Erstmals ist in Deutschland ein Kind auf die Welt gekommen, dessen Mutter vor einer Krebsbehandlung Eierstockgewebe entnommen und später wieder eingepflanzt worden war. Die Frau war nach Angaben des Gynäkologen-Teams aus Dresden, Erlangen und Bonn auf natürliche Weise schwanger geworden, nachdem sie ihren Lymphdrüsenkrebs überstanden hatte, berichtet die Nachrichtenagentur dpa (online, 5.1.2012). Der kleine Maximilian kam bereits im Oktober 2011 per Kaiserschnitt zur Welt.
Als Folge einer Chemotherapie können die Eierstöcke von Krebspatientinnen so stark geschädigt sein, dass sie keine Kinder mehr bekommen können. Das Verfahren gibt diesen Patientinnen nun Hoffnung. Das Eierstockgewebe wird ihnen vor der Chemotherapie und Bestrahlung entnommen und so lange eingefroren, bis die Therapie abgeschlossen ist. Danach wird es entweder in den Eierstock selbst oder in das Becken eingesetzt, erklärt der Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Dresden, Wolfgang Distler. Nach eigenen Angaben konnte mittels Proben erstmals nachgewiesen werden, „dass die Eizelle, die zur Schwangerschaft führte, nur aus dem Retransplantat stammen kann.“ Bisher wurden laut Distler weltweit 15 Babys nach einer solchen Behandlung geboren - aber ohne diesen Nachweis.
Bei der heute 33-jährigen Mutter war 2003 das Hodgkin-Lymphom, eine aggressive Form von Lymphdrüsenkrebs, festgestellt worden. Als die Krankheit nach der Chemotherapie zurückkehrte, habe die Familie sie gedrängt, Eierstockgewebe sichern zu lassen, das tiefgefroren und eingelagert wurde. Nach weiteren Chemotherapien und einer Stammzelltransplantation galt die Patientin als geheilt.
2010 wurde ihr per Bauchspiegelung das fünf Jahre zuvor entnommene Gewebe wieder eingesetzt - nahe dem alten Eierstock an der rechten Beckenwand. „Wichtig war, dass das Retransplantat in Reichweite des Eileiters lag, damit dieser unbefruchtete Eizellen aufnehmen konnte.“ Mit Hilfe einer Hormonbehandlung formierte sich aus dem Gewebe ein funktionierender Eierstock, 2011 wurde die Patientin schwanger.
Experten können nicht ausschließen, dass bei solchen Verfahren auch Krebszellen verschleppt werden. Beim Hodgkin-Lymphom sei dies jedoch sehr unwahrscheinlich. „Bei den bisherigen weltweit berichteten Fällen wurden bislang keine Rezidive beschrieben“, sagte Distler. Routinemäßig wird nach Angaben der Gynäkologen ohnehin eine Gewebeprobe im Labor auf Tumorzellen untersucht. Distler und seine Kollegen wollen Mediziner für das Thema sensibilisieren. „Onkologen sollten Frauen mit Tumorerkrankungen, die vor Bestrahlung oder Chemotherapie stehen, über diese Option informieren.“