Anderssein. Zur Bipolarität der Geschlechter

Imago Hominis (2010); 17(4): 305-314
Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz

Zusammenfassung

Um die Bedeutung der Zweigeschlechtlichkeit in ganzer Breite aufzuspannen, bedarf es eines wachen Blicks auf die zeitgenössischen Abschwächungen dieses Themas. Erstaunlich folgerichtig wurden mehrfache Versuche unternommen, den Wirklichkeitsgehalt des Geschlechtes zu verdünnen – es als beliebig überschreibbar, nur sprachlich normiert, kulturell veränderbar, auf jeden Fall als kontingent hinzustellen. Dabei spart der verengte Blick (bewusst?) blinde Flecken aus, obwohl sie geradezu ins Auge fallen. Wieso Verengung? Scheinbar erweitert sich zunächst der Spielraum des Geschlechts: homo-, hetero-, bi-, trans- und auto-sexuell kann „Jedes“ seinen Körper geschlechtlich beschriften. Aber: Bietet sich der Leib wirklich widerstandslos, ja nichtig als „vorgeschlechtlicher Körper“ an? Die These lautet: In all dem bleibt seine Bipolarität verdeckt erhalten, sie ist nicht zu unterlaufen, sie allein verleiht Leben.

Schlüsselwörter: Leib, Gender-Ideologie, unhintergehbare Zweigeschlechtlichkeit, Person und Geschlecht, anthropologische und biblische Horizonte

Abstract

Any attempt to grasp the entire scope of existence of two distinct sexes requires an alert mind to realize the ongoing attenuation of this subject. Amazingly, repeated logical attempts have been made to dilute the impact on reality of considering gender interchangeable, solely based on normative terminology, and as something culturally variable and contingent. This increasingly narrow vision ignores (intentionally?) certain areas which present themselves, in fact, as only too obviously. It first seems that the frame of sexes/genders has been extended: homo-, hetero-, bi-, trans- and auto-sexual now enable anybody to put a specific “tag” onto his or her body. But does a human being – in reality and without objections – really come into existence as a “pre-sexual” body? Such a thesis might read: The bipolarity of the body is covertly maintained and cannot be avoided as it is the source of life itself.

Keywords: Living Body, Gender Ideology, Unextinguishable Bipolarity, Person and Sexuality, Anthropological and Biblical Horizons


1. Zeitkritische Beobachtungen: Signaturen von Reduktion

1.1 Verkürzung des Leibes auf Körper

Im August 2005 zeigte das Kunstmuseum Bern eine geköpfte Möwe mit dem aufgepflanzten Kopf eines menschlichen Fötus – eine Arbeit des Chinesen Xiao Yu, der zuvor schon durch das operative Zusammennähen zweier Mäuse aufgefallen war, die in ihrer „plötzlichen Einleibigkeit“ und ihren hilflosen Bewegungen als Kunstwerk auf Video verkauft wurden. Das „Kunstwerk“ wurde innerhalb weniger Tage wieder entfernt, nicht aus ethischen Bedenken, sondern weil der große Besucherandrang nicht mit der Sicherheitstechnik bewältigt werden konnte.

Welche Grammatik des mechanischen, also toten Körpers zeigt sich in solchen „Inszenierungen“? Schon die Unterscheidung von Leib und Körper kann als sprachlicher Leitfaden dienen, denn Körper meint nicht mehr den immer schon belebten Leib – die Wortwurzel lb- steckt gemeinsam in Leib, Leben, Liebe. Stattdessen ist bereits der Akzent der quantitativ-mechanischen Hülle gesetzt; Körper gilt als „kulturelles Artefakt“, „soziales Konstrukt“, als „Maske“, die ein (nicht vorhandenes) Ich verbirgt,1 als dekonstruierbares Etwas.

Dem entspricht unzweifelhaft ein neuer Körperkult: ein sinnlicher „Ego-Genuss“ (neuerdings mit dem Vorschlag, Speisen mit Sperma zu würzen) und eine reale oder virtuelle Umgestaltung des Körpers mit Tattoos und Piercing, in „Schönheits“-Operationen, in der Kunst, im Cyberspace der Videowelt, in Transvestismus oder Transgendermoden oder auch in leichenhaften „Körper-Welten“, in denen Tote als Pseudo-Lebende agieren.

1.2 Verkürzung der Frau auf Egalität mit dem Mann

Dekonstruktion im Sinne des Egalitätsfeminismus heißt, dass auch die Geschlechter unter variablen „Rollen“ in geschichtlicher Wandelbarkeit verstanden werden. Schon Sigmund Freud wollte die naturhafte Gegebenheit der Geschlechter auflösen: Wer den Schleier des Weiblichen lüfte, treffe auf das Nichts (des Unterschieds). Nach Simone de Beauvoir sind endgültig nur noch strukturelle Fragen zuzulassen: Wie wird man eine Frau?, aber keine Wesensfragen mehr: Was ist eine Frau?2 Denn: „Als Frau wird man nicht geboren, zur Frau wird man gemacht.“

Frausein ist nach Beauvoir eine Erfindung männlicher List zur Abwälzung unangenehmer Aufgaben: eine Spiegelung undurchschauter Erziehung und unbefragt übernommener sekundärer Rollen. Vor allem sei die faule Denkungsweise aufzuheben, wonach Frausein vorrangig durch Biologie bestimmt werde, der sich alle seelischen Haltungen zuordnen müssten, um gattungstypische Eigenschaften zu sein. Wann immer die Frau als „die andere“ bezeichnet wird, wird sie nach Beauvoir schon ausgrenzend ins Anderssein abgewiesen. Daher gelte es, die Kategorie „weiblich“ von Grund auf als repressiv zu ächten.

Beauvoir verlangt eine Maskulinisierung der Frau im Sinne bindungsloser Selbstbestimmung. Es gibt nach ihr zwei „Fallen“ des Frauseins: das Kind und den Mann; beide führten zu Bindungswillen und damit zu dauerhafter Übernahme von Pflichten. Vor allem das Kind stelle wegen seiner leib-seelischen Abhängigkeit die natürliche „Fessel der Frau“ dar. Den Unterschied zum Mann bringt Beauvoir nicht mehr in die Theorie ein; das Glück des Andersseins kann fürs erste weder gedacht noch gelebt werden. Vielmehr bleibt Frausein bei Beauvoir von der abstrakten Autonomie des Selbstseins bestimmt. Der weibliche Körper müsse „transzendiert“ und neutralisiert werden: durch chemische Einebnung des Biorhythmus, im schärfsten Fall durch Abtreibung, die Beauvoir empfahl und selbst vollzog.3

Diese Egalitätsthese („Frau muss Mann werden“) bestimmte die erste Diskursphase des Feminismus, wurde freilich, zumal nach Bekanntwerden von Beauvoirs eigener Unterwerfung unter Sartres sexuelle Forderungen, stark kritisiert.

1.3 Verkürzung des Geschlechts auf Gender

Seit den 1990er-Jahren wird radikalisiert behauptet, der Unterschied zwischen sex (biologischem Geschlecht) und gender (kulturellem, sozialem Geschlecht) sei pure Interpretation. Nach Judith Butler (* 1956), Professorin für Rhetorik in Berkeley,4 gibt es keinen „natürlichen“ Körper als solchen, der „vor“ Sprache und Deutung der Kulturen liege. Körperliche Geschlechtsunterschiede seien allesamt sprachlich bearbeitet; schlicht: Auch „Biologie“ sei Kultur. Um emanzipatorisch weiterzukommen, sei daher ein subjektives und offen pluralistisches Geschlecht zu „inszenieren“ (Theatermetaphern überwiegen im Gender-Diskurs). Der Schritt zu dem bereits um 1900 aufgetauchten Schlagwort vom „Dritten Geschlecht“ liegt nahe. Über Schaufensterpuppen mit hohen männlichen Wangenknochen und sinnlich-weiblichem Mund wird das Schönheitsideal zwischen männlich und weiblich geprägt.

Die „neue Weiblichkeit“ polarisiert sich also nicht mehr gegenüber der Männlichkeit, sondern unterläuft jeden Gegensatz. Denn die eigentliche Stütze der Geschlechter-Hierarchie sei die „Zwangsheterosexualität“ (Monique Wittig). Der eigene Leib sei keineswegs „festgelegt“ und lege auch nicht fest. Konkret bedeutet das eine neue Gegennormierung: Homosexualität und Lesbentum, sogar inzestuöse Verbindungen werden als „Befreiung“ individuell und zugleich als politisches Mittel vorgeschlagen, um den Staat und die Gesetzgebung zur Abschaffung bisheriger Normierungen zu zwingen und die individuelle Wahl variabler Geschlechtsbetätigung zu ermöglichen. Staatliches Recht wird im Blick auf Geschlecht unnötig; das Volk wird in Individuen atomisiert, deren Geschlechtsbezeichnung als (vorläufige) Orientierung nicht mehr abgefragt werden soll.5

Auch Transvestismus sowie Geschlechtsumwandlung, psychisch wie physisch, werden denkbar, ja wünschbar. Utopien fließender Identität, des geschlechtlich unbeschränkten Selbstentwurfs setzen sich damit durch. Der Popstar Michael Jackson ließ sich mit operativer Hilfe ein transsexuell-synthetisches Gesicht komponieren. Berichte über berühmte Transsexuelle bestärken diese Tendenz. So schwelgte Roberta Klose, geboren in Brasilien als Luiz Roberto Gambine Moreira, über die Möglichkeiten der Medizin: Mit einem Zürcher verheiratet, wollte sie/er ein Kind „mit eigenem Samen, der in einem Schweizer Laboratorium lagert. Vor der Geschlechtsumwandlung 1989 im Londoner Charing-Hospital hatte Roberta Klose vorgesorgt, eine gute Freundin wird die Leihmutter spielen“6.

1.4 Verkürzung der Sprache auf semantische Neutralität

Solche Bestrebungen verschieben folgerichtig die Grenzen der Sprache, die ja unterschwellige Normen und geschlechtliche Zuweisungen tradiert. Daher ist die Umformung von Sprache ein klares politisches Ziel: Vor allem in USA und Australien wird anstelle von he/she oder her/his tendenziell das „gender-neutrale“ they oder their im Sinne eines Singulars (!) propagiert; der Beispielsatz lautet: „This person carries their bag under their arm.“ In Spanien wurde es unter der jetzigen sozialistischen Regierung bereits Gesetz, anstelle von Vater und Mutter in den Geburtsurkunden „Progenitor A und B“ einzutragen. Dass es damit sprachlich nur noch „Erzeuger“, nicht aber mehr „Gebärende“ gibt, ist offensichtlich gegen eine sperrige „prämoderne“ Sprache in Kauf zu nehmen.

2. Blinde Flecken:

2.1 Vergessen des Leibes

In der Behauptung solcher „fließenden Identität“ gibt es auffallend blinde Flecken.

Was die leibliche Vorgabe betrifft, so ist biologisches Geschlecht keineswegs ein Konstrukt, das erst mit der Entwicklung „zwangsweise materialisiert“ wird (Butler). Vielmehr: Sprache und ihre Symbolik beziehen sich immer auf etwas, das versprachlicht wird. Jede Deutung richtet sich notwendig nicht auf sich selbst, sondern auf ein vorausgesetztes, intersubjektives Faktum, über das man sich austauscht, um sich anhand der Sache zu verstehen. Interpretation bezieht letztlich ihren Kommunikationswert aus Tatsachen und setzt nicht nur Zeichen über Zeichen über Zeichen: „Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose…“, wie das berühmte Beispiel von Gertrude Stein lautet. Was heißen will, dass wir über die Rose sprechen, aber angeblich niemals wissen, was Rose ist.

Die Kategorie „Mensch“ wird sowohl egalitätsfeministisch als auch gendertheoretisch als einzig zulässige gesehen, denn jede geschlechtliche Polarität stütze unterschwellig oder offen die Repression einer Seite. Dieses Konzept hat den hohen Preis der Leibvergessenheit. Offenbar kennt das Ich keine Fleischwerdung; der Körper wird „Platzhalter des Nichts“, tabula rasa. So gesehen liefert Butler eine erneute Variante der extremen Bewusstseinsphilosophie von Descartes mit ihrer hartnäckigen Körper-Geist-Spaltung, die eigentlich als „phallogozentrisch“ angegriffen wird. Der Vorwurf maskulinistischer Subjektzentriertheit mit Fixierung des Objekts ist solcherart geradewegs umzudrehen. Butlers Epistemologie schaltet Ontologie einfachhin aus. Von woher der Wunsch zur Überschreibung (genauer: Beschriftung) des Körpers genommen wird, bleibt unklar – gibt es nicht wenigstens vage reale Vorgaben für diesen Wunsch? Wenn schon Text: Ist der Leib nicht wenigstens ein „Palimpsest“, will sagen ein Dokument, dessen Erst-Beschriftung, obwohl ausradiert, hie und da wieder durchschimmert? Ist er nicht sogar ein „Kryptogramm“, ein „Intext“, der im (beliebig?) dekonstruierbaren Text hartnäckig aufscheint? Die Dekonstruktion des Leibes gerinnt zur Geste des Imperators, der in fremdes unkultiviertes Gebiet eindringt und es besetzt – obwohl er dies doch selbst „ist“.

Die radikal dekonstruktivistische Gender-Theorie steht der Gegebenheit des Geschlechts deswegen abweisend gegenüber, weil darin ein rascher Schritt vom Sein zum Sollen vermutet wird. Dieses Tabu ist aber umgekehrt zu befragen: Statt des „biologistischen Fehlschlusses“ herrscht hier ein „normativistischer“: Normen werden einfach – je nach Lage und Individuum – als willkürlich angesehen, ohne je einen sachlichen Bezug vorauszusetzen. Das Verstummen, in dem der Leib sich angeblich willenlos überschreiben lässt, weist auf ein entschieden sklavisches Verhalten hin. Zum „Ding“ verkürzt, bleibt er gleichgültig gegenüber jedem herrscherlichen Verfügen. Aus Leib wird endgültig Körper in der Nähe von corpse = Leichnam.

Wenn Biologie in Soziologie verschwindet, taucht eine neue Gefahr der Manipulation auf: Wer bestimmt welches korrekte Rollenverhalten? Dabei häufen sich Metaphern wie Selbstinszenierungen und „Rollenspiel“; diese machen aber das Ich zum virtuellen (immer nur vorläufigen) Selbst- und Fremdentwurf.7

2.2 Vergessen der Generativität

Der zweite blinde Fleck ist die Fortpflanzung, die nach wie vor zwei Geschlechter voraussetzt. „Selbst wenn es in Zukunft nicht mehr Körper sein sollten, aus denen unsere Nachfahren hervorkommen, sondern Retorten, so wird es doch auch dann noch eine Unterscheidung der unterschiedlichen ‚Beiträgersubstanzen’ geben, auf die dieser Laborprozess angewiesen bleibt, zumindest solange wie wir uns noch nicht als geklonte Exemplare Unsterblichkeit verschafft haben.“8 Genetik beruht auf Fakten und nicht auf „Konstruktion“: Der Chromosomensatz xx/xy bietet entwicklungsgeschichtlich einen klaren genetischen Vorteil durch zweigeschlechtliche Fortpflanzung.

Aber auch kulturell gilt: Das Geschlecht ist unter allen sonstigen Unterscheidungen zwischen Menschen (Alter, Ethnie usw.) einzigartig, so dass es in keiner Kultur auf Dauer unterlaufen oder aufgehoben werden kann. Auch Homosexualität benutzt ja die „Rollenmodelle“ männlich/weiblich in der Paarkonstellation. Bipolarität ist also nicht auszuschalten, weder sprachlich noch lebensweltlich noch somatisch, sie muss jedenfalls „als ob“ nachgeahmt werden. Denn tatsächlich trägt der Leib seine eigene „Sprache“, in seiner unterschiedlichen Generativität von Zeugen und Empfangen/Gebären oder in seiner leibhaften Erotik von Eindringen und Annehmen/Sich-Nehmen-Lassen.

2.3 Vergessen der sprachlichen Symbolik

Der dritte blinde Fleck ist die Sprache, die nur durch Manipulation und Verschweigen von Differenzierungen aufgebrochen werden kann, dann allerdings bis in ihre Struktur hinein zerstört wird (Plural statt Singular wie oben) – und damit auch den Rückgriff auf Weltliteratur als das gemeinsame Sprachgedächtnis zerstört.

Tatsächlich ist Geschlecht nicht nur körperlich, sondern auch sprachlich bestimmt. Sprache und Geschlecht formieren und verstärken sich gegenseitig: Geschlecht wird durch Sprache symbolisch überhöht.9 In allen Kulturen werden Welt und Dinge zweiheitlich gelesen, etwa in weiblichen und männlichen Artikeln für nicht-menschliche Gegenstände und Zusammenhänge oder in geschlechtlich konnotierten Adjektiven. Selbst wenn „Sonne“ im Deutschen weiblich und „sol“ in romanischen Sprachen männlich aufgefasst wird, trifft die Sprache eine binäre geschlechtliche Unterscheidung, bei allen individuell und sozial möglichen Variablen. Das artikelneutrale Englisch ist eine sprachliche Ausnahme, kennt aber in anderen Sprachwendungen, etwa Pronomina, eine symbolische Geschlechtlichkeit. Wenn es wie im Deutschen einen sächlichen Artikel gibt, drückt er die Abwesenheit von Geschlecht bei bestimmten Inhalten, nicht aber ein drittes oder ein Mehrfach-Geschlecht aus. Auch in dieser Latenz bleibt also Geschlecht unterscheidend vorausgesetzt.

In all diesen Momenten lässt sich beobachten, wie die unerhört vielschichtige Wirklichkeit von Leib, Geschlecht, Sprache, Generativität immer stärker eingeschränkt und „handhabbar“ wird.

3. Anthropologie der Bipolarität

Der Gedanke der Selbstgestaltung des Menschen ist an sich weder sachlich falsch noch moralisch böse. Er gründet in der merkwürdigen – auszeichnenden wie gefährlichen – Tatsache, dass der Mensch unter anderen Lebewesen tatsächlich eine Sonderstellung einnimmt. Rein naturwissenschaftlich betrachtet beruht die Sonderstellung – nach der vergleichenden Verhaltensforschung – auf der Instinktarmut, der erstaunlichen „Unbehaustheit“ des Menschen in der Welt. Positiv: Er hat zwar keine Reiz-Reaktions-Sicherheit wie ein Tier, dafür aber Freiheit vom Instinkt und Freiheit zur Welt und zu sich. Freiheit von bietet volles Risiko der Fremd- und Selbstgefährdung. Freiheit zu bildet zugleich die schöpferische Flanke: zur Gestaltung von Welt und sich. Anthropologie beschreibt daher den Menschen als spannungsreiche Wirklichkeit, ausgespannt zwischen einer vorgegebenen „Natur“ und dem Gegenpol der Veränderung: dem Werden, der „Kultur“. „Werde, der du bist“, formuliert der orphische Spruch, aber was so einfach klingt, ist das Abenteuer eines ganzen Lebens. Abenteuer, weil es weder eine „gusseiserne“ Natur noch eine „beliebige“ Kultur gibt, sondern datum und factum in lebendiger Beziehung stehen: zwischen Begrenzung (Glück der Gestalt) und Freiheit (Glück des Neuwerdens).

Für die vorliegende Frage heißt das: Ein Tier hat seine Geschlechtlichkeit und muss sie nicht gestalten; daher ist seine naturhaft gesicherte Sexualität frei von Scham und funktional eindeutig auf Nachkommenschaft gerichtet. Ein Mensch ist und hat seine Geschlechtlichkeit und muss sie gestalten: Sie ist nicht einfach naturhaft gesichert, vielmehr schambesetzt wegen des möglichen Misslingens, außerdem funktional nicht notwendig an Nachkommenschaft gebunden. Auf dem Boden der unausweichlichen Spannung von Trieb (naturhafter Notwendigkeit) und Selbst (Freiheit der Selbstbildung) tut sich der Raum für Glücken und Misslingen auf. Fleischwerdung im eigenen Körper, Anverwandlung der körperlichen Vorgabe in den eigenen Leib, Befreundung mit der Andersheit des anderen Geschlechts kennzeichnen den Vorgang der Annahme, nicht der Rebellion oder Neutralisierung, Nivellierung und „Verachtung“ der Vorgabe.

Zugleich gilt es, aus dem Geschlecht keine Barriere zu bauen, sich nicht ins Anderssein zu verbarrikadieren, der möglichen Verliebtheit ins Doppel-Rätsel des Eigenseins und Andersseins nicht nachzugeben. Die Mythen wissen von der Versuchung, in der „Brünne“ Brunhildes, im Schlaf Dornröschens, im Namen-Rätsel der Turandot eigen-sinnig zu verharren, den Löser nicht zuzulassen, ihm unübersteigbare Hindernisse zu bauen, die er möglicherweise mit Tod bezahlt. Je älter die Mythen, desto mehr lassen sie den Geschlechterkampf im tödlichen Missverstehen, in der Hassliebe des Unerreichbaren enden.

Daher ist das zwiefache Geschlecht einer kulturellen Bearbeitung nicht nur zugänglich, sondern sogar darauf angewiesen. Nur im Unterschied zur Gender-Theorie: Geschlecht ist zu kultivieren, aber als naturhafte Vorgabe - was könnte sonst gestaltet werden? Kultivieren meint weder sich ihm zu unterwerfen noch es auszuschalten. Beides, Natur und „Überschreibung“, lässt sich an den zwei unterschiedlichen Zielen der Geschlechtlichkeit zeigen: der erotischen Erfüllung im anderen und der generativen Erfüllung im Kind, das zur erotischen Rechtfertigung des Menschen gehört.10 Und das Kind ist wiederum kein Neutrum, sondern tritt als „Erfüllung“ des Liebesaktes selbst in ein zweiheitliches Dasein.

Zur kulturellen Bearbeitung gehört andererseits, aus der Zweiheit in eine gemeinsame Welt zu blicken. Fruchtlos wird die Geschlechterdifferenz dann, wenn sie aus der Zweiheit einen Antagonismus des Herrschens und Sich-Unterwerfens (beides auch noch gegenseitig) ableitet. Diese Verstörung ist hinlänglich bekannt und kulturgeschichtlich wirksam (gewesen). Zum Geschlechterkampf kann die zunächst „unschuldige“ Vorstufe des Sich-nicht-Verstehens durchaus verleiten. Aber „Frauensprache“/„Männersprache“ ist nicht die Sprache zweier gegenseitig Taubstummer, oder weniger dramatisch: ist immer noch nicht Schicksal. Denn: Gerade auch das Geschlecht will noch einmal überstiegen, transzendiert werden – eben auf den anderen hin; in diesem Übersteigen liegt die Beglückung, das Finden des „Anderen“. Wo das Geschlecht im leeren Suchen zerschellt, was zu den tragischen Möglichkeiten gehört, ist damit nicht schon sein Kern des „Über-sich-Hinaus“ trügerisch.

Dieser Gedanke wird durch die Struktur der Personalität weiter vertieft.

4. Person und Andersheit

Person meint wesentlich ein Doppeltes: Selbstbesitz und Selbstdistanz oder In-sich-Stehen und Über-sich-Verfügen. In-sich-Stehen oder Selbstzweck, der Terminus Kants, betont die Ursprünglichkeit und Unableitbarkeit dieser Selbstgehörigkeit – was in vorbiblischen Gesellschaften noch nicht konzipiert, sondern erst in der gedanklichen Entwicklung des Christentums ausformuliert wurde. Solange Leben nämlich in mythischen Zusammenhängen, also im Nexus von Verhängnis, Schicksal, ananke, erfahren wird, ist Selbstverfügung nicht zu denken. Erst in der „Aufklärung“ durch biblisches Denken, prototypisch schon im Alten Testament, wird Freisein von „Mächten“ erfahrene Wirklichkeit.

Doch ist Person nicht stumpfer Selbstbesitz: Sie kann sich auch von sich distanzieren, was heißt beurteilen, z. B. sich schämen, sich überwinden, einer Tat erinnernd zustimmen. Genauer noch: Person erwacht in Begegnung mit anderer Selbstgehörigkeit, sieht sich – von außen – mit deren Augen. Erst in der Begegnung kommt es zu einer Bewährung des Eigenen, zur Aktualisierung des Ich, besonders in der Liebe. „Wer liebt, geht immerfort in die Freiheit hinüber; in die Freiheit von seiner eigentlichen Fessel, nämlich von sich selbst. (…) Jeder, der um die Liebe weiß, weiß um dieses Gesetz: dass erst im Weggehen von sich selbst die Offenheit entsteht, worin das Eigene wirklich (…) wird.“11 Zugleich ist das Sich-Ausrichten eine Selbstbeschränkung im Habenwollen: „Die personale Liebe beginnt entscheidenderweise nicht mit einer Bewegung zum anderen hin, sondern von ihm zurück. (… so) gehe ich meinerseits aus der Haltung des gebrauchenden oder kämpfenden Subjekts in die des Ichs über.“12

Daher kommt in die Selbstgehörigkeit durch die Bewährung am anderen eine entscheidende, ja schicksalhafte Dynamik. Sie ergibt sich aus der konstitutiven Spannung vom Ich zum Du, begleitet von einem Selbst-Überstieg: einem Sich-Mitteilen in der Sprache, in der Leiblichkeit, letztlich auch in der Spannung zu Gott, der – biblisch gesehen – selbst Mitteilung (und Selbstmitteilung) ist. In solcher Dynamik entfällt eine Selbstbewahrung, die das neutrale Subjekt-Objekt-Verhältnis schirmt, und es beginnt ein Sich-Aussetzen: Person wird auf Person resonant und von ihr her ins Antwortlose preisgegeben oder auch ins Unerschöpfliche geöffnet.

So erfährt Personsein, christlich fundiert, eine Zuspitzung: Erst Relation aktuiert die Selbstgehörigkeit. „Der Mensch (ist) kein Wesen, das geschlossen in sich stünde. Er existiert vielmehr so, dass er über sich hinausgeht. Dieser Hinausgang geschieht schon immerfort innerhalb der Welt, in den verschiedenen Beziehungen zu Dingen, Ideen und Menschen (…); eigentlicherweise geschieht er über die Welt hinaus auf Gott zu.“13 Weshalb aber wird damit die Selbstgehörigkeit nicht außer Kraft gesetzt? Weil auch das Gegenüber selbst Person ist, also unter den Kategorien von Selbststand und Selbsttranszendierung zu denken ist: Beide sind Selbstzweck, aber beide setzen sich einander aus, sind aneinander gefährdet, voneinander beglückt. Nur wo einer den anderen als Sache nimmt, gibt es Bemächtigung. Wieder einmal überraschend spricht die Sprache vom Gegen-Über: „Über“ ist am Du zu erfahren. Dahin muss Geschlecht bearbeitet, kultiviert werden - nicht um seiner Zähmung oder sogar Brechung willen, sondern seiner wirklichen Ekstase wegen. Personsein gelingt am dichtesten in der Liebe. Sie lässt den Menschen in sich gründen, treibt ihn aber zugleich über sich hinaus: dem anderen zu. Geschieht dies im Geschlecht, so kommt es sogar zu einer Fleischwerdung im anderen.

Denn hier kommt das andere Geschlecht entscheidend ins Spiel. Das Hinausgehen aus sich ist unvergleichlich fordernder, wenn es nicht nur auf ein anderes Ich, sondern auf einen anderen Leib trifft – auf unergründliche Andersheit, unergründliche Entzogenheit, manifest bis ins Leibliche, Psychische, Geistige hinein. Diese Differenz auszuhalten, vielmehr sich in sie hineinzubegeben und hineinzuverlieren, erfordert mehr Mut als sich dem gleichen Geschlecht auszusetzen. Vielleicht ist wirklich nur die Liebe im Sinne von Tollkühnheit fähig, sich überhaupt einzulassen auf die Andersheit des anderen Geschlechtes und sich nicht nur narzisstisch selbst zu begegnen. Wieviel Angst steckt in der Verweigerung der Andersheit? Oder auch wieviel Entzug von Vater und Mutter, als sie zur Ausbildung der Geschlechtsidentität nötig gewesen wären?

Das andere Geschlecht ist nicht zu vereinnahmen, nicht auf sich selbst zurückzuspiegeln: Frau ist bleibendes Geheimnis für den Mann und umgekehrt.14 Wer diesem zutiefst Anderen ausweicht, weicht dem Leben aus: Tatsächlich entsteht es nur aus Mann und Frau. Wer den Leib zu einer „Zuschreibung“, zur Verdoppelung des eigenen Geschlechts, zur Suche nach dem Selbst im anderen macht, verkürzt die Bestimmung von Leben. Natürlich kann auch der Schritt in die Differenz missglücken. Es macht die Not der Existenz aus, dass sie alle Lebensvollzüge degradieren kann. Es gibt die Zweckgemeinschaft Ehe, den Selbstgenuss im Sex, das frustrierte, leergewordene Zölibat, das erzwungene, lähmende Alleinsein, den Egoismus zu zweit. Aber das hindert nicht anzuerkennen, dass die Bipolarität der Geschlechter ein optimum virtutis, ein Äußerstes an Kraft herausfordert, demgegenüber andere geschlechtliche Vollzüge unterkomplex bleiben.

5. Biblische Grundlegung der Bipolarität

Verwirklichte Leiblichkeit ist im göttlichen Horizont nochmals vertieft zu denken.

Tatsächlich gibt es vor dem biblischen Maßstab drei große (Fehl-)Entwicklungen schon antiker Art, die bis zum heutigen Tage wirksam sind. Zum einen: Die Vergötterung des Geschlechts wird wie alle welthaften Götzendienste abgewiesen (Ex 20, 4 f.). In einer magischen Kultur werden ekstatisch-rauschhafte Zustände, auch der Sexualgenuss, als unmittelbar geheimnisvoll Göttliches, Numinoses verherrlicht, so in Form von Fruchtbarkeitsriten. In heutiger Variante hat sich dies als das verantwortungslose Überwältigen-Lassen durch den Trieb, dem man sich wie einer fremden Macht ausliefert, erhalten. Mit dieser Potenz wird auch in den Medien gespielt: mit dem Feuer einer tiefen, noch ungeordneten Faszination, die „wie von außen“ anspringt.

Zum zweiten verwirft die Bibel den egozentrischen Ich-Genuss, der das Gegenüber nur werkzeuglich (sklavisch) nimmt – hier fällt das Wort „Unzucht“ (Mk 7, 22; Röm 13, 13; Gal 5, 19; 1 Petr 4, 3). Aus der scheinbaren Antiquiertheit übersetzt: Man kann den Leib zum animalischen Körper degradieren, die Personalität ausklammern und den Trieb zum mechanischen Ablauf herabsetzen. Solche „Abspaltungen“ erniedrigen die Beziehung zur Ware und verkaufen die Frau, neuerdings auch den Mann, als Objekt des Begehrens. Noch im 19. Jahrhundert betrachtete eine atheistisch eingefärbte Medizin – im Sog der Aufklärung – alle Leibvorgänge als bloße Maschinenreaktionen, nachdem 1748 L’Homme machine von La Mettrie erschienen war. Auch seelische Empfindungen, die Liebe eingeschlossen, wurden als steuerbar-mechanische Abläufe gedeutet. So konnte man auch von „Geschlechtsteilen“ an der Körpermaschine sprechen.

Die Genesis liest die postlapsarische Verstörung, den fruchtlosen Kampf gegenseitiger Unterjochung im Wortsinn von Geschlecht durchaus als „Geschlachtetsein“. Wo vorher das Glück der Zweiheit stand, steht nach dem Fall das Unglück des Hälftigseins, ohne dass die Hälften sich notwendig ergänzen. Die Brutalität des Nur-Geschlechts, der „Fluss-Gott des Bluts (…) ach, von welchem Unkenntlichen triefend“15, muss erst nochmals erlöst, vermenschlicht werden.

Drittens widerspricht die Bibel einem nicht minder gefährlichen übersteigerten Idealismus: wenn Leib vom Geist getrennt und diesem untergeordnet wird. Hier kommt es zur Scham, überhaupt einen Leib zu haben, wie in der Spätantike häufig formuliert; Sexualität wird als tierisch empfunden. Das orphische Wortspiel „Körper-Gefängnis“ (soma sema) wirkt durch die abendländische Kultur in mannigfaltigen, auch christlichen Umsetzungen. Diese Wirkung ist umso stärker, als tatsächlich Leib, Sexualität und Geist nicht einfach einander zugeordnet sind; Scham ist ja die Antwort auf das Empfinden, in seinen Anlagen uneinheitlich zu sein. Die Kulturgeschichte insgesamt belegt eine Fülle unterschiedlicher Überformungen des Geschlechts durch Tabu, Askese, Triebverzicht.

Diesen Fehlhaltungen stehen biblische Entwürfe gegenüber, die den Leib als Träger der Personalität (subjektiv) und weitergehend als Träger aller Beziehungen (intersubjektiv) sehen, zu Welt, zu Menschen, zu Gott. So wird die innere Nähe von Geschlechtsliebe und Gottesbeziehung mit großer Unbefangenheit ausgesprochen in einer mystischen Deutung des Hohenlieds, von wo die ekstatische menschliche Liebe auch auf die Liebe zwischen Schöpfer und Geschöpf übertragen wurde. Vor allem aber ist die Fleischwerdung Gottes Neueinsatz und Herausforderung - kann Gott überhaupt Leib und Geschlecht annehmen? Entgegen allen Idealisierungen leibloser Göttlichkeit ist die Inkarnation Jesu der eigentliche Unterschied zu anderen religiösen Traditionen. caro cardo – das Fleisch wird Angelpunkt und setzt die gesamte Materie in ein neues, unerschöpfliches Licht, gesteigert durch die leibliche Auferstehung Jesu. Und die äußerste Provokation des biblischen Denkens geht sogar durch den Tod hindurch auf eine künftige erlöste Welt zu – auf todloses Leben in männlichem und weiblichem Leib. Nach den Worten Jesu wird es zwar kein „Heiraten“ mehr geben, aber mehr als das: ein Leben in Fülle.

In der Vorwegnahme solcher Erfüllung wird die Ehe zum Sakrament: zum sinnlichen Zeichen realer Gegenwart Gottes in den Liebenden. Es ist dieses Rückbinden des Geschlechts in seinen zentrifugalen Möglichkeiten an den ganzen Menschen, das die Bibel vorstellt: damit der ganze Mensch sich übersteigt und damit nicht nur seine Biologie oder sein Geist in die Ekstase, vielleicht ins Du-Lose wegstreben.16

Ekstase meint: „Liebe. Man verlegt den Mittelpunkt aus sich selbst heraus. Aber wiederum in eine endliche Sache.“17 Das Glücken der endlichen Begegnung kann nicht durch das Sakrament „garantiert“ werden, aber in seinem Schutz stehen die Elemente, unter denen die schwierige Balance gelingen kann: einmal den Leib in seinem Geschlecht als Vorgabe (datum, nicht factum) anzuerkennen und zum zweiten sich das Kind durch den anderen geben zu lassen, drittens die Ehe unauflöslich („ewig“) als „ein Fleisch“ zu wollen. Eros und Fruchtbarkeit lassen sich nicht auf Dauer trennen, denn der Eros selbst transzendiert in die Fruchtbarkeit, und die Fruchtbarkeit bindet wiederum beide. Der Mann wird nur an der Frau zum Vater, die Frau nur am Mann zur Mutter, das Kind nur an den Eltern zum Menschen. Wo der Geschlechtsgenuss das Kind grundsätzlich verweigert,18 wird im Umkehrschluss der andere, die andere verweigert.

Auch von der biblischen Gottesaussage her ist die narzisstische Entwicklung unserer Zeit zu betrachten. Zu modischer Breite angewachsen ist das erwähnte, ideologisch unterfütterte Ausweichen vor dem anderen Geschlecht, seiner Zumutung durch Anderssein. Männer flüchten sich zu Männern, Frauen zu Frauen. Homoerotik vermeidet jeweils die Zwei-Einheit aus Gegensatz, sie wünscht Zwei-Einheit aus Gleichem – allerdings muss ein Partner doch die „andere” Rolle nachahmen. Könnte über alle Morallehren hinweg, die doch nicht greifen, die alte Genesis-Vision erneuert werden, dass in der Zumutung der getrennten Geschlechter sich am Grund der Begegnung die göttliche Dynamik abspielt? Dass das Spiel der Geschlechter als Bild für das alle Bilder Sprengende steht, für die innergöttliche Liebe, die „Perichorese“ von Vater und Sohn im Geist? Und dass von daher das Sich-Einlassen auf das fremde Geschlecht eine göttliche Spannung ausdrückt?

Daher werden Eros und Fruchtbarkeit in den Bereich des Heiligen gestellt: nicht nur als ursprünglich paradiesische Gaben (Gen 1, 27 f.), sondern „nach dem Fall“ eben im Sakrament. Nie wird nur primitive Natur durch das Christentum verherrlicht: Sie ist vielmehr in den Raum des Göttlichen zu heben und heilend zu bearbeiten. Hildegard von Bingen sagt den schönen Satz, Mann und Frau seien „ein Werk durch den anderen“ (unum opus per alterum). Wie tief dieses Werk leibhaft verankert ist, zeigt nochmals das Kind. „Leiblichkeit ist das Ende der Werke Gottes“, formulierte der Pietist Friedrich Christoph Oetinger. „Fruchtbarkeit ist das Ende der Werke Gottes“, könnte man dem Sinn nach weiterformulieren.

Referenzen

  1. Flax J., Thinking Fragments: Psychoanalysis, Feminism and Postmodernism in the Contemporary West, University of California Press, Berkeley (1990), S. 32
  2. de Beauvoir S., Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau, Rowohlt, Reinbek (1951)
  3. Vgl. Raynova I. (Hrsg.), Simone de Beauvoir. 50 Jahre nach dem Anderen Geschlecht, Peter Lang, Frankfurt/Main (2004)
  4. Butler J., Das Unbehagen der Geschlechter, Suhrkamp, Frankfurt/Main (1991)
  5. Vgl. Gerl-Falkovitz H.-B., Frau – Männin – Menschin. Zwischen Feminismus und Gender, Butzon & Bercker, Kevelaer (2009)
  6. „Das schönste Photomodell wird endlich eine Frau“, Neue Zürcher Zeitung, 17. März 1997, S. 28
  7. Ein Fremdentwurf liegt z. B. in Albanien vor, wo wegen der Blutrache ein Männerdefizit ausgeglichen wird, indem Frauen zu Männern und damit zum Oberhaupt einer Sippe erklärt werden. Sie dürfen keinerlei Sexualität leben, kleiden und benehmen sich wie Männer und können nie mehr in ihr eigentliches Geschlecht wechseln.
  8. Landweer H., Generativität und Geschlecht. Ein blinder Fleck in der sex/gender Debatte, in: Wobbe T., Lindemann G. (Hrsg.), Denkachsen. Zur institutionellen Rede von Geschlecht, Suhrkamp, Frankfurt/Main (1994)
  9. Boulnois O., Die sexuelle Differenz, IKZ Communio (2006); 35(4): 336-354
  10. Fellmann F., „Das Paar.“ Eine erotische Rechtfertigung des Menschen, Parerga, Berlin (2005)
  11. Guardini R., Welt und Person. Versuche zur christlichen Lehre vom Menschen, Werkbund, Würzburg (1939), S. 99
  12. Guardini R., siehe Ref. 11, S. 106
  13. Guardini R., siehe Ref. 11, S. 124
  14. Levinas E., Die Zeit und der andere, Meiner, Freiburg, München (1965); Levinas zählt den Tod, den Eros des Mannes zur Frau und den Sohn zu den drei großen „Passionen“ des Lebens – gerade weil sie uneinholbar, unbegriffen und alle Kraft fordernd bleiben.
  15. Rilke R. M., Duineser Elegien, in: Rilke R. M., Werke II, Insel, Frankfurt (1980), S. 449
  16. Rilke thematisiert in der zweiten Duineser Elegie eine Liebe, die über das Du des Mädchens hinweg in „Weltraum“, ins „Offene“geht.
  17. Weil S., Cahiers. Aufzeichnungen II, übersetzt von Elisabeth Edl und Wolfgang Matz, Carl Hanser, München (1993), S. 83
  18. Davon unabhängig gibt es selbstverständlich tiefreichende gute Gründe, keine Kinder zu haben oder die Kinderzahl zu beschränken. Aber die Begründung darf sich nicht unterschwellig gegen den Partner richten.

Anschrift der Autorin:

Univ.-Prof. DDr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz
Lehrstuhl für Religionsphilosophie und vergleichende Religionswissenschaften, Technische Universität Dresden
D-01062 Dresden
gerl(at)rcs.urz.tu-dresden.de

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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