Kinderwunschkliniken sollten Frauen über 42 Jahre nicht mehr behandeln, da dies gegenüber den verzweifelten Paaren nicht fair sei: Die Erfolgschancen für ein Kind liegen nur bei geringen fünf Prozent. Das betonte Hans Evers, Reproduktionsmediziner der Universität Maastricht und Chefredakteur des Fachjournals Human Reproduction kürzlich am Royal College of Obstetricians and Gynaecologists World Congress 2017 in Südafrika (vgl. Daily Mail, online, 22.3.2017) Mit 44 Jahren würden die Chancen auf eine Geburt überhaupt nur noch bei zwei Prozent liegen. Umgekehrt bedeutet das: 95 bis 98 Prozent aller Frauen über 42 gehen trotz mehrerer Versuche letztlich ohne Kind nach Hause.
Evers hatte sich als ausgewiesener Experte zuletzt vermehrt überraschend selbstkritisch zu Methoden innerhalb der Branche der Reproduktionsmedizin geäußert (Bioethik aktuell, 10.10.2016 und Bioethik aktuell, 27.6.2016).
In zahlreichen Ländern, darunter auch in Österreich, wird eine künstliche Befruchtung (IVF) bei Frauen über 40 Jahre von gesetzlichen Krankenkassen nicht mitfinanziert - aus gutem Grund: Eine kanadische Studie hatte 2015 die tatsächliche Geburtenrate bei 44-jährigen Frauen nach IVF untersucht: Innerhalb von zwei Jahren waren 600.000 Dollar an IVF-Versuche bei 44-Jährigen geflossen, es kam dabei zu keiner einzigen Lebendgeburt (Bioethik aktuell, 9.11.2015). Die Kostenübernahme für das Verfahren wurde daher angesichts der ernüchternden Ergebnisse eingestellt.
Allerdings locken private Kassen mit Angeboten, IVF auch bei Frauen über 40 Jahren zu finanzieren, Kinderwunschzentren bieten IVF ebenfalls ohne Altersgrenze auf eigene Kosten an. Evers kritisiert dieses Vorgehen scharf. Er beschuldigt private Kliniken, falsche Hoffnungen zu wecken und dann gerade in dieser Altersgruppe zusätzliche unnütze und teure Behandlungen durchzuführen, um die schlechten Erfolgsraten zu verbessern. Der Reproduktionsmediziner fordert eine generelle Altersgrenze für IVF bei 42 Jahren, um diesem Wildwuchs entgegenzutreten. Stattdessen verweist er Frauen mit Kinderwunsch ab 42 auf die Eizellspende.
Doch auch die IVF per Eizellspende ist kein Ausweg, betont IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer. Abgesehen von der altersbedingt geringen Chance auf ein Kind, müssen die gesundheitlichen Komplikationen in den Blick genommen werden, denen Frauen und Kinder bei diesen Risikoschwangerschaften ausgesetzt sind. „Die Risiken werden von Reproduktionsmedizinern leider gerne ausgeblendet, ebenso die psychosozialen Folgen, die sich durch Eizellenspenden ergeben sowie das Machtgefälle zwischen den Eizell-„Spenderinnen“ und Eizell-„Bestellerinnen“, betont Kummer.
In der aktuellen Ausgabe von IMAGO HOMINIS mit dem Schwerpunkt Ethische Fragen der Reproduktionsmedizin bringt die Ethikerin eine ausführliche Analyse der aktuellen ethischen, medizinischen und sozialen Risiken, die mit reproduktionsmedizinischen Verfahren einhergehen (vgl. Susanne Kummer: Leben aus dem Labor. 40 Jahre Reproduktionsmedizin - eine Übersicht, in: Imago Hominis (2017; 24(1): 015-034).
Die Nachfrage nach IVF wächst jährlich um etwa 10 Prozent, bedingt durch ausgeweitetes Angebot und soziale Akzeptanz. Damit ist die technisch assistierte Fortpflanzung aber auch zu einer gewinnbringenden Industrie geworden, an der viele Akteure mitverdienen. Laut aktuellem Report Global In-Vitro Fertilization (IVF) Market 2014 - 2022 des Internationalen Marktforschungsinstituts Allied Analytics LLP soll der globale IVF-Markt bis 2022 auf schätzungsweise 12,5 Milliarden Dollar ansteigen.