Klonen oder nicht Klonen – das ist die Frage
Der Konsens war zum Greifen nahe, und doch scheitert die Weltgemeinschaft zum zweiten Mal daran, dem Klonen einen wirksamen Riegel vorzuschieben. Zweimal hat sich der Rechtsausschuss der UNO in New York schon mit der Frage einer Konvention zum Klonverbot befasst. Im Vorjahr stand ein Vorschlag von Spanien, den USA und den Philippinen, der von rund 30 Staaten unterstützt wurde, einem anderen von Frankreich und Deutschland gegenüber, der nur das reproduktive Klonen verbieten wollte. Man hat sich nicht bzw. nur auf ein Moratorium von einem Jahr geeinigt. Während dieses Jahres hatten Frankreich und Deutschland ein Umdenken signalisiert, und man ging davon aus, dass sie auch für ein absolutes Klonverbot stimmen würden. Das war aber offensichtlich ein trügerisches Signal. Costa Rica hat heuer den Vorschlag gemacht, durch eine Konvention jede Art von Klonen zu unterbinden. 56 Staaten haben offiziell ihre Unterstützung zugesichert, von anderen war bis zuletzt nicht klar, was sie in einer Kampfabstimmung tun würden. Frankreich und Deutschland haben diesmal keinen Gegenvorschlag eingebracht, Belgien hat aber vorgeschlagen, es jedem Land selbst zu überlassen, ob es erlaubt sein soll, über das therapeutische Klonen zu forschen oder nicht. Letztlich wurde über einen Moratoriumsantrag des Iran im Namen der Islamischen Konferenz abgestimmt. Für das Moratorium stimmten 80 gegen 79 Länder, 15 enthielten sich der Stimme. Nun kann man weiterhin in den Ländern, in denen es noch keine gesetzliche Regelung gibt, ungestört an der Klonung von Menschen forschen. Man muss aber klarstellen, dass eine Konvention nur Empfehlungscharakter hat und nicht mehr als einen moralischen Druck auf die einzelnen unterzeichnenden Mitglieder darstellt, die Konvention in ein Landesgesetz umzusetzen.
Aus der Diskussion ist positiv herausgekommen, dass es letztlich einen universellen Konsens gegen das reproduktive Klonen geben dürfte. Obwohl auch Stimmen von anerkannten Wissenschaftlern abgegeben worden sind, die keine ethischen Bedenken gegen das reproduktive Klonen hätten, wenn es soweit ist, dass die entsprechende sichere Technik vorhanden ist, kann man dennoch davon ausgehen, dass jetzt eine solche Konvention ohne Probleme in der UNO verabschiedet hätte werden können. Das wollten ja Frankreich und Deutschland 2002 und Belgien jetzt erreichen.
Viele Länder vertreten aber die Position, dass kein Klonverbot wirksam sein kann, wenn therapeutisches Klonen zugelassen wird. Warum? Erstens, weil, wenn an therapeutischem Klonen geforscht wird, früher oder später eine verfeinerte Klontechnik entwickelt wird; und zweitens, wenn diese Technik verfügbar ist, wird man auch nicht mit Gesetzen verhindern können, sie anzuwenden. Die oben erwähnten gewichtigen Pro-Klonierungs-Stimmen namhafter Wissenschaftler werden sich politisches Gehör verschaffen, sobald die Technik da ist. Sie würde dann zumindest für ganz konkrete, zunächst als Ausnahme deklarierte Fälle zugelassen. Dies ist auch, was die Erfahrung in der Biopolitik der letzten Jahrzehnte zeigt: Nach der Zulassung einer Ausnahmeregelung wird früher oder später diese zur Regel gemacht. Man braucht die Biopolitik nicht viele Jahre zurückzuverfolgen, um festzustellen, dass bedauerlicherweise dies zur gesetzmäßigen Prozedur der Biopolitik geworden ist. Und das ist es, was mehr als 60 UNO-Mitglieder im Fall des Klonens verhindern wollen.
Nach wie vor ist weder reproduktives Klonen noch therapeutisches Klonen möglich. Man forscht daran, in der Hoffnung, dass es einmal möglich wird. Ein Durchbruch beim Menschen ist kaum in Sicht.1 Deswegen ist ein Verbot des reproduktiven Klonens nicht so dringend wie das des therapeutischen Klonens. Denn nur die Forschung an diesem wird ersteres möglich machen. Es ist auch nicht klar, ob das Klonen jemals therapeutisch werden kann, denn, ob die embryonalen Stammzellen außerhalb des embryonalen Umfelds wesentliche Entwicklungseigenschaften behalten können, kann nicht für gesichert gehalten werden. Hier ist die Forschung mit den adulten Stammzellen viel weiter fortgeschritten.
Ethisch gesehen ist das therapeutische Klonen keineswegs besser als das reproduktive Klonen. Man kann bei beiden Handlungen gute Absichten unterstellen: die Entstehung von neuem Leben und die Heilung von bereits entstandenem. Die Mittel, die zur Anwendung kommen, sind bei beiden schlicht und einfach verwerflich.2 Beim therapeutischen Klonen kann man nicht abstreiten, dass die Schaffung von neuem Leben, das nach Ableistung eines Heilungsdienstes zerstört werden soll, die Absicht ist. Der Streit liegt in der Abwägung zwischen Heilungsdienst und Zerstörung des Lebens. Manche lassen eine solche gefährliche Abwägung zu, indem sie die Menschenwürde von Embryonen in vitro in Frage stellen. Es ist zu bezweifeln, dass die Vertreter dieser Position durchschauen, dass sie damit die Zuteilung und Verweigerung von Menschenwürde als einen Akt staatlicher Gewalt ansehen, der zur politischen Disposition steht. Der jüngste Vorstoß der deutschen Justizministerin Brigitte Zypries in ihrer Berliner Rede vom 29. Oktober dieses Jahres, dem in vitro erzeugten Embryo die Menschenwürde erst ab der Einnistung in der Gebärmutter voll anzuerkennen, ist beängstigend.
Nicht sehr konsequent war die Haltung von Deutschland und Frankreich bei der oben zitierten Abstimmung. Beide Länder waren im Vorjahr Wortführer des Vorschlags für ein Verbot des reproduktiven Klonens und die Zulassung des therapeutischen. In Deutschland sind ohnehin beide verboten. Frankreich will nun auch beide verbieten. Trotzdem konnten sie sich nicht voll hinter den Vorschlag Costa Ricas und den USA stellen und sind vehement für ein neuerliches Moratorium von zwei Jahren eingetreten. Ähnlich verhält es sich mit der Schweiz, wo das Klonen verfassungsmäßig verboten ist. Nichtsdestotrotz ist die Schweizer Delegation nur für ein Verbot des reproduktiven Klonens eingetreten. Auch nicht ganz konsequent, aber ganz anders die Position der USA, wo Klonen eigentlich nicht verboten ist. Man fragt sich, worauf die USA warten, um das im eigenen Land durchzusetzen, was sie in der UNO für die ganze Welt verlangen. Österreich, wo das Klonen auch nicht zulässig ist, hat sich auf die Seite von Costa Rica geschlagen, leider nicht ohne diplomatisch zu signalisieren, dass es auch mit einem Teilverbot leben könnte. Merkwürdig: das kleine Land Liechtenstein ist für das therapeutische Klonen eingetreten.
Diese Geschichte zeigt einmal mehr, wie schwer es für die Biopolitik ist, klare und wirksame Lösungen zu finden. Der Konsensfindungsprozess kann verhängnisvoll werden, weil manche Fragen – z. B. die Menschenrechte – nicht zur politischen Disposition stehen, sondern vom politischen Machthaber einfach zur Kenntnis genommen werden sollten. Darüber abzustimmen und einen Konsens zu erzielen bedeutet so viel wie die Menschenrechte abzuerkennen.
Referenzen
- vgl. Hutter C., Kritische Überlegungen zum Klonen, Imago Hominis (2003); 10: 179-184
- vgl. Schwarz M., Menschenklone – wer trägt die Folgen?, Imago Hominis (2001); 8: 105-119
Prof. Dr. Enrique H. Prat, Imabe-Institut
Landstraßer Hauptstraße 4/13, A-1030 Wien