In den vergangenen Jahren ist eine deutliche Trendwende bei der Wahl der Verhütungsmethode zu beobachten. Die Zahl der Nutzerinnen der hormonellen Kontrazeption („Pille“) nimmt seit 2020 weiter ab. Anlass für die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) zusammen mit Fachgesellschaften aus Österreich und der Schweiz eine ausführliche sogenannte S2k-Leitlinie Nicht-hormonelle Empfängnisverhütung (2024) auszuarbeiten und vorzustellen. Diese Leitlinie für Ärzte stellt ein Novum dar. Berücksichtigt sind darin sowohl die Methoden der Natürlichen Familienplanung (NFP) als auch Barrieremethoden, die ohne die Nutzung von Sexualhormonen auskommen.
Die Pille ist nicht mehr die am häufigsten angewendete Verhütungsmethode
„Während über Jahrzehnte hinweg die ‚Pille‘ die am häufigsten angewendete Verhütungsmethode in Deutschland war, wird die hormonelle Verhütung seit einiger Zeit zunehmend kritischer gesehen und zunehmend abgelehnt“, heißt in der Stellungnahme der Fachgesellschaft. Kondome würden zum Beispiel inzwischen häufiger zur Verhütung genutzt als die „Pille“ (Deutsches Ärzteblatt, 5.2.2024).
Kluft zwischen Sicherheit der Methode und der Anwendung - besonders bei der Pille
Bettina Böttcher von der Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Medizinische Universität Innsbruck, erklärt: „Die Einflussfaktoren auf die Gebrauchssicherheit einer Methode sind vielfältig: Motivation, Qualität der Informationsvermittlung, Sexualverhalten in der fruchtbaren Zeit“. Die Methodensicherheit wird in Studien unter kontrollierten Bedingungen ermittelt. Die Gebrauchssicherheit ist das, was in der Realität passiert. Zwischen beidem klafft bei der Pille eine große Lücke.
„Natürliche Familienplanung (NFP)“ ist genauso sicher wie die „Pille“
Ein Kapitel der Leitlinie widmet sich der „Natürlichen Familienplanung“, die Methoden der Zyklusbeobachtung mit weiteren Faktoren kombiniert. Dabei sticht der bemerkenswerte gute Pearl-Index hervor. Dieser gibt an, wie viele von 100 Frauen mit einer bestimmten Methode, bei regelmäßigem Geschlechtsverkehr im statistischen Mittel über ein Jahr schwanger werden. Je niedriger der Pearl-Index, desto sicherer ist die Methode.
An der Spitze der natürlichen Methoden steht Sensiplan mit einem Pearl-Index einer Methodensicherheit von 0,4 und einer Anwendungssicherheit von 1,8. Sie ist damit genauso sicher wie die "Pille" (Methodensicherheit: 0,3; Anwendungssicherheit: 9) und dem Kondom bei weitem überlegen (2/8). Sensiplan wurde von der Malteser Arbeitsgruppe NFP in Zusammenarbeit mit dem Forschungsprojekt NFP (Universitäten Heidelberg und Düsseldorf) entwickelt.
Aktuelle Studie zur Pille berichtet über Risiko für Schwangerschaftskomplikationen
Hintergrund für diese Trendwende sind die im Laufe der Jahre stets neu aufflackernden Berichte über bereits bekannte, aber nicht wirklich beherrschbare unerwünschte Wirkungen der Hormone zur Empfängnisverhütung (Bioethik aktuell, 15.1.2018). Neben erhöhten Krebsrisiken und eines Thromboserisikos wurde in jüngster Zeit auch über einen Anstieg von Schwangerschaftskomplikationen bei Pilleneinnahme berichtet. Ein Team von Wissenschaftlern aus den Niederlanden und Norwegen (International Journal of Epidemiology , 2023: 52 (5), 1388–1399, https://doi.org/10.1093/ije/dyad045) stellte fest, dass der Gebrauch von oralen Kontrazeptiva im Zeitraum von 12 Monaten rund um die Empfängnis, besonders bei solchen, die Östrogen enthielten, mit einem erhöhten Risiko für Präeklampsie bei Frauen verbunden ist. Außerdem stieg das Risiko für eine Frühgeburt, ein zu niedriges Geburtsgewicht oder zu geringe Körpergröße.
Besonders junge Frauen werden unter der Pille eher depressiv
Eine in der Fachzeitschrift Epidemiology and Psychiatric Sciences (2023;32:e39. doi:10.1017/S2045796023000525) publizierte schwedische Studie ergab, dass Frauen, die kombinierte orale Kontrazeptiva zur Empfängnisverhütung einnehmen, ein erhöhtes Risiko für depressive Episoden entwickeln als Frauen, die dies nicht tun. Innerhalb der ersten zwei Jahre war das Risiko um 73 Prozent erhöht. Für die Untersuchung wurden Daten von 264.557 Frauen ausgewertet. Depressionen kommen besonders gehäuft bei jungen Frauen – Teenager – vor, wenn diese mit der Pilleneinnahme beginnen. Die Forscher fordern eine verstärkte Aufklärung der Anwenderinnen über das Depressionsrisiko und ein Screening auf Depressionen. Zudem sollten Ärzte über den Zusammenhang zwischen Hormonpräparaten und Depressionen verstärkt informiert werden.