Die Covid-19-Pandemie hat zu drastischen Veränderungen bei der Versorgung von Patienten am Lebensende und ihren Familien geführt. Um potentielle Ansteckungen zu vermeiden, gab es strenge Beschränkungen - auch für Patienten am Lebensende. Ihnen war jeglicher Besuch von Angehörigen und selbst von Seelsorgern in Krankenhäusern und Pflegeheimen untersagt. Sie sind alleine gestorben. Sowohl für die Betroffenen als auch für das Personal zählte dies zu den traumatischen Erfahrungen unter Covid-19. Das Sterben müsse auch unter außergewöhnlichen Umständen menschlich bleiben, betont deshalb Martha AQ Curley, Pflegewissenschaftlerin von der School of Nursing der University of Pennsylvania. Gemeinsam mit einem interdisziplinären Forscherinnenteam schlägt sie für die Zukunft alternative Wege vor.
In einem im Fachjournal Intensive Care Medicine (8. Juni 2020 https://doi.org/10.1007/s00134-020-06145-9) publizierten Leitartikel fordern die Expertinnen dringend dazu auf, in diesen außergewöhnlichen Zeiten umzudenken. Es müsse ein Entscheidungsrahmen erwogen werden, der das Infektionsrisiko minimiert, die Beziehungen zwischen Patient und Familie respektiert, kulturell wichtige Sterberituale einhält und potenzielle psychische Schäden mindert, die durch das Trauma der Familientrennung hervorgerufen werden können. Die Anwesenheit erwachsener Familienmitglieder am Kranken- und Sterbebett von Patienten während Covid-19 sollte unter bestimmten Auflagen ermöglicht werden.
Der Schutz vor Infektionen und eine familienzentrierte Versorgung schließen einander nicht aus. Ihre Erfahrungen ziehen die Expertinnen aus Pflege, Intensivmedizin und Psychologie aus der Pädiatrie. Skeptisch sind sie, dass der virtuelle Kontakt die Nähe ersetzen könne: „Virtuelle und persönliche Besuche kann man nicht gleichsetzen. Der virtuelle Kontakt schränkt von Natur aus die menschliche Beziehung ein, die ein wichtiges Element für die Entscheidungsfindung und Pflege am Lebensende darstellt.“
Auch kulturelle und religiöse Traditionen, die sowohl den Sterbenden Angst nehmen als auch Trost für die Hinterbliebenen bedeuten, seien der Pandemie zum Opfer gefallen. „Allein zu sterben sollte trotz sozialer Distanzierung überhaupt nicht Teil des Sterbens sein", betonen die Autorinnen.