Anlässlich des 40. Jahrestags der Geburt von Louise Brown, die am 25. Juli 1978 als erstes Baby nach künstlicher Befruchtung zur Welt kam, mahnt der britische IVF-Pionier Lord Robert Winston zu selbstkritischer Reflexion in der Branche. In einem Interview mit The Irish News (online, 12.7.2018) beklagt der Mediziner, dass Menschen „in die IVF hineingezogen“ würden, ohne zu erfahren, wie niedrig die Erfolgsraten seien. Der IVF-Markt sei zu einem Geschäft geworden, private britische Wunschbabykliniken würden regelrecht „absahnen“, so Winston, emeritierter Professor für Fertilitätsstudien am Imperial College London. Die Verzweiflung von Paaren, die sich ein Kind wünschen, kombiniert mit der Gier privater Praxen ergebe eine „gefährliche Mischung“. Bereits 2017 zeigte sich Winston beschämt über „die Ausbeutung durch die IVF-Industrie“ (vgl. Daily Mail, online, 4.5.2017).
Er kritisiert die Selbstgefälligkeit der Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) und mahnt zu mehr Transparenz und Seriosität. So etwa berechne die HFEA die Erfolgsrate pro Embryotransfer. „Aber das ist irreführend, weil eine große Anzahl von Frauen zwar einen Zyklus beginnt, es aber nie zum Embryotransfer kommt, weil ihre Eierstöcke nicht reagieren oder weil sich die Eizellen nicht befruchten lassen.“ Diese Fehlversuche werden einfach aus der Statistik genommen, die damit verzerrt sei. Man müsse den betroffenen Frauen klar machen, dass „die Chance, in einem individuellen IVF-Zyklus in Großbritannien schwanger zu werden, immer noch bei nur 21 Prozent liegt“, betont der Fertilitätsexperte - und das bei Frauen unter 35 Jahren. Je älter sie sind, desto geringer seien die Chancen.
Ein erhebliches Problem im Umgang mit Unfruchtbarkeit liege darin, dass sie „50, 60 oder 70 verschiedene Ursachen“ haben kann. Für einige der zugrundeliegenden Ursachen gebe es wesentlich weniger invasive und belastende Behandlungen als eine IVF - und weniger kostspielige. „In-vitro-Fertilisation ist in vielen Fällen nicht die beste Behandlung - aber die profitabelste.“ Die Herausforderung bestehe darin, eine Diagnose zu stellen statt von „unerklärlicher Unfruchtbarkeit“ zu reden. Unfruchtbarkeit sollte nicht wie derzeit symptomatisch behandelt, sondern der Fokus sollte auf das ursächliche Problem gerichtet werden. Allein: Den meisten Kliniken fehle dazu die nötige Kompetenz.
Eine ausführliche Analyse zu aktuellen ethischen, medizinischen und sozialen Fragen, die mit reproduktionsmedizinischen Verfahren einhergehen, findet sich in folgendem Artikel: Susanne Kummer, Leben aus dem Labor. 40 Jahre Reproduktionsmedizin - eine Übersicht, in: Imago Hominis (2017; 24(1): 015-034).