Projekt Therapiereduktion bei Schwerstkranken. Verwendung von Blutprodukten
Zusammenfassung
Die Versorgung der Patienten mit Blut und Blutprodukten ist in Österreich durch eine Vielzahl von Menschen sichergestellt, die ihr Blut unentgeltlich und freiwillig bei einer der zahlreichen Blutspendeaktionen zur Verfügung stellen. Die Sicherheit der verfügbaren Blutprodukte ist sehr hoch, wenn auch ein gewisses Restrisiko bestehen bleibt. Insbesondere eine Verwechslung im ABO-System kann zu einer vital bedrohenden Reaktion beim Patienten führen. Trotzdem sollte eine Bluttransfusion dann in Betracht gezogen werden, wenn eine Verbesserung im Sinne eines gesteigerten subjektiven Wohlbefindens bei dem hier betrachteten Patientenkollektiv zu erwarten ist. Letztlich ist auch wichtig, auf welche Art und Weise die Entscheidung, Transfusionen abzusetzen, mit den Angehörigen kommuniziert wird.
Schlüsselwörter: Bluttransfusion, Restrisiko, ABO-System, akute Transfusionsreaktion
Abstract
The supply with blood and blood products in Austria is guaranteed by a vast number of people, who give their blood on an unpaid and voluntary basis. The security of the available blood products is very high, although a residual risk remains. Especially a mistake in the ABO-system may cause serious reactions in the patient. Nevertheless, a blood transfusion should be considered, if a clear benefit in terms of an increase in the patient`s subjective wellbeing could be achieved. Finally, it is of utmost importance how the decision not to further transfuse is communicated to the patient‘s dependants.
Keywords: blood transfusion, residual risk, ABO-system, acute transfusion reactions
Die Versorgung mit Blutprodukten ist in Österreich zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Problem der Ressourcenknappheit, wenn auch zunehmend die Kostenfrage intensiver diskutiert wird. Die Standardblutprodukte, die in Österreichs Spitälern angewendet werden, sind das gefilterte (Leukozyten-depletierte) Erythrozytenkonzentrat (EK) und das gefilterte Thrombozytenkonzetrat (TK), sowie das gefrorene Frischplasma (FFP). Die Lagerung des EK erfolgt bei 4 °C ± 2 °C für 42 Tage, es enthält > 42 g/Hb pro Einheit und als therapeutischer Erfolg gilt eine Erhöhung um 1 g Hb oder 3% Hkt. Das TK wird bei 22 °C ± 2 °C für 5 Tage gelagert, enthält 2-4x10E11 Thrombozyten pro Einheit und als therapeutischer Erfolg gilt eine Thrombozytenerhöhung um > 10.000/µl. Das FFP wird bei -30 °C für 6-12 Monate gelagert, es enthält alle pro- und antikoagulatorischen Gerinnungsfaktoren und als therapeutischer Erfolg gilt eine Erhöhung eines beliebigen Faktors um ca. 1% nach Transfusion von 1 ml/kg KG.1
Das Granulozytenkonzentrat ist sicher kein Standardprodukt, sollte aber trotzdem Erwähnung finden, weil sein Einsatzgebiet in der Beherrschung von Antibiotika-resistenten Infektionen gesehen wird, die gerade beim alten Menschen gehäuft auftreten können. Es wird bei 22 °C ± 2 °C für max. 24 Stunden gelagert, muss in jedem Fall bestrahlt werden und soll mind. 10E10 Granulozyten pro kg KG des Empfängers enthalten. Als therapeutischer Erfolg gilt eine messbare Erhöhung der Granulozyten beim Empfänger.
Die Palette an Blutprodukten wird durch die verschiedenen, meist industriell hergestellten Gerinnungspräparate vervollständigt, auf die ich aber im Folgenden nicht näher eingehen werde.
Die Preise für Blutprodukte variieren in Europa sehr stark und reichen von 65,– Euro für ein EK in Deutschland bis zu 171.50,– Euro in Frankreich. Österreich liegt im Mittelfeld mit einem gemittelten Preis von 109.34,– Euro pro EK. Bei den TK sind die Preisunterschiede noch deutlicher, wobei die Art der Herstellung auch einen Einfluss hat. In Finnland kostet ein TK 73.83,– Euro und in Österreich bis zu 663.87,– Euro. Für ein FFP zahlt man in Dänemark 28,– Euro und in der Schweiz 98.10,–. Diese Preise zeigen die globale Differenz, ohne auf weitere Details einzugehen.2
Nebenwirkungen und infektiöses Restrisiko durch Transfusion von Blutprodukten
Bei der Transfusion von Blutprodukten sind insbesondere die Nebenwirkungen gegen einen entsprechenden therapeutischen Nutzen abzuwägen.3 Die Übertragung von Viren4 wird mit einem Restrisiko nach Einführung der PCR5 wie folgt angegeben:
HCV von 1:4,4 Millionen6 bis < 1:26 Mio.7
HIV von 1:5,54 Millionen6 bis < 1:24 Mio.7
HBV von 1:620.0006 bis < 1:1 Mio.7
Dagegen ist die mögliche Übertragung von Bakterien, besonders in Thrombozytenkonzentraten, mit einem vergleichsweise relativ hohen Restrisiko von dzt. 1:2.500 – 1:4.000 angegeben, ein letaler Ausgang mit 1:50.000.8,9
Eine gefährliche, weil vital bedrohende Nebenwirkung ist die akute hämolytische Transfusionsreaktion durch eine Inkompatibilität im ABO-System. Mit der korrekten Durchführung des Bed-Side Tests und der Vermeidung von Verwechslungen ist dieses Risiko aber äußerst gering, wenn auch Jahr für Jahr tödliche Reaktionen auch in Österreich gemeldet werden.10,11
Alle anderen bekannten Nebenwirkungen sind zum einen verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen, sowie allergische Reaktionen und febrile nicht-hämolytische Transfusionsreaktionen (FNHTR).12
Diskussionspunkte für die Zurückhaltung bei der Transfusion von Blutprodukten
Die Ressourcenknappheit ist, wie oben bereits ausgeführt, in Österreich noch kein Thema, wenn auch bei einzelnen Blutgruppen, insbes. den Rhesus negativen Blutkonserven, durchaus Engpässe auftreten können. Eine Umstellung auf Rhesus positiv ist aber bei Patienten im letzten Lebensabschnitt unbedenklich, weil eine mögliche Antikörperbildung keine negativen Auswirkungen haben wird. Letztlich kann nur bei einer Massivtransfusion die Ressourcenknappheit ein mögliches Argument sein, sicher nicht bei der Transfusion einzelner EK. Aber die Frage ist ja nicht nur die Verfügbarkeit, sondern eben auch die Kostenfrage, die zunehmend im Raum steht.
Wesentlich ist, dass keine Blutbildkosmetik beim Patienten betrieben wird, denn eine Transfusion ohne erkennbaren Nutzen für den Patienten ist sicher nicht gerechtfertigt. Wobei gerade bei dem hier betrachteten Patientenkollektiv eine Verbesserung im Sinne eines gesteigerten subjektiven Wohlbefindens einen klaren Nutzen darstellt. Bei sehr ausgeprägter Anämie kann die Transfusion von Erythrozyten zu einer subjektiven Verbesserung des Allgemeinzustandes (resp. der Müdigkeit) führen, vorausgesetzt der Patient ist zu solchen subjektiven Wahrnehmungen noch fähig.
TKs sind bei dem hier diskutierten Patientenkollektiv nur bei vitaler Indikation zu verabreichen und nicht zur Prophylaxe. Die meisten TKs werden Patienten mit hämatologischen Erkrankungen verabreicht, die nach Blutbild-Kontrolle < 20.000 Thrombozyten pro µl haben. In den meisten Fällen wird keine aktive Blutung beobachtet, die Transfusion ist daher rein prophylaktisch und forensisch indiziert. Bei Schwerstkranken scheint daher eine prophylaktische Therapie mit TK sicher nicht indiziert, bei einer aktiven schweren thrombozytopenischen Blutung muss man diese Therapieoption aber in Betracht ziehen.
FFP in der notwendigen Dosierung ist für einen Schwerstkranken wahrscheinlich nicht zu tolerieren. Geringe Mengen (200 ml für einen Erwachsenen) sind aus transfusionsmedizinischer Sicht aber eine homöopathische Dosis.
Granulozytenkonzentrate sind aufgrund der unklaren Indikationsstellungen sicher nicht indiziert.
Ein wichtiger Punkt ist auch die Art und Weise, wie die Entscheidung, Transfusionen abzusetzen, mit den Angehörigen kommuniziert wird:
Wie weit ist der Patient noch ansprechbar oder bei sehr alten oder dementen Patienten noch in der Lage, um seinen Willen kundzutun?
Fallberichte
I) Bei einem knapp 30jährigen Patienten nach langdauerndem Ethanolabusus und mehrmaliger Wiederbelebung besteht eine unstillbare Blutung mit großem Blutbedarf über Tage. Nachdem der Patient nicht ansprechbar war, wurde mit den Angehörigen das weitere Vorgehen besprochen und folgende Entscheidung getroffen: Die Transfusionen wurden abgesetzt, weil kein therapeutischer Benefit durch die Behandlung zu erwarten war, sog. futile state. Der Patient ist ausgeblutet und daran verstorben (aus: Ethical Issues in Transfusion Medicine, AABB press, 2001).
II) Bei einer 40jährigen Patientin kommt es post partum zu einer atonen Uterusblutung, die nach medikamentöser Therapie über eine Herzrhythmusstörung zum Herzstillstand führt. Es folgt eine cardio-pulmonale Reanimation über 2 Stunden und durch die Schädigung der Lunge wird eine Versorgung mit der extracorporalen Membranoxygenierung (ECMO), neben der Routineversorgung auf der Intensivstation, notwendig. Die Patientin wird mit einer Vielzahl an EK, TK, FFP und weiteren Gerinnungsfaktoren über mehrere Wochen versorgt. Ein Jahr später ist die Patientin wohlauf und ohne cerebrale Defizite (eigene Beobachtung).
Referenzen
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ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Wagner, MSc (Telemedizin), MSc (Gesundheitsmanagement), Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin, Medizinische Universität Graz
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