Die Zahlen sind alarmierend: 45 Prozent der Gesundheits- und Krankenpflegekräfte in Österreichs Spitälern erwägen, aus ihrem Beruf auszusteigen. Das sind rund 27.800 der derzeit 62.000 Pflegekräfte im Akutbereich. Laut der Wiener Studienautorinnen Alexandra Gferer (Pflege) und Natali Gferer (Soziologie) ist es nicht nur eine Herausforderung, wie man mehr Menschen für Pflegeberufe gewinnt, sondern auch, wie man sie im Beruf hält (vgl. Die Zeit, 17. Juni 2021). Bis 2030 fehlen in Österreich mindestens 75.000 Menschen in der Pflege.
Der International Council of Nurses warnt laut der Studienautorinnen davor, dass es nach einem Jahr Covid-19 Pandemie zu einem weltweiten „Massenexodus“ aus der Pflege kommen wird. Die bereits zuvor bestehende Arbeitsbelastung hat sich im Rahmen der Covid-19-Pandemie für Pflegepersonen weltweit derart stark erhöht, dass eine immer größer werdende Anzahl von Gesundheits-und Krankenpflegern einen Ausstieg aus dem Pflegeberuf beabsichtigt – auch in Österreich.
Als Gründe für einen Jobausstieg geben die 2.470 in einer repräsentativen Studie Befragten an: zu wenig Entlohnung (56%), zu wenig Wertschätzung und Anerkennung (47%), Personalmangel (44%), zu hohe Arbeitsbelastung (41%) und zu hohe psychische Belastung (36%). Von jenen, die bereits vorher über einen Ausstieg aus dem Pflegeberuf nachgedacht haben oder derzeit einen Berufswechsel umsetzen (3.088 Gesundheits-und Krankenpfleger), hat sich für 59% der Gedanke an einen Berufsausstieg durch die Covid-19- Pandemie noch verstärkt.
Die Studie wurde während der dritten Corona-Welle (März-April 2021) durchgeführt, Zielgruppe waren ausschließlich Gesundheits- und Krankenpflegekräfte im Spitalsbereich (vgl. Österreichische Pflegezeitschrift, 04/2021, 12.7. preprint), der Langzeitpflegebereich wurde nicht erfasst. Laut Studienautorinnen liegen damit nun erstmals konkrete Daten für Österreich darüber vor, welche Faktoren dazu führen, dass Pflegende im Akutbereich aus ihrem Beruf aussteigen. Die Daten wurden mit Unterstützung des ÖGKV (Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband) erhoben.
Das Ausmaß an Gewalt, mit dem Pflegekräfte konfrontiert sind, hat die Autorinnen überrascht. Fast 60 Prozent der Befragten seien in ihrer Berufslaufbahn schon Beschimpfungen und Drohungen ausgesetzt gewesen, 17 Prozent haben auch körperliche Gewalt erlebt – Tritte, Schläge, Bisse. In der Pandemie haben die Aggressionen noch weiter zugenommen. "Gewalt in der Pflege ist immer noch ein großes Tabuthema. Darüber redet man selbst innerhalb der Kollegenschaft nicht gerne", so die Krankenpflegerin Alexandra Gferer.
Dass die Corona-Krise dazu beigetragen habe, dass sich die Gesellschaft mit der Pflege solidarisiert hätte, ließe sich durch die Studie nicht bestätigten: Zwei Drittel der Pflegepersonen geben an, dass sie sich in der Covid-Pandemie nicht stärker von den Patientinnen und Patienten respektiert fühlen. Insgesamt fehle es an Wertschätzung – durch die Patienten, die Arbeitgeber, die Gesellschaft und die Politik. Sollten sich die Arbeitsbedingungen nicht ändern, werde man viele Pflegepersonen nicht mehr halten können, fürchten die Autorinnen.