu geben“, heißt es im Artikel 4 des Hippokratischen Eides, dem sich die Ärzteschaft seit Jahrtausenden verpflichtet weiß und der auch heute noch Grundlage des ärztlichen Berufsethos ist. Unsere Aufgabe muss es sein, Leiden zu lindern, aber nicht, das Leiden zu bekämpfen, indem wir den Leidenden selbst eliminieren. Schmerz und Tod werden nur dann zum unerträglichen Leid, wenn der Leidende selbst von seinen Mitmenschen nicht angenommen wird. In diesem Sinne bekommt das Wort von Mitleid seine eigentliche Bedeutung. Wenn wir daher unsere Leidenden und Sterbenden, unsere alten und gebrechlichen Mitmenschen wirklich als integrierte und wertvolle Mitglieder in unsere Gesellschaft aufnehmen und sie nicht als Last, sondern als Bereicherung für uns alle anerkennen, dann kann ihnen erst wahrhaft menschenwürdig geholfen werden; die Frage nach der Euthanasie erübrigt sich dann von selbst.

Kriterien einer Sinnorientierten Medizin®

Ein kritischer Punkt ist die Fähigkeit des Arztes, die trügerischen Klippen einer überzogenen kurativen Medizin rechtzeitig zu erkennen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, Leiden zu verlängern, statt es zu lindern. Im IMABE wurde mit Unterstützung des Fonds „Gesundes Österreich“ dazu ein Konzept entwickelt, die so genannte Sinnorientierte Medizin® (S.O.M.®), die es möglich macht, sinnvolle von nutzlosen Therapieansätzen frühzeitig zu unterscheiden, um sich rechtzeitig der Palliativmedizin zuzuwenden und unnötige Kosten einzusparen, die dem Patienten mehr schaden als helfen. Deshalb war ja auch die Palliativmedizin in den letzten Jahren ein wichtiges Thema des Instituts, wo eine Reihe von Publikationen und Beiträgen auf internationalen Symposien und Kongressen erfolgt sind. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass ein weiterer Schwerpunkt die Auseinandersetzung mit der Problematik der Hirntoddefinition und der Transplantationsmedizin gewesen ist. Dabei ist es vor allem darum gegangen, Missverständnisse auszuräumen, die vor allem Nicht-Mediziner beunruhigt haben und noch immer beunruhigen. In einer Vielzahl von Publikationen konnte gezeigt werden, dass ein Mensch, dessen Hirn irreversibel und zur Gänze zerstört ist, zwar noch einzelne biologisch funktionstüchtige Organe aufweist, dass aber die Integration des Organismus als Ganzheit im Sinne eines Lebewesens nicht mehr gegeben ist. Voraussetzung für die Feststellung des Hirntodes ist selbstverständlich eine exakte Hirntoddiagnose, bei der sichergestellt ist, dass es zu einem irreversiblen Funktionsausfall des gesamten Hirns gekommen ist, damit nicht aufgrund von Fehldiagnosen im Einzelfall falsche Rückschlüsse gezogen werden. Sicher ist, dass die Ärzteschaft aus wissenschaftlicher Redlichkeit und nicht aus unlauteren Motiven (wie manchmal unterstellt wird) die irreversible Zerstörung des Gehirns als Tod des Menschen definiert hat. Weitere wichtige aktuelle Themen, die behandelt wurden, waren die künstliche Sondenernährung am Lebensende. Dabei ging es vor allem um die Unterscheidung zwischen dem berechtigen und sinnvollen Einsatz dieser Maßnahme und einer überzogenen Überbehandlung, bei der der natürliche Verlauf des Sterbeprozesses missachtet wird. Ein weiterer Schwerpunkt war die Beschäftigung mit der Präventivmedizin und deren ethischen Implikationen, insbesondere des Tabakkonsums, wo auf die Verantwortung des Einzelnen für seine eigene Gesundheit und diejenige seiner Mitmenschen eingegangen wurde.

Das Vertrauen in der Arzt-Patienten-Beziehung

Weiters haben sich viele Seminare und Publikationen mit der besonderen Stellung des Arztes in der Arzt-Patienten-Beziehung auseinandergesetzt. Dabei wurde versucht, auf Basis der allgemeinen Tugendethik einen Verhaltenskodex für Ärzte und Pflegepersonal zu erstellen. Ausgangspunkt dabei ist die unzweifelhafte vorgegebene Asymmetrie in der Arzt-Patienten-Beziehung. Auf der einen Seite steht die Autonomie des Patienten, die respektiert werden muss, auf der anderen Seite hat der Arzt als Experte einen naturgegebenen Vorsprung gegenüber seinem Patienten. Daraus resultiert ein Spannungsverhältnis, das durch eine umfassende Aufklärung allein nicht überbrückt werden kann, sondern nur durch die Kultivierung eines echten Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient. Diese Erkenntnis ist deshalb wichtig, weil heute die Tendenz besteht, das Arzt-Patienten-Verhältnis wegen möglicher finanzieller Regressansprüche durch Misstrauen systematisch zu unterminieren. Dadurch werden Ärzte zunehmend zu einer Defensivmedizin gezwungen, bei der dann die rechtliche Absicherung über das Wohl des Patienten gestellt werden muss. Hier erwächst dem Arzt eine unaufhebbare ethische Verantwortung. Nur wenn der Arzt diese hohe ethische Verantwortung in vollem Maße wahrnimmt, kann wieder ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, das für eine tragfähige Arzt-Patienten-Beziehung unverzichtbar ist.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in den letzten 20 Jahren fast alle wichtigen und aktuellen Themen der medizinischen Ethik im IMABE-Institut bearbeitet wurden. Dabei wurden die einschlägigen Themen zunächst in kleinen interdisziplinären Expertengremien aufgearbeitet, um sie dann in größeren Symposien und Tagungen zu diskutieren. Letztlich hat sich die Arbeit immer in einer Publikation niedergeschlagen, sei dies nun in der von IMABE herausgegebenen Zeitschrift Imago Hominis , in der Reihe „Medizin und Ethik“ im Springer-Verlag oder in anderen einschlägigen Publikationen wie zum Beispiel in den kurz gefassten IMABE-Infos. Außerdem wird über Internet ein monatlicher Newsletter versendet, der für jedermann kostenlos abonnierbar ist. Es ist erfreulich zu sehen, dass wir in den vergangenen Jahren die Medienpräsenz des Institutes erheblich steigern konnten, nicht zuletzt durch eine ganze Reihe von Stellungnahmen von IMABE und Gastkommentaren zu aktuellen ethisch-medizinischen Themen.

An dieser Stelle möchte ich allen Förderern, Mitarbeitern und Weggefährten des Instituts danken. Ohne ihren jahrelangen Einsatz wäre unsere Arbeit im Dienste der Gesellschaft nicht möglich gewesen.

Anschrift des Autors:

Prim. Univ.-Prof. Dr. Johannes Bonelli, IMABE
Landstraßer Hauptstraße 4/13, A-1030 Wien
bonelli(at)imabe.org

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