Das Transplantationswesen in Österreich

Imago Hominis (1997); 4(4): 267-273
Thomas Schuster, Manfred Willinger

Zusammenfassung

Zur Effizienz der Transplantationsprogramme leistet die grenzüberschreitende Kooperation zwischen den Transplantationszentren einen wichtigen Beitrag. Die aus österreichischer Sicht wichtigsten Organisationen sind: Austrotransplant, ÖBIG-Transplant und Eurotransplant Foundation (ET). Im internationalen Vergleich der Transplantationsfrequenzen nimmt Österreich einen erstrangigen Platz ein. Dennoch sind die Wartelisten für ein Organ lang. Im Zeitraum 1985 – 1995 betrug die mittlere Wartedauer für eine Nierentransplantation in unserem Land 13,8 Monate. Besonders gravierend ist jedoch die Situation der Herzwarteliste.

Schlüsselwörter: Transplantationsprogramme, Transplantationsfrequenzen, Spenderfrequenzen, Wartelisten, Internationaler Vergleich

Abstract

The international co-operation between transplantation centers has contributed importantly to the efficiency of transplantation programmes. As far as Austria is concerned the most important are: Austrotransplant, ÖBIG-Transplant and de Eurotransplant Foundation (ET). Austria is among the first when comparing the frequency of transplantations internationally. However, the waiting lists in Austria are very long. Between 1985 and 1995 the average waiting time for a kidney transplantation in Austria was 13,8 months. At present the situation of the waiting list for heart transplants is especially grave.

Keywords: transplantation programmes, transplantation frequencies, donation frequencies, waiting lists, international comparison


1. Einleitung

Die Organtransplantation ist heute ein etabliertes Therapieverfahren zur Behandlung eines terminalen Organversagens. Durch die Transplantation von Herz, Leber oder Lunge kann bislang tödlich verlaufenden Erkrankungen erfolgversprechend begegnet werden. Die Nierentransplantation und in ausgewählten Fällen die kombinierte Pankreas-Nieren-Transplantation eröffnen einer Vielzahl von Dialysepatienten die Chance, eine bessere Lebensqualität zu erreichen.

Die zeitgerechte Versorgung der auf eine Transplantation wartenden Patienten stellt für alle im Transplantationswesen Tätigen eine zentrale Aufgabe dar. Die rechtzeitige Versorgung der Patienten erfordert eine bedarfsdeckende Anzahl an Spenderorganen. Die im internationalen Vergleich zwar hohen jährlichen Transplantationsfrequenzen in Österreich werden jedoch nur partiell vom jeweiligen Bedarf für dieses Therapieverfahren bestimmt. Vielmehr wird die Anzahl der durchgeführten Transplantationen – trotz der Eingebundenheit in den internationalen Organaustausch – entscheidend von der Anzahl der in Österreich akquirierten Spenderorgane bestimmt. Diesen Umstand veranschaulicht beispielhaft der Vergleich der Entwicklung der jährlichen Nierentransplantationsfrequenzen mit der Anzahl verfügbarer Spenderorgane (siehe Abbildung 1). Datengrundlage aller folgenden Tabellen und Abbildungen ist die von Eurotransplant geführte Dokumentation des Transplantationsgeschehens (ET-Dokumentation).

Die Verpflanzung solider Organe (insbesondere Niere, Leber, Herz, Lunge, Pankreas/Niere) wird zur Zeit an den Universitätskliniken in Graz, Innsbruck und Wien sowie im AKH Linz und im Krankenhaus der Elisabethinen in Linz durchgeführt. An den beiden letztgenannten Krankenanstalten existiert ausschließlich ein Nierentransplantationsprogramm. In den drei Universitätskliniken werden – allerdings mit stark unterschiedlicher Frequenz – alle in Frage kommenden Organe transplantiert (ausgenommen Pankreastransplantationen, die fast ausschließlich in Innsbruck und vereinzelt in Wien durchgeführt werden). 

Nierentransplantationen werden in Österreich seit 1965 durchgeführt.Lebertransplantationen werden seit 1977, kombinierte Pankreas-Nieren-Transplantation seit 1979 und Herztransplantationen seit 1983 vorgenommen. Die erste Lungentransplantation in Österreich erfolgte schließlich 1987.

2. Strukturen zur Organisation und Förderung des Transplantationswesens

Die Etablierung nationaler Organisationsformen und die zusätzliche Einbindung in internationale organisatorische Strukturen erwies sich für das österreichische Transplantationswesen als vorteilhaft. Zur Effizienz der Transplantationsprogramme leistet die häufig auch grenzüberschreitende Kooperation zwischen den Transplantationszentren einen wichtigen Beitrag. Nachstehend werden die aus österreichischer Sicht wichtigsten Organisationen vorgestellt. 

Austrotransplant

Österreichische Gesellschaft für Transplantation, Transfusion und Genetik

Zweck der Gesellschaft

Der Verein Austrotransplant – Österreichische Gesellschaft für Transplantation, Transfusion und Genetik wurde 1970 auf Initiative des damaligen Vorstands des Klinischen Instituts für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin am AKH Wien, Univ. Prof. Dr. Paul Speiser, gegründet. Der Verein mit Sitz in Wien erstreckt seine Tätigkeit auf das gesamte Bundesgebiet. Zweck dieser Gesellschaft ist es, in gemeinnütziger Weise wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der Transplantation, Transfusion und Genetik durchzuführen, zu koordinieren und zu fördern. Erreicht werden sollen diese Ziele durch:

  • Planung und Durchführung wissenschaftlicher Forschung;
  • Veranstaltung einer wissenschaftlichen Jahrestagung;
  • Veranstaltung wissenschaftlicher Sitzungen;-Dokumentation und Publikation wissenschaftlicher Daten. 
  • Weiters entsendet die Gesellschaft sechs Mitglieder in den Beirat des „Koordinationbüros für das Transplantationswesen“ (siehe unten). 

ÖBIG-Transplant 

Koordinationsbüro für das Transplantationswesen

Aufgaben und Ziele des Koordinationsbüros

Gesundheitspolitische Leitlinie von ÖBIG-Transplant ist die österreichweite Förderung des Transplantationswesens. Angestrebt wird sowohl die bedarfsgerechte Verteilung von Ressourcen und deren regelmäßige Verfügbarkeit als auch das Erreichen zielführender ökonomischer bzw. organisatorischer Rahmenbedingungen. 

Folgendes Funktions- bzw. Aufgabenspektrum soll von ÖBIG-Transplant abgedeckt werden:

  • Förderung des Organ- und Gewebeaufkommens;
  • Förderung des Informations- und Datenaustausches;
  • Dokumentation des österreichischen Transplantationsgeschehens;
  • Erstellung von Analysen und Durchführung von Planungsarbeiten;
  • Erarbeitung von Grundlagen für die Verhandlungsführung von Entscheidungsträgern im Transplantationsgeschehen;
  • Öffentlichkeitsarbeit. 

Trägerschaft und Organisationsstruktur des Koordinationsbüros

Das Koordinationsbüro für das Transplantationswesen wurde am Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) im Jahr 1991 als Projekt im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz, nunmehr Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, eingerichtet. 

Die Organisationsstruktur von ÖBIG-Transplant ist im Anhang dargestellt. Ein wesentliches Element dieser Organisationsstruktur ist der Transplantationsbeirat, in dem fachlich kompetente Vertreter der Ärzteschaft, der Patienten und der entscheidungsrelevanten Gebietskörperschaften sowie der Krankenversicherungsträger in beratender und mitbestimmender Funktion eingebunden sind. 

Eurotransplant Foundation (ET)

Die Eurotransplant Foundation (ET) wurde im Jahre 1967 gegründet und hat ihren Sitz in der niederländischen Stadt Leiden. Die Ziele dieser gemeinnützigen, den internationalen Organaustausch fördernden Organisation sind:

  • Für eine bestmögliche empfängerorientierte Verwendung von Spenderorganen und Spendergeweben Sorge zu tragen;
  • sicherzustellen, daß ein auf medizinischen Kriterien beruhendes, objektives Auswahlprinzip für den geeigneten Organempfänger gewährleistet ist;
  • anhand fortgeschriebener Daten und wissenschaftlicher Forschung, Einflußgrößen auf den Transplantationserfolg zu erarbeiten;
  • den Gedanken der Organspende zu verbreiten und Maßnahmen zur Vermehrung verfügbarer Spenderorgane zu unterstützen. 

Angeschlossen an die Eurotransplant Foundation sind die Transplantationszentren der Benelux-Staaten, der Bundesrepublik Deutschland und Österreichs. Darüber hinaus besteht eine enge Kooperation mit weiteren nationalen bzw. internationalen europäischen Transplantationsorganisationen (France Transplant, Scandia Transplant usw. )

Organisatorische und medizinische Fragestellungen werden in hierfür eingerichteten „Committees“, denen Experten aus allen Mitgliedsstaaten angehören, diskutiert. Die in diesen Ausschüssen erarbeiteten Vorschläge werden dem „Board of Management“, das als oberstes Leitungsgremium fungiert, zur Beschlußfassung vorgelegt. Dieses Gremium besteht aus neun gewählten Mitgliedern, wobei zwingend vorgeschrieben ist, daß in ihm alle Mitgliedsstaaten vertreten sind. 

Die Mitgliedschaft bei Eurotransplant erschließt Österreich die Vorteile eines größeren Spenderpools. So kann bei Nierentransplantationen, bei denen das Transplantatüberleben insbesondere von der Gewebeverträglichkeit abhängt, durch einen größeren Spenderpool die Wahrscheinlichkeit wesentlich erhöht werden, eine jeweils möglichst optimal geeignete Spenderniere zu finden. Im Falle von Herz- oder Lebertransplantationen werden Spenderorgane nicht selten binnen weniger Tage gebraucht. Auch hier erhöht ein größerer Spenderpool die Wahrscheinlichkeit, rechtzeitig ein geeignetes Organ zu erhalten. Andererseits ermöglicht es die internationale Zusammenarbeit, für eine im Inland nicht nutzbare Organspende in einem der Partnerländer eine unter Umständen lebensrettende Verwendung zu finden. 

3. Transplantationsfrequenzen und Spenderfrequenzen im internationalen Vergleich

Um einen internationalen Vergleich zu ermöglichen, werden die Transplantationsfrequenzen und gemeldeten Organspender pro Million Einwohner des Jahres 1996 den entsprechenden Zahlen der restlichen ET-Mitgliedsstaaten gegenübergestellt.

Abbildung 2 dokumentiert, daß Österreich, hinsichtlich der Spender- und Trans-plantationsfrequenzen pro Million Einwohner (mit Ausnahme der Pankreastransplantation) jeweils den ersten Rang einnimmt. Weiters ist zu erkennen, daß vor allem die nationalen Nierentransplantationsfrequenzen vom Spenderorganaufkommen im eigenen Land abhängen.

4. Informationen bezüglich der Wartelisten in Österreich

In der Folge wird gezeigt, welcher Anteil der seit 1990 auf eine Warteliste genommenen Patienten mit einem Transplantat versorgt werden konnte und wie viele Patienten aufgrund ihres vorzeitigen Todes von der Warteliste genommen werden mußten. 

Für die Nierentransplantation wird ausgewiesen, welche wahrscheinliche mittlere Wartezeit Dialysepatienten, die im Zeitraum zwischen 1.1.1985 und 30.6.1995 auf eine Warteliste gesetzt worden sind, bis zur Nierentransplantation in Kauf nehmen mußten (unter mittlerer Wartezeit wird jener Zeitraum verstanden, innerhalb dessen 50 Prozent der für eine Transplantation vorgemerkten Patienten zu einer Ersatzniere gelangen). Herz-, Leber- und Lungentransplantationen betreffen in der Regel Patienten mit anderenfalls sehr begrenzter Lebenserwartung, was eine möglichst rasche Durchführung der Organverpflanzung bedingt. Die Berechnung der Wartezeit für dieses Patientenkollektiv ist deshalb wenig aussagekräftig und wurde nicht durchgeführt.

Patientendynamik auf den Wartelisten

Nachfolgend werden die Bewegungen auf den Wartelisten für die quantitativ bedeutsamsten Organe (Niere, Leber und Herz) im Zeitraum zwischen 1. Jänner 1990 und 30. Juni 1995 dargestellt. Dabei wird die in diesem Zeitraum insgesamt auf die jeweilige Warteliste gesetzte Anzahl der Patienten in die Teilmengen der inzwischen mit einem Transplantat versorgten Patienten, der noch vor der in Aussicht gestellten Transplantation verstorbenen Patienten, der aus „anderen Gründen“ von der Warteliste genommenen Patienten und der weiterhin auf der Warteliste befindlichen Patienten aufgegliedert.

Patientenkollektiv Nierentransplantation Lebertransplantation Herztransplantation
im Zeitraum von 1. 1. 1990 bis 30. 6. 1995 insgesamt auf der Warteliste 100%
n = 2612
100%
n = 641
100%
n = 842
mit Transplant versorgt 53% 68% 54%
auf Warteliste verstorben 7% 18% 22%
aus "anderen Gründen" von Warteliste genommen 5% 6% 9%
ohne Angabe 2% - -
derzeit auf Warteliste befindlich 33% 8% 15%

Tab. 1: Patientendynamik auf den Wartelisten für Nieren-, Leber- und Herztransplantationen im Zeitraum 1. 1. 1990 bis 30. 6. 1995

Wartedauer auf eine Nierentransplantation

Die wahrscheinliche Wartedauer wurde mit der Kaplan-Meier-Methode berechnet (Clinical Transplants 1994). Grundsätzlich ist zwischen der mittleren und der durchschnittlichen Wartedauer zu unterscheiden. Die mittlere Wartedauer gibt – wie bereits weiter oben angeführt – die Zeitspannen an, innerhalb derer 50 Prozent der für eine Transplantation vorgemerkten Patienten zu einem Ersatzorgan gelangen. Die durchschnittliche Wartedauer wird aus den Wartezeiten aller vorgemerkten Patienten abgeleitet und liegt – vor allem bedingt durch sogenannte „Ausreißer“ (Patienten, für die ungewöhnlich lang kein geeignetes Ersatzorgan aufzutreiben ist) – merklich höher als die mittlere Wartedauer.

Für Patienten, die im Zeitraum zwischen 1.1.1985 und 30.6.1995 auf die Warteliste für Nierentransplantationen gesetzt wurden, betrug die wahrscheinliche mittlere Wartedauer bis zum Transplantationstermin 13,8 Monate und die wahrscheinliche durchschnittliche Wartedauer 20,9 Monate.

5. Wartelisten im internationalen Vergleich

Die Anzahl der auf eine Transplantation wartenden Patienten unterliegt im Laufe eines Jahres Schwankungen. Aus diesem Grund kann der Wartelistenstand nur zu einem bestimmten Stichtag erfaßt werden. Dieser Stichtag ist in der folgenden Abbildung der 31. Dezember.

Österreich verfügt im internationalen Vergleich pro Million Einwohner über die umfangreichste Nieren- und Herzwarteliste. Augenscheinlich ist, daß sich in den Niederlanden auf der Nierenwarteliste pro Million Einwohner deutlich weniger, in Österreich auf der Herzwarteliste deutlich mehr Patienten befinden.

Anschrift der Autoren:

Dr. Thomas Schuster, D. I. Manfred Willinger
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