Zwischen Verzweiflung und Zuversicht: Wie wollen wir sterben?
Zusammenfassung
Moderne säkulare Gesellschaften haben zunehmend ein Problem mit dem Sterben. Statt Einsicht in die Vergänglichkeit des Lebens, die Vanitas, wie sie in der Antike und dem Mittelalter gelehrt wurde, besteht der moderne Mensch auf Autonomie und Selbstbestimmung. Unweigerlich gerät er mit dieser Vorstellung am Lebensende in Vereinsamung und Verzweiflung. Der Gesellschaft dient der Respekt vor der Autonomie des Individuums als eine Entschuldigung für fehlende Solidarität. Zynisch wird ein „Recht auf Sterben“ zur Vermeidung von „unerträglichem Leiden“ am Lebensende proklamiert. Unberücksichtigt bleibt, dass moderne Palliativtherapie nachweislich Schmerz und Leiden in der Sterbephase kontrollieren kann und den Sterbewunsch schwinden läßt. Zusätzlich vermitteln Zuwendung durch die Familie, Freunde und Seelsorge Zuversicht am Lebensende. Eine demütige Einsicht in die Vergänglichkeit des Lebens in der Tradition der mittelalterlichen „Ars moriendi“ ist allerdings Grundvoraussetzung für harmonisches Sterben.
Schlüsselwörter: Sterben, Vanitas, Autonomie, Palliativtherapie, Ars moriendi
Abstract
Modern secular societies face a growing problem over the idea of dying. Instead of accepting the transient nature of life, and the “vanitas“ that was taught in ancient times, modern man now insists on autonomy and self-determination. Inevitably, this idea leads him to loneliness and despair at the end of life. In order to be able to evade the obligations of solidarity toward one’s fellow man, a right to self-determined dying is proclaimed and life in old age is stigmatized as “unworthy.” Where modern palliative therapy is used, the desire to die diminishes demonstrably. Attention from family, friends and pastoral care provide confidence at the end of life. However, a humble understanding of the transience of life – in the tradition of the medieval “ars moriendi” – is a basic requirement for a harmonious death.
Keywords: dying, vanitas, autonomy, palliative care, ars moriendi
Christoph von Ritter MD PhD
Prof. em. Ludwig-Maximilians-Universität München
Rochushof/Froschsee 26, D-83324 Ruhpolding
christoph(at)vonritter.de