Gesundheitswahn heute – Gesundheitsreligion und/oder Beauty Business?

Imago Hominis (2007); 14(4): 331-340
Klaus Bergdolt

Zusammenfassung

Die äußere Schönheit spielt in der westlichen Mediengesellschaft eine herausragende Rolle. Die industrielle Werbung, der Einfluss von Film und Fernsehen, aber auch die Selbstinszenierung schillernder Schönheitschirurgen sowie die Manipulation der Mode und des stets wechselnden Schönheitsideals unterstützen eine Tendenz, die menschliche Existenz rein äußerlich zu definieren. Die Schattenseiten dieser Entwicklung, hinter der eine boomende Schönheits-Industrie steht, werden, auch unter Berücksichtigung medizinhistorischer Aspekte, kritisch analysiert.

Schlüsselwörter: Schönheitskult, plastische Chirurgie, Körper, Manipulation, Gesellschaftskrise

Abstract

The outer appearance of men and women plays a crucial role in the Western world. A professional publicity, the influence of gigantic TV and film industries as well as the self-righteous presentation of some cosmetic surgeons are favouring this tendency which seems to be a logic consequence of a continuous manipulation of fashion design and beauty ideals. This “beauty mania” which is to a great extent dominating young people's all day life, reflects also a crisis of our society which reduces its spiritual values more and more to aspects of the outer appearance. This problematic development which is fostered by a gigantic beauty business will be analysed and compared with corresponding historic phenomena.

Keywords: Beauty cult, cosmetic surgery, body, manipulation of fashion, crisis of the society


Der neue Schönheitskult

Die äußere Schönheit des Menschen spielt, allen ethisch-moralischen oder politisch-korrekten Vorbehalten zum Trotz, in der westlichen Jugendkult-Gesellschaft eine herausragende Rolle. Im beruflichen wie privaten Alltag implizieren körperliche Attraktivität und jugendliche Ausstrahlung nicht nur einen Sympathiebonus. Sie erscheinen vielmehr derart erstrebenswert, dass das Selbstwertgefühl und Lebensglück unzähliger Menschen durch sie entscheidend bestimmt werden. Wer in seinem Erscheinungsbild vom Ideal der Werbung sowie einiger schillernder Fernsehsendungen abweicht, muss – besonders bei geschwächtem Selbstbewusstsein – angesichts der medialen Dominanz der „jungen Schönen“ resignieren. Selbst Menschen, die wenig fernsehen, werden hier, etwa durch Freunde oder auch Printmedien, nachhaltig beeinflusst. In einer deutschen Reality-Show wurden monatelang junge Mädchen und Männer wegen ihres Äußeren und ihres (zugegebenermaßen oft) kläglichen Singtalentes verspottet, ja regelrecht vorgeführt. Fast alle hatten sich mit Hilfe von Kosmetik, Body Building oder operativen Korrekturen bemüht, schöner zu erscheinen und verzweifelten nun, weil sie vor laufender Kamera nicht bewundert wurden. „Bin ich nicht schön, kann ich nicht glücklich sein“ – diese Devise wird durch solche Trivialsendungen immer populärer. Für psychisch Labile können sich durchaus dramatische Situationen ergeben. Selbstmorde sind in der Gruppe enttäuschter Schönheitsoperierter, wenn langfristig das Gegenteil aller Wünsche erreicht wurde, signifikant häufiger, zumal seelische Stabilität nicht gerade ein Charakteristikum der Verführten darstellt, denen Spott und Häme nicht erspart bleiben. Abschreckende Wirkung auf andere hat dies allerdings kaum. Vorwürfe an Ärzte, hier nur des Geldes wegen aktiv zu werden, greifen ins Leere. Das schlüssige Gegenargument lautet: Auch Verhütung oder Abtreibung, weite Bereiche der Sport-, Reise- und Kurmedizin sowie z. B. die Applikation von Psychopharmaka oder Betablockern in Prüfungs- oder Stresssituationen (all dies fällt ja in der Regel in die Kompetenz von Ärzten) haben wenig Bezüge zu Krankheiten. Kritiker werden so schnell und leicht zu Heuchlern abgestempelt.

Der Jugend- und Schönheitskult scheint dabei überkommene gesellschaftliche Werte abzulösen. Viele Zeitgenossen nehmen durchaus schmerzhafte Einschränkungen ihrer Lebensqualität und ihres Budgets in Kauf, um ihren Körper, dem Zeitgeist entsprechend, attraktiv zu halten oder zu verschönern. Freizeit bedeutet, folgt man einer aggressiven Werbung, vor allem Sport, Fitnesstraining und bedingungslose Arbeit an der Perfektion des eigenen Äußeren. Im Wellness-Center, wo man sich quält (und viel Geld verlieren kann), wird der optimale Körper konstruiert. Wer nicht schön ist, ist, folgt man der dort propagierten simplen Logik, selbst schuld. Er hat, so der an das Gewissen appellierende Vorwurf, seine Pflichten vernachlässigt. Das hier verbreitete tückische Fazit lautet: Jeder kann „schön“ sein. Zahllose Firmen, Fitness-Studio-Ketten und auch Ärzte bieten dabei ihre „Hilfe“ an. Kein Wunder, dass es die um beauty business bemühte Sparte der Plastischen Chirurgie war, wo das alte Werbeverbot der Ärzte am schnellsten und radikalsten aufgeweicht wurde. Wissenschaftlich verbrämten Hochglanzanzeigen kann ein Teenager, der sich im Spiegel sieht und bewusst oder unbewusst mit Heidi Klum oder Claudia Schiffer vergleicht, kaum widerstehen. Lifestyle-Zeitschriften und Trivialpresse, Fernseh- und Kinofilme sowie eine schillernde Mega-Unterhaltungsindustrie reproduzieren diesen Trend und suggerieren eine Normalität körperlicher Attraktivität, die von der Realität kaum eingeholt werden kann. 80 Prozent des Umsatzes der Kosmetikindustrie werden von der Werbung verschlungen. Sie vermarktet in der Regel ein ebenso illusorisches (inzwischen häufig nur noch virtuell produziertes) wie kostspieliges Schönheitsbild, dessen Unerreichbarkeit den anhaltenden Verkaufserfolg zahlloser Kosmetika und Lifestyle-Mittel erst garantiert. Die ökonomische Rückversicherung dieses Geschäftszweigs besteht letztlich im kontinuierlichen Wechsel des Geschmacks. Tatsächlich besteht ein Problem des aktuellen Körper- und Jugendkults darin, dass sich das anvisierte Schönheitsideal (wie auch die sich an ihm orientierende Mode) infolge gezielter Manipulation stets ändert, wodurch weitere Investitionen notwendig werden. Vor allem der Verbraucherin wird suggeriert, immer neue Kosmetika, Frisuren, Kleider und Accessoires seien erforderlich, um sich im harten Wettbewerb gegenüber den Konkurrentinnen zu behaupten. Ein Modeschöpfer, der sich dem Wechsel verweigern würde, wäre in der Tat zur Erfolglosigkeit verdammt. Kleider und Frisuren kann man freilich wechseln. Beim Gesicht ist das nicht so leicht.

Anklänge des „Dorian-Gray-Syndroms“, d. h. des krankhaften Versuchs, den Wunsch nach makelloser Schönheit mit allen Mitteln zu befriedigen, aber auch den eigenen Alterungs- und Reifungsprozess zu verdrängen (Vorbild ist die Romanfigur von Oscar Wilde), sollen sich bei etwa zehn Prozent aller Jugendlichen finden. Suchen solche Patienten einen Arzt oder Schönheitschirurgen auf, um ihr Erscheinungsbild verbessern zu lassen (in Deutschland geschieht dies nach Angaben der zuständigen Fachgesellschaft rund 400 000 Mal, dazu kamen rund 82 000 Faltenbehandlungen1), stehen – und das ist ein weiterer bedenklicher Nebeneffekt – nur selten ein interessantes Äußeres, ein differenzierter Ausdruck der Persönlichkeit oder tradierte Sympathieeffekte auf der Wunschliste, welche fehlende äußere Schönheit in gewissem Grad ersetzen könnten. Unter dem Einfluss angehimmelter Schauspielerinnen, Sängerinnen, Pop- und Sportstars sowie meist um die Medienbranche kreisender Prominenter, die ihre Popularität besonders vorabendlichen Fernseh-Soap-Operas sowie Trivialjournaillen verdanken, wird eher einer langweilig-trivialen Ebenmäßigkeit der Vorzug gegeben. Diese Barbie-Ästhetik wird höchst werbewirksam vermarktet, wobei skandalöserweise bereits Kinder eine wichtige Zielgruppe bilden, was wiederum die seit Jahren anhaltende Beliebtheit der gleichnamigen Puppen erklärt.

Körperliche Makel und Märkte

Das hier skizzierte fragwürdige Schönheitsideal verrät aber auch, vom Verdacht individueller Neurosen und psychologischer Probleme abgesehen, eine Wertekrise der Gesellschaft, deren Symbol das Fitness-Studio geworden ist. Viele Bewohner der Dritten Welt, aber auch Osteuropas assoziieren mit Westeuropa und den USA vor allem eine Glamour-Welt oberflächlicher Makellosigkeit. Äußerlichkeit, Trivialisierung des Alltags, geistige und religiöse Bedürfnislosigkeit – hierum kreisen auch spöttische Vorwürfe, die dem Westen z. B. von islamischer Seite gemacht werden. Love-Parade und ähnliches bieten die Gelegenheit, das Produkt Körper, geölt und im Fitness-Studio gestählt, zur Schau zu tragen. Nicht nur die Attraktivität des Menschen, sondern seine gesamte Befindlichkeit wird dabei rein säkular, ja technisch verstanden. Krankheit, Gesundheit und Schönheit, d. h. die Varianten menschlicher Existenz haben ihre geistigen und historischen Dimensionen verloren. In ethisch bedenklicher Weise sucht die Werbung gerade Jugendliche zu verunsichern, bei denen, wie die Kinder- und Jugendpsychologie lehrt, die Akzeptanz der eigenen Erscheinung „wie sie nun mal ist“ eine schwierige, wenn auch normale Entwicklungsaufgabe darstellt. Im sensiblen Pubertätsstadium werden die Opfer ebenso raffiniert wie gezielt verunsichert und an ihre körperlichen Makel erinnert.

Mehr denn je verbreitet sich aber auch, glaubt man psychologischen Studien, die zunächst vor allem in der Evolutionsbiologie des 19. Jahrhunderts kultivierte Vorstellung, ein schöner Partner sei gesünder als ein „hässlicher“ und besonders geeignet, die eigenen Gene gesunden Nachkommen weiterzugeben. Fast sind wir wieder beim Schlagwort der altgriechischen Kalokagathia angekommen, wonach sich in einem schönen Körper per se ein guter Charakter befindet (was freilich zur Folge hatte, dass missgestaltete oder für hässlich gehaltene Menschen im Verdacht standen, ethisch und charakterlich verkommen zu sein – nicht umsonst wurden Zwergwüchsige oder Missgestaltete, wie Thersites in der Ilias, mitleidlos verspottet!). Nach Aelian sollen hässliche Menschen in Sparta sogar bestraft worden sein, und in der hippokratischen Schrift „Über die Heilige Krankheit“ wird berichtet, dass Epileptiker, drohte ein Anfall, in der Regel die Gesellschaft verließen bzw. in Gegenwart anderer Menschen „ihre Häupter verhüllten“. Nach dieser Gesundheitslehre, die Kranke zum Rückzug in die Privatheit, häufig aber auch Einsamkeit zwang, wurde ein idealisiertes Menschen- und Schönheitsbild gefördert, das freilich schon früh, vor allem in römischer Zeit und natürlich im frühen Christentum, Kritik erfuhr. Auch das berühmte römische Erziehungsideal „Mens sana in corpore sano“ konnte als Appell für die Äußerlichkeit missverstanden werden.

Schönheit steht auch heute – mit den geschilderten, durchaus grausamen Begleiterscheinungen – hoch im Kurs, während Charakter, Intelligenz, Bildung und soziale Kompetenzen unter den zur Beschreibung des Traumpartners herangezogenen Kriterien eine untergeordnete Rolle spielen. Zwanzigjährige – und dann vor allem wieder ältere Frauen – verzweifeln angesichts dieser Entwicklung häufig. Als Lösung bietet sich scheinbar nur eine Option an: die operative Korrektur. Die Rede ist hier natürlich nicht von Eingriffen nach Verkehrs- oder Brandunfällen, sondern von der Anpassung des Äußeren gesunder Personen an einen bestimmten Trend. Zu viel Moralismus, zu viel Pädagogik, zuviel Entrüstung forcieren die Entwicklung eher, die dann – wie angedeutet gerade in der pubertären oder postpubertären Phase – zur Protesthaltung werden kann. Mit Verboten, wie sie in Deutschland gefordert wurden, ist es nicht getan. Die psychologischen bzw. psychiatrischen Interdependenzen sind zu kompliziert, als dass man ihnen juristisch oder durch wohlmeinende Reglementierungen gerecht werden könnte. Dass im medizinischen beauty business Verführung, Unsicherheit und Manipulation im Sinne eines harten Werbekalküls allerdings eine herausragende Rolle spielen, ist unbestritten. So ist z. B. längst bekannt, dass der Anorexie eine komplizierte Psychostruktur zugrunde liegt, doch werden viele gefährdete junge Mädchen erst infolge des medial verbreiteten, von Freundinnen und der (ebenfalls manipulierten) Umwelt demonstrierten Schönheitskults ins Unglück getrieben. Die Nutznießer dieser Entwicklung zögern nicht, von der Freiheit der Werbung zu reden. Sie profitieren von der Tatsache, dass das Argument einer fragwürdigen Nutzen-Risiko-Relation bei kosmetischen Operationen kaum greift, zumindest solange man nur den äußerlichen Befund berücksichtigt. In etwa bringen die Eingriffe vor allem kurzfristig tatsächlich, was zuvor versprochen wurde. Die Krähenfüsse verschwinden, die Brüste werden größer, die Oberlider straffer. Ist die Verunsicherung allzu groß, gilt der Status quo ante als psychisches Leiden, dessen operative (!) Therapie in Deutschland, trotz einschneidender gesetzlicher Maßnahmen, legt man nur einen geschickt formulierten ärztlichen Antrag vor, immer noch von den Kassen übernommen wird. Welcher Arzt mag schon Suizidalität im Gutachten kategorisch ausschließen! Unbedenklich, ja ethisch geboten erscheint dagegen, dass die gesetzlichen Kassen die Beseitigung starker Entstellungen, etwa nach Unfällen, finanzieren. Oft sind die Grenzen freilich willkürlich. Bei abstehenden Ohren gilt in Österreich wie in Deutschland, dass der Winkel zwischen Ohrmuschel und Schädel mehr als 45 Grad betragen muss. Das Beispiel zeigt auf plakative Weise die Schwierigkeiten. Für den Außenstehenden mag es lächerlich klingen, für viele Betroffene sind solche Fragen und Grenzwerte dagegen von zentraler Bedeutung.

Problematisch wird es besonders dann, wenn Selbstmodifikationen angestrebt werden, die nach dem gesunden Menschenverstand oder der Meinung der Mehrheit der Bevölkerung als unschön, ja als Reduktion der Lebensqualität gelten. Wie sehr auch hier kulturhistorische Kontexte eine Rolle spielen – Geschmacksvorlieben können sowohl innerhalb von wie zwischen gesellschaftlichen Gruppierungen variieren –, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Fußverkleinerungen, Brustverkleinerungen, Halsverlängerungen galten zeitweise als ästhetische Ziele, heute dagegen schlicht als Verstümmelungen. In der Hautkosmetik wird erst seit etwa 80 Jahren das angestrebt, was inzwischen weltweit als Ideal gibt: der gebräunte, makellose Teint (vorher galt jahrhundertelang die Blässe als Zeichen der Vornehmheit – auch sie wurde von manchen Frauen der Oberschichten mit allen Tricks herbeigezaubert). Tatsächlich besteht – es wurde schon darauf hingewiesen – bei jeder kosmetischen Operation das Risiko, dass das neue Äußere morgen „out“ sein kann. Dass am Ende zuweilen nur erbarmungswürdig vernarbte, maskenhaft ein Lächeln versuchende oder Tränen unterdrückende Schönheitsruinen übrig bleiben, erfährt man, meist spät am Abend, in kritischen Fernsehsendungen. Autonome Entscheidungen – seit der Aufklärung ein Kennzeichen der Würde des westlichen Menschen – werden hier, da sie unter äußeren, weder vom Patienten noch vom Arzt durchschauten Einflüssen zustande kommen, ins Gegenteil verkehrt, ja zur Farce. Jeder Chirurg, der entsprechende Operationen durchführt, sollte hierüber nachdenken.

In der Schönheitschirurgie, die sich die Konstruktion von Idealbildern zum Ziel gesetzt hat, vermischen sich in der Regel ästhetische, chirurgische und psychische Aspekte. Immerhin gibt es das Krankheitsbild der Dysmorphophobie: Man leidet extrem unter dem eigenen Äußeren und glaubt, dass andere einen – wegen der äußeren Erscheinung – ähnlich negativ sehen wie man selbst. Versuchen Eltern, Partner, Freundinnen oder Freunde das Gegenteil zu beweisen, wird man noch misstrauischer. Doch genau dies ist der Punkt. Taugt die subjektive Sicht der Dinge (vulgär Einbildung) als Basis eines folgenreichen operativen Eingriffes? Wo liegen bei kassenfinanzierten Schönheitsoperationen Logik und Gerechtigkeit? Kann man andererseits Frauen mit ungleich großen Brüsten die operative Korrektur verweigern, während Transsexuellen eine extrem umfangreiche Operation bezahlt wird? Letztere fühlen sich, ganz und gar, hässlich, unglücklich und unattraktiv, weil sie glauben, das falsche Geschlecht zu haben. Die Frage ist nur, ob vordergründiges „Nachgeben“ durch eine operative Korrektur wirklich eine nachhaltige Lösung darstellt. Die Narbe im Gesicht eines männlichen Mode-Models hat zweifellos ein anders gefärbtes subjektives Gewicht als diejenige eines Burschenschaftlers. Was aber, wenn der erste plötzlich Mensuren schlagen und der zweite Moden präsentieren will? Letztlich dürfte das Problem aber noch tiefer liegen. Der Philosoph Jürgen Mittelstraß fragt, wie viele Falten ein Mensch in der Seele haben muss, wenn er sie im Gesicht, das doch auch Spiegel seiner Biographie, seiner Persönlichkeit, seines Charakters ist, wegoperieren lässt.2 Manchmal sind diese seelischen Narben wohl die eigentliche Krankheit. Sie bedarf allerdings eher einer philosophisch-psychologischen, manchmal sogar psychiatrischen Betreuung, d. h. der Stärkung des Selbstbewusstseins als des Skalpells.

Schönheitsideale im Wandel der Zeit

Angesichts der fragwürdigen Grundproblematik, die für weite Kreise der westlichen Gesellschaft (sowie die westlich orientierten Oberschichten vieler Länder der Dritten Welt) als charakteristisch gelten kann, uns gleichzeitig aber zu wichtigen Fragen – nicht zuletzt über unser Selbstverständnis – anregt, mag es erstaunen, dass der rein körperbezogene, säkulare Schönheitswahn (wenn auch nicht als alltägliches Massenphänomen) eine uralte Tradition hat. Im folgenden soll deshalb kurz auf die historische Entwicklung von Schönheitsmoden und ästhetischer Normierung eingegangen, gleichzeitig aber auch verdeutlicht werden, worin die Besonderheiten der aktuellen Trends liegen, die einige ethisch bedenkliche Begleiterscheinungen zeigen.

Schon im alten Ägypten orientierten sich Kosmetik und Schönheitspflege an prominenten Leitbildern, die von der Herrscherfamilie vorgegeben wurden. Schminktechniken und Schönheitsrezepte spielten bei den Frauen der Oberschicht, aber auch bei Priestern eine herausragende Rolle, während – und dies sollte bis zum 19. Jahrhundert so bleiben – die bäuerliche Gesellschaft davon weitgehend unberührt blieb. Zur Mitte des 5. Jahrhunderts beschrieb der griechische Bildhauer Polyklet in seinem legendären, wenn auch nur sekundär überlieferten Kanon die ideale Proportionierung des menschlichen Körpers. Sie korrelierte mit der Vorstellung einer auch von vielen Ärzten postulierten Norm-Gesundheit, welche der geglückten mimesis idealisierter bzw. idealisierender Kunstobjekte entsprach und eine Eigenverantwortung für den körperlichen und seelischen Zustand propagierte. Kein geringerer als Galen (2. Jh. n. Chr.), dessen Schrifttum die Medizin des Spätmittelalters und der Renaissance entscheidend beeinflusste, sollte sich, was seine gesundheitstheoretischen und ästhetischen Vorstellungen anging, auf Polyklets Vorbild berufen. Doch war hiermit das Problem geboren, das uns heute quält: die Normierung ästhetischer Ideale. Schön oder hässlich, das war stets auch eine Frage der Mehrheit, der Arroganz und Toleranz, der inneren Verarbeitung und Sublimierung, des Verzichts und des Anspruchs. Pech hatte allerdings, wer nicht der festgelegten Norm entsprach, vor allem, wenn er für sich die Regeln der Norm akzeptiert hatte und nicht souverän darüber stand. Wenn Plinius der Ältere (1. Jh. n. Chr.) von dem Maler Zeuxis berichtet, der nach dem Modell der fünf schönsten Jungfrauen von Kroton deren jeweils ästhetisch bestechendste Eigenschaften zu einer idealen Naturschönheit kombinierte, geht er unausgesprochen von der Tatsache aus, dass diese konstruierte Schönheit, welche sozusagen die Natur optimiert, objektivierbar und allgemeingültig ist.

Was die historische Schönheitspflege (hier kann nur in nuce auf sie eingegangen werden), die im höfischen Umfeld des 17. und 18. Jahrhunderts einen weiteren Höhepunkt erreichte, von heutigen, weder vor finanzieller Verschuldung noch vor physischer Selbstquälerei zurückschreckenden Bemühungen um körperliche Perfektion unterscheidet, ist der Umstand, dass sie, von Ausnahmen abgesehen, keinen Eigenwert erhielt und nicht zur Ersatzreligion wurde. Sauberkeit und ein gepflegtes Äußeres (wozu vor allem das Pudern und Parfümieren beitrugen) galten so zur Zeit Ludwigs XIV. eher als tugendsame Eigenschaften, die – so wollte es die Etikette – vor allem den Höfling auszeichneten, der mehr zum Gehorsam als zur Selbstverwirklichung erzogen war und sich nicht zuletzt aus taktischen Gründen, selbst um den Preis der Lächerlichkeit, dem wechselnden Schönheitskodex anpasste. Natürlich versuchte man seit uralten Zeiten auch, durch Betonung der eigenen Schönheit Eitelkeiten zu befriedigen und das Selbstwertgefühl, Heiratschancen sowie den beruflichen wie gesellschaftlichen Erfolg zu steigern. Nirgends herrschten allerdings – wie ansatzweise in der griechischen Polis – bis zum 18. Jahrhundert kollektive ästhetische Vorstellungen vor, welche eine größere Fraktion der Bevölkerung über alle Standesgrenzen hinweg zur Anpassung zwangen – und alle anderen benachteiligten. Fast immer waren nur der Adel und – in der frühen Neuzeit - die gehobene Bürgerschicht bereit, den neuen Geschmack zu teilen. Die Masse der Bevölkerung war gegen solche Modetrends schon aus Gründen der Armut und des damit verbundenen Informationsdefizits gefeit.

Dies änderte sich im 19. Jahrhundert. Zwar favorisierte die Romantik zunächst die „körperlose“ Frau, eine Vorstellung, die durch den „Spitzentanz“ der Ballerinen und bestimmte Tanzformen gefördert wurde. Gegen 1850 galten in Deutschland Hellhäutigkeit, Hohlrücken und eine üppige, häufig mit falschen Haarteilen vorgetäuschte Lockenpracht sowohl im Adel wie im aufstrebenden Bürgertum als weibliches Schönheitsideal. Unzählige Varianten, vom Gewicht bis zur Hautfarbe, kamen bis zum Ende des Jahrhunderts in Mode. Das „Kokettieren“ mit den eigenen, nach dem Zeitgeschmack herausgestellten Reizen wurde üblich. Nicht wenige Zeitgenossen ahnten, dass wirkliche Attraktivität andere Wurzeln hatte, was Nietzsche zu dem Satz veranlasste: „Um schön zu werden, darf ein Weib nicht für hübsch gelten wollen“. In Frankreich, Deutschland, Italien und England wurden nun, allerdings nur in den Städten, Modeschneider tonangebend. Die Mode führte bald zu einem Diktat der Norm, das in bestimmten Fällen physische Schäden wie Skelettdeformierungen und ernsthafte Erkrankungen bewirkte. Auch die Erfindung der „Kleidung von der Stange" Ende des 19. Jahrhunderts ging von normierten Proportionen aus. Bis heute blieb das weibliche Modell für Werbung und Modepräsentation – letztlich eine Schöpfung des späten 19. Jahrhunderts – „das glorreichste Objekt unter den Konsumgütern“. Während sich das Schönheitsideal der Oberschicht zwischen Paris und Wien annäherte, kümmerte sich die seit etwa 1840 naturwissenschaftlich argumentierende Medizin zunehmend auch um die Ärmeren. Dabei wurde die Tradition der Medizin als ars reparatoria, die auf Tagliacozzi, einen Arzt des 16. Jahrhunderts (der die Hautlappenplastik anwandte) zurückging, intensiviert. Nasenplastiken (sie wurden häufig nach syphilitischen Entstellungen notwendig), Hauttransplantationen sowie die Korrektur von Gaumenspalten und Schiefhälsen wurden technisch verbessert. Entstellungen wurden nicht nur, wie zuvor, bei wohlhabenden Minderheiten korrigiert, sondern auch, nicht zuletzt nach Kriegen, bei gemeinen Soldaten behandelt. Die Angst vor Ausgestoßensein, Isolierung und Elend, nicht etwa die Jagd nach Schönheit und Attraktivität waren bei den meisten Eingriffen Primärgründe, sich einer Operation zu unterziehen. Schon in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts wurden die Erkenntnisse und Fortschritte der plastischen Chirurgie in den USA allerdings auf Frauen angewandt, die schöner werden wollten.

Fragile Werte der Gesundheitsreligion

Seitdem sich, wie der Psychiater Klaus Dörner im Deutschen Ärzteblatt kritisch formuliert hat,3 die westliche Gesellschaft infolge der Aufklärung und nachfolgenden Säkularisierung „vom metaphysischen Ballast aller Transzendenz“ befreit hat, scheinen zu Beginn des 21. Jahrhunderts Gesundheit und Schönheit zum bloßen „Aneignungsobjekt“ geworden zu sein. Gesundheit wurde, wie Manfred Lütz, ebenfalls Psychiater, sich äußerte, zur Ersatzreligion, der man allerdings sehr fanatisch anhängt.4 Gegen Bezahlung scheint fast jede gewünschte Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes möglich, wobei die rasch wachsende Fraktion der Schönheitschirurgen der schon gestellten Frage, ob hinter manchem Wunsch junger Menschen nach plastischer Körperkorrektur nicht eine krankhafte Einstellung zum Körper steht, eher ausweicht. Die gesundheitsakzentuierte Ersatzmetaphysik, die weitgehend von der Gesundheits- und Wellnessreligion lebt, projiziert die Höhen und Tiefen des Lebens allein auf den Körper. Selbst die Leichenkosmetik – bis hin zum Lifting frisch Verstorbener – wird in den USA zu einem boomenden Geschäftszweig. Für nicht wenige hängt alles Glück der Welt vom guten Aussehen ab, ein Zusammenhang, der in einer nach neuen Werten suchenden Beliebigkeitsgesellschaft zentrale Bedeutung gewinnen kann. In verblüffender Parallele zum alten Hellas gelten „Geistesschärfe, zwischenmenschliche Fähigkeiten (interpersonal skills), Leistungsfähigkeit und Moral“ als Charakteristika der Schönen. Nur was Treue in der Partnerschaft und Vertrauenswürdigkeit angeht, schneiden sie im öffentlichen Meinungsbild schlechter ab. Wem Schönheit, nicht zuletzt infolge „hypochondrischer Überaufmerksamkeit auf sich selbst“, als höchster gesellschaftlicher Wert gilt, wer sie für problemlos plan- und herstellbar hält, könnte, so Dörners Sorge, auf der Jagd nach ihr freilich erst richtig krank werden. Body dissatisfaction, d. h. die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, und body-image-distorsion, die verzerrte Wahrnehmung des Körpers oder eines Körperteils sind Ursachen wie Folgen dieser Entwicklung.

Die Manipulation in Sachen Schönheit lässt sich auch in wissenschaftlichen Studien belegen: Wie die Arbeitsgruppe von Groesz 2002 in einer Meta-Analyse von 25 Studien nachweisen konnte, zeigen nicht essgestörte, gesunde Frauen nach der Konfrontation mit Bildern von schlanken Models eine signifikant zunehmende Unzufriedenheit mit ihrem Körper (was nicht der Fall ist, wenn ihnen Bilder normal- oder übergewichtiger Frauen präsentiert werden).5 Unzählige Varianten dieses Versuchs sind, etwa vor Bildschirmen oder im Kino, tägliche Praxis. Im Gegensatz zu allen genannten historischen Parallelen steht die aktuelle Gesundheitswelle zudem im Zeichen einer gezielten Werbung, deren Strategen solche Zusammenhänge längst erkannt haben. Auch die Assoziation eines quasi automatischen sozialen Erfolgs schöner Menschen erscheint – zumindest in dieser verabsolutierten Form – neu (wobei dieser, folgt man dem Wunschdenken der Betroffenen, häufig mit einer Medienkarriere gleichgesetzt wird). Vor allem ein schlanker Körper gilt bei Frauen der westlichen Welt bis heute als Voraussetzung für Erfolg und Wohlstand. „Eine Frau kann nie reich und dünn genug sein“, soll die frühere Herzogin von Windsor einmal gesagt haben. Worte und Meinungen solcher Frauen – inzwischen wäre natürlich ihre Nachfolgerin Diana zu nennen – wurden und werden über Familienzeitungen und Frauenzeitschriften, vor allem aber durch die yellow press unter das Volk gebracht. Twiggys kindliches Äußeres (1967) wurde bekanntlich von unzähligen jungen Frauen bis zur Anorexie nachgeahmt.

Vieles spricht dafür, dass die meisten Patienten Opfer äußerer Beeinflussung sind, aber auch auf Grund psychischer Alterationen – von leichten Persönlichkeitsstörungen über die Borderline-Symptomatik bis zur echten Psychose – zu ihrer Entscheidung gelangen. Der Wille zur Schönheit wie auch der Beschluss, sich einem Anti-Aging-Programm, vor allem aber einer operativen Korrektur, etwa einem Face-Lifting zu unterziehen, dürfte wahrscheinlich nur selten einer wirklich autonomen Entscheidung entspringen. Manche Frau versucht hierdurch z. B. Ehe und Partnerschaft zu retten. Furchtbar ist es, wenn solche Menschen durch einen Unfall oder infolge von Krankheiten sich noch weiter vom Ideal entfernen. Der Hoffnungspfeiler der Zukunft, dessen Fragilität und Hohlheit verkannt wurde, bricht dann zusammen. Dazu nährt der psychosoziale Druck auf die Alten, welche, was täglich versichert wird, die Renten- und Krankenversicherungen belasten und – unter ökonomischen Gesichtspunkten – vielfach bereits als gesellschaftliche Stör- und Problemfaktoren gelten, den Wunsch, den Eintritt in diese Altersgruppe hinauszuzögern. Als größtes Unglück erscheint es, selbst krank oder alt zu werden und damit die äußere Attraktivität einzubüssen. Die Angst hiervor wird nicht selten selbst zur Krankheit. Da es nun aber einmal menschliches Schicksal ist, kontinuierlich zu altern, sind Pessimismus, Unzufriedenheit und Depressionen vorprogrammiert.

Dörner stellte sogar die pessimistische These auf, dass die neue „Gesundheitsgesellschaft“ durch ihre ständige Bemühung um körperliche Perfektion jene Vitalität verliert, ohne die sie „weder in Lebenslust noch in Verantwortungsbereitschaft, noch in wissenschaftlichen oder industriellen Spitzenleistungen“ ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten kann. Andere sehen in der Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper allerdings sogar eine ökonomische Chance. Der deutschen Gesellschaft steht hier zwar – kommt sie den Wünschen der Schönheitsindustrie und ihrer Adepten entgegen – eine weitere, gigantische Belastung ihres maroden Gesundheitssystems ins Haus, die bisher nur dadurch aufgefangen wurde, dass die Betroffenen bereit sind, jährlich aus eigener Tasche Milliarden für die Erhaltung ihrer Schönheit aufzubringen. Doch gerade hier könnte man staatlicherseits einhaken. Soll man sich dieses Geschäft, diese Steuereinnahmen entgehen lassen? 550 Milliarden Mark werden jährlich in Deutschland von den Krankenkassen ausgegeben. Viele „Therapien“ dienen freilich nicht der Beseitigung eigentlicher Krankheiten, sondern der Kaschierung des Unwohlseins, vor allem in psychisch-sozialer Hinsicht. Dazu gehören auch zahllose Schönheitskorrekturen, deren „Notwendigkeit“ mit psychiatrisch bzw. psychologisch akzentuierten Gutachten begründet wird. Der Umgang mit gesundheitlichen Störungen ist so sehr organisiert, verkünstelt, politisiert und (ungeachtet jüngster Gegenregulationen) für den Einzelnen finanziell entschärft worden, dass man – ohne jedes Gefühl für die Kostenfrage – die Abweichung von der Norm als Krankheit empfindet und aktive Korrekturen als selbstverständliche Konsequenz erachtet. Kritik an solchen Phänomenen wird von vielen Politikern und Medizinern zwar durchaus geübt, doch erscheint die Lobby des beauty business weitaus einflussreicher. Dass biologische Prozesse (und so auch das menschliche Leben) wellenförmig verlaufen, ist in Vergessenheit geraten. Das eigene Äußere hängt von vielerlei Determinanten ab, nicht nur vom Alter.

Schlussfolgerung

Dass ein fünfzigjähriger Zufriedener besser aussehen kann, weil er ausgeglichener ist, als ein zwanzigjähriger, der verzweifelt hinter einem äußerlichen Schönheitsideal herläuft, wird ausgeblendet. Nach dem französischen Medizintheoretiker Georges Canghuilem zählen gelegentliche Erkrankungen (und natürlich auch Störungen des Glücks) zur Norm des Lebens. Sie stärken sogar die Leidens- und Hoffnungsfähigkeit: „Was die Gesundheit ausmacht, ist die Möglichkeit, die das augenblicklich Normale definierende Norm zu überschreiten, Verstöße gegen die gewohnheitsmäßige Norm hinzunehmen und in neuen Situationen neue Normen in Kraft zu setzen“.6 Dies gilt natürlich ebenso für die Hinnahme äußerer, ästhetisch-kosmetischer Normabweichungen. Dass Krankheit und Leid – und wohl auch gewisse Benachteiligungen, was die äußere Attraktivität betrifft – durchaus positive Kräfte freisetzen können, ist ein Stück uralter abendländischer Lebenserfahrung. Absurderweise gilt sie heute als philosophisch-misanthropische Spitzfindigkeit. Das Beispiel des Sokrates kann nicht mehr überzeugen. Aber genau hier wäre ein didaktisch-therapeutischer Ansatz denkbar. Wer mit jeder Einschränkung, jedem Missgefühl, jeder Enttäuschung, jedem Unglück hadert, kann nur verzweifeln. Dass solche Erfahrungen schlicht zur conditio humana gehören, muss in Erinnerung zurückgerufen werden. Eine Medizin, die Ungestörtheit, Freiheit von negativ empfundenen Gedanken, andauernde Schönheit, Fitness sowie ewige Jugend verspricht, hat – vom Lächerlichen, woran man zunächst denkt, abgesehen – etwas Diabolisches. In einer nun einmal von Natur aus befristeten, von Sorgen belasteten Existenz (Heinrich Schipperges) muss der frustrane anhaltende Versuch, Unmögliches zu erreichen, wirklich krank machen, so krank, dass sich die Spuren dieser Krankheit auch äußerlich niederschlagen – im unglücklichen, nicht ausgeglichenen Gesichtsausdruck, in bestimmten Körperhaltungen und jener Körpersprache, die verrät, dass der Mensch nicht „in seiner Mitte“ ist. Gelassenheit in äußeren Dingen verschafft jene existentielle Schwerelosigkeit, welche die eigentliche Gesundheit darstellt und wirkliche Schönheit bedingt. Es ist bedauerlich, dass zwischen einer (nicht nur von den Schönheitschirurgen, sondern auch von einigen Psychologen betriebenen) Pathologisierung und Medikalisierung äußerer „Defizite“ und harten Ökonomisierung des Schönheitsmarktes, in dem viele Menschen seelisch zerrieben und für die wirklichen Herausforderungen des Lebens untauglich werden, solche uralten, eigentlich selbstverständlichen Erkenntnisse keinen Platz mehr haben. Das Problem ist alles andere als gelöst. Es hängt zusammen mit der tiefen Verunsicherung der westlichen Gesellschaft, die immer mehr auf den bloßen Körper zurückgeworfen wird. Körperlichkeit ist etwas Schönes, allein aber zu wenig, um dem Leben einen Sinn zu geben.

Referenzen

  1. Pressemitteilung der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland (GÄCD) vom 14. September 2007, www.gacd.de
  2. Jürgen Mittelstraß bei der Diskussion seines Vortrags „Die Zukunft des Alters zwischen Jugendkult und Altersweisheit“ bei der Tagung „Alter als Last und Chance“ der Konrad-Adenauer-Stiftung am 1. Oktober 2004 in Cadenabbia
  3. Dörner K., In der Fortschrittsfalle, Dt Ärzteblatt (2002); 99: 2104-2108
  4. Groesz L. M., Levine M. P., Murnen S. K. (Hrsg.), The effect of experimental presentation of thin media images on body satisfaction – a meta-analytic review, Int J Eating Disord (2002); 31: 1-16
  5. Lütz M., Lebenslust, Pattloch Verlag, München (2002)
  6. Canghuilhem G., Das Normale und das Pathologische, Hanser Verlag, München (1974), S. 132

Weiterführende Literatur

  • Bergdolt K., Leib und Seele. Eine Kulturgeschichte des gesunden Lebens, Beck Verlag, München (1999)
  • Bergdolt K., Ästhetik und Schönheit. Historische und aktuelle Aspekte des Schönheitswahns, Zschr Med Ethik (2006); 52:115-126
  • Bergdolt K., Schönheitspflege, in: Lexikon des Mittelalters VII, Deutscher Taschenbuch-Verlag, München (2002), S. 1537
  • Bower A. B., Highly Attractive Models in Advertising and the Women Who Loathe Them: The Implications of Negative Affect for Spokesperson Effectiveness, J Advertising (2001); 30: 51-63
  • Gadebusch Bondio M., Medizinische Ästhetik, Kosmetik und plastische Chirurgie zwischen Antike und früher Neuzeit, Fink Verlag, München (2005)
  • Knibiehler Y., Die bürgerliche, die öffentliche und die private Frau. Leib und Seele, in: Duby G., Perrot M. (Hrsg.), Geschichte der Frauen IV, Fischer Verlag, Frankfurt/Main (1994), S. 373-416
  • Kudlien F., Gesundheit, in: Reallexikon für Antike und Christentum V, Hiersemann Verlag, Stuttgart (1962), S. 902-945
  • Leven K., Eine höchst wohlthätige Bereicherung unserer Kunst – Plastische Chirurgie in medizinhistorischer Perspektive, Zschr Med Ethik (2006); 52: 127-137
  • Lütz M., Der Preis der Gesundheit, in: Schumpelick V., Vogel B. (Hrsg.), Grenzen der Gesundheit, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau (2004), S. 112-120
  • Régnier-Bohlen D., Fiktionen. Der Körper, in: Ariès P., Duby G. (Hrsg.), Geschichte des Privaten Lebens, Bd. II, Fischer Verlag, Frankfurt/Main (1990), S. 341-355
  • Schenda R., Gut bei Leibe. Hundert wahre Geschichten vom menschlichen Körper, Beck Verlag, München (1998)
  • Schipperges H., Gute Besserung. Ein Lesebuch über Gesundheit und Heilkunst, Beck Verlag, München (1994)

Anschrift des Autors:

Prof. DDr. Klaus Bergdolt
Institut für Geschichte und Ethik der Medizin
Universität Köln
Josef-Stelzmann-Straße 20/Geb. 42, D-50931 Köln
bergdolt(at)uni-koeln.de

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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