Weil sie ihr Kind bei einer fehlerfreien Diagnostik und Beratung abgetrieben hätten, haben Eltern Ärzte auf die Übernahme von Kosten für den Neubau eines behindertengerechten Privathauses verklagt. Nun gab ihnen das Oberlandesgericht Frankfurt recht (vgl. Pressemitteilung des OLG-Frankfurt am Main, online, 1.10.2018). Der Aufwand für die schwerstbehinderte Tochter, die an Trisomie 18 litt, sei nicht mit dem Aufwand für ein gesundes Kleinkind zu vergleichen. Eine Übersiedlung aus der Wohnung in ein neues Haus sei nötig gewesen.
Die Familie wohnte zum Zeitpunkt der Geburt in einer Eigentumswohnung, die nicht behindertengerecht umgebaut werden konnte. Daher entschloss sie sich zum Bau eines Hauses, als ihre Tochter zwei Jahre alt war und sie noch ein zweites Kind erwartete. Der Hausbau wurde dem Gericht zufolge bis zum Verkauf der Wohnung über ein Darlehen finanziert. Die Familie verlangte von den Ärzten die Übernahme der Zwischenfinanzierungskosten in mittlerer fünfstelliger Höhe. Es sei überzeugend dargelegt worden, dass sich die Kläger aufgrund der schwersten Behinderung ihrer Tochter und nicht wegen der weiteren Familienplanung für den Hausbau entschieden hätten, so die Richter. Den Eltern stand u. a. kein behindertengerechter Lift noch ein Parkplatz in zumutbarer Nähe zur Verfügung. Auch die nächtlichen Unruhezustände des Kindes hätten für die Eltern eine hohe psychische Belastung bedeutet. Die Berufung blieb nun vor dem OLG erfolglos, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Zuvor hatte bereits das Landgericht Wiesbaden der Klage der Eltern 2016 stattgegeben und bei den beklagten Ärzten grundsätzlich eine Pflicht zum Schadenersatz gesehen (Az. 7 O 217/00). Das Kind ist im Alter von drei Jahren gestorben.
Für IMABE-Direktor Johannes Bonelli, selbst Arzt, liegt das Problem der sog. „Kind als Schaden“-Rechtsprechung darin, dass ein behindertes Kind dann Quelle finanzieller Entschädigung wird, wenn es gegen den Willen der Eltern einer Abtreibung entkommen ist. „Was aber ist eigentlich mit jenen Eltern, die ihr behindertes Kind annehmen, ohne eine Abtreibung in Erwägung gezogen zu haben?“ fragt Bonelli kritisch nach. „Was den Anspruch auf wirtschaftlichen Ausgleich anlangt, stehen sie ungleich schlechter da als jene, die von vorneherein sagen: Wir wollten das Kind abtreiben, jetzt müssen wir dafür sorgen. Der Lebensbejahende wird offensichtlich vom Staat bestraft. Juristisch und ethisch kommt dies einer Bankrotterklärung gleich“, betont der Internist. Stattdessen sei eine soziale Absicherung für alle Familien zu fordern, die von außerordentlichen Lasten in der Sorge um Kinder mit Behinderung betroffen sind, so Bonelli.
In Österreich will die parlamentarische Bürgerinitiative #fairändern „mehr Fairness“ für Frauen im Schwangerschaftskonflikt und Kinder mit Behinderung erreichen. Dazu zählen u. a. die Abschaffung der eugenischen Indikation, wonach die Abtreibung von behinderten Kindern in Österreich bis zur Geburt möglich ist, mehr Beratung und Unterstützung für Eltern, die ein Kind mit Behinderung erwarten sowie anonyme Statistik und Motivforschung zu Schwangerschaftsabbrüchen.
Unterschreiben kann jeder österreichische Staatsbürger ab 16 Jahren bis zum 24. November 2018. Nähere Informationen finden sich unter http://www.fairaendern.at/.