Zum Umfang des Kontrahierungszwangs des Apothekers

Imago Hominis (2008); 15(2): 147-153
Martin Schauer

Zusammenfassung

Die Aufgaben des Apothekers umfassen zahlreiche Verpflichtungen, die in ebenso zahlreichen Gesetzen normiert sind. Unter anderem besteht auch ein Kontrahierungszwang für diese Berufsgruppe. Dieser Kontrahierungszwang findet seine Begründung sowohl im allgemeinen bürgerlichen Recht als auch in öffentlich rechtlichen Vorschriften. Nunmehr wurde der Umfang dieses Kontrahierungszwangs einer Analyse unterzogen, die beweist, dass dieser nicht uneingeschränkt besteht.

Schlüsselwörter: Apothekenrecht, Arzneimittelbegriff, Grundrechte, Kontrahierungszwang, Recht auf Eigentum

Abstract

The duties of pharmacists include many commitments, which are standardised in many laws. Among these is the obligation to enter into a contract. This obligation is constituted by civil law as well as by public law. The range and impact of this obligation has been analysed and in this article, which demonstrates that the obligation to enter into a contract is not an absolute one.

Keywords: Law of pharmacists, Legal definition of pharmaceuticals, Human Rights, Obligation to enter into a contract, Right of ownership



Der Kontrahierungszwang des Apothekers steht im Mittelpunkt der nachfolgenden Überlegungen. Diese aufgrund der Kürze schlaglichtartige Untersuchung versucht in Form eines Diskussionsbeitrages, den Umfang und die Grenzen dieser Verpflichtung auszuloten und gleichzeitig rechtspolitische Fragen aufzuwerfen.1

A) Der Kontrahierungszwang nach bürgerlichem Recht

Innerhalb der österreichischen Rechtsordnung ist vom Grundsatz der Privatautonomie auszugehen. Dieser erlaubt es, prinzipiell mit jedermann und zu jeden vereinbarten Bedingungen Verträge abzuschließen oder einen solchen Abschluss aus welchen Gründen auch immer zu verweigern. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes wird nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Kauf genommen, so etwa im Falle monopolartiger Betriebe, denen Kontrahierungszwänge zu angemessenen Bedingungen auferlegt werden. Dies wird dem Verkehr jedoch nur in solchen Fällen zugemutet, in denen die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern oder Leistungen zu sichern ist und in denen die ungleichen Machtverhältnisse zwischen Anbietern und Nachfragenden nicht anders ausgleichbar sind, oder aber die Verweigerung des Vertragsabschlusses einen Schaden eintreten ließe. Neben dieser Vielzahl durch Rechtssprechung und Lehre entwickelten Fallkonstellationen werden Kontrahierungszwänge insbesondere auch durch Gesetz selbst2 bestimmten Unternehmungen auferlegt.3

Für den Apotheker bedeutet dies, dass ihn aufgrund seiner monopolartigen Stellung schon aufgrund des bürgerlichen Rechts ein Kontrahierungszwang trifft, jedoch nur so weit als dies zur Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern notwendig ist oder aber die Verweigerung der Verabreichung beziehungsweise des Verkaufes eines Arzneimittels beim Patienten einen Schaden eintreten ließe.4

Des Weiteren verpflichtet § 2 Abs. 1 Apothekergesamtvertrag den Apotheker Heilmittel auf Rechnung eines Krankenversicherungsträgers abzugeben, wenn ein für einen Krankenversicherungsträger gültiges Rezept vorliegt. Insofern besteht also für den Apotheker ein Kontrahierungszwang qua vertraglicher Vereinbarung aufgrund des Apothekergesamtvertrages.

Der Apothekergesamtvertrag regelt die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenversicherungsträgern und den Apothekern. Der Vertragsabschluss erfolgt nicht mit jedem einzelnen Apotheker, sondern von Seiten der Krankenversicherungsträger durch den Hauptverband der Sozialversicherungsträger und von Seiten der Apotheker durch die Apothekerkammer und ist für die Apotheker gemäß § 348a Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) ohne den Abschluss von Einzelverträgen und ohne gesonderte Zustimmungs- oder Beitrittserklärung wirksam. Aufgrund dieses Vertrages übernehmen die Apotheker die Sachleistungspflicht der Krankenversicherungsträger.5

Bezüglich der Heilmittel besagt § 136 Abs. 1 ASVG grundlegend: „Die Heilmittel umfassen a) die notwendigen Arzneien und b) die sonstigen Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen.“ Zur Kostenübernahme anderer Arzneimittel – so etwa auch der so genannten „Anti-Baby Pille“ – sind daher die Krankenversicherungsträger gesetzlich nicht verpflichtet, und aus diesem Grund stößt auch hier der Kontrahierungszwang des Apothekers aufgrund des Gesamtvertrages an seine Grenzen.

B) Der öffentlich-rechtliche Kontrahierungszwang des Apothekers

Der Betrieb von Apotheken und die daraus erwachsenden Verpflichtungen sind durch eine Vielzahl von Rechtsvorschriften geregelt, deren Erörterung den Rahmen dieser Untersuchung überschreiten würde, daher findet folglich eine Einschränkung der untersuchten Normen unter dem Aspekt der Ergebnisrelevanz statt.

Die besondere Rechtsstellung der Apotheken und der daraus erwachsenden Verpflichtungen innerhalb der wirtschaftlich tätigen Unternehmen statuierte bereits der historische Gesetzgeber des Apothekengesetzes 1906, indem er erwähnte, dass eine Apotheke nicht irgendein Wirtschaftsbetrieb mit dem primären Zweck der Gewinnmaximierung sei, sondern auch eine Anstalt, die den sanitären Interessen der Allgemeinheit zu dienen habe und der Apotheker ein Organ der öffentlichen Sanitätspflege sei und ihn daher auch besondere Pflichten träfen.6

Im Zentrum des Betriebes von Apotheken steht folglich auch nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vor allem das öffentliche Interesse an einer raschen und ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln.7 Diesem Zweck dient unter anderem die in § 13 Apothekengesetz statuierte Betriebspflicht für Apotheken. Demgegenüber findet sich im Apothekengesetz selbst jedoch keine Verpflichtung des Apothekers zum Vertragsabschluss über die Abgabe von Arzneimitteln im Sinne des oben dargelegten gesetzlichen Kontrahierungszwanges.

Gemäß § 1 Abs. 1 Apothekenbetriebsordnung obliegt den öffentlichen Apotheken die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. In dieser Formulierung könnte die normative Umschreibung des Kontrahierungszwanges – mittels Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen – für Apotheker gesehen werden.

Im Folgenden wird vor allem diese Regelung einer genaueren rechtlichen Analyse unterzogen, die es jedoch notwendig macht, zunächst einige Vorbemerkungen zum verfassungsrechtlichen Schutz der Privatautonomie voranzustellen.

C) Das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Eigentum

Die österreichische Verfassungsordnung schützt das Recht jedes Menschen auf sein Eigentum durch zwei Bestimmungen. So enthalten sowohl Artikel (Art.) 5 Staatsgrundgesetz (StGG) als auch Art. 1 1. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (ZProtEMRK), Eigentumsgarantien, wobei das 1. Zusatzprotokoll zur Menschenrechtskonvention ebenfalls in Verfassungsrang gehoben wurde. Beide Normen stehen daher im Stufenbau der österreichischen Rechtsordnung an der Spitze, was wiederum bedeutet, dass sich alle Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsakte in Übereinstimmung mit diesen befinden müssen, da sie im gegenteiligen Fall verfassungswidrig wären und durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden könnten.8

Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Überlegungen seien beide Gesetzesstellen – wobei Art. 1 1. ZProtEMRK nur auszugsweise in seiner Relevanz – wiedergegeben:

Staatsgrundgesetz

Artikel 5
Das Eigenthum ist unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigenthümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt.

1. Zusatzprotokoll zur Menschenrechtskonvention

Artikel 1 – Schutz des Eigentums
Jede natürliche oder juristische Person hat ein Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, daß das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen.

Der Schutzzweck beider Normen besteht in der Garantie, dass durch die österreichische Rechtsordnung nur in Ausnahmefällen eine Enteignung oder Eigentumsbeschränkung vorgenommen werden darf. So umfasst der Schutzbereich dieser Grundrechte nicht nur Eigentümerrechte im engeren Sinn, sondern alle vermögenswerten Privatrechte wie zum Beispiel Urheberrechte, Patentrechte und Bebauungsrechte, um nur einige zu nennen.9

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird durch Art. 5 StGG und durch Art. 1 1. ZProtEMRK auch die Privatautonomie, also das Recht zum Abschluss oder auch Nichtabschluss privatrechtlicher Verträge verfassungsgesetzlich geschützt.

Der Verfassungsgerichtshof legte in seiner Judikatur zu diesem Problemfeld den Grundsatz fest, dass ebenso wie ein gesetzgeberischer Akt, der ein bestimmtes Rechtsgeschäft über ein vermögenswertes Privatrecht im Einzelfall unmöglich macht, in das Eigentumsrecht eingreift,10 auch eine Norm, die zum Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages verpflichtet,11 einen Eingriff in das Eigentumsrecht seiner Normadressaten darstellt, da sich die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung – so der Verfassungsgerichtshof – auf alle privaten Vermögensrechte erstreckt und damit auch auf das Recht zum Abschluss privatrechtlicher Verträge. Ein hoheitlicher Akt darf demzufolge – unabhängig davon, ob er den Abschluss bestimmter Verträge verhindert oder umgekehrt dazu zwingt – in die Privatautonomie ausschließlich unter jenen Voraussetzungen eingreifen, die die Verfassungsordnung ganz allgemein für die Zulässigkeit von Eigentumseingriffen statuiert.12

Sowohl Art. 5 StGG als auch Art. 1 1. ZProtEMRK beinhalten einen Gesetzesvorbehalt, der sich bei Art. 5 StGG aus der Wendung „Eine Enteignung gegen den Willen des Eigenthümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt“ und bei Art. 1 1. ZProtEMRK „Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, daß das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen“ ergibt. Der Unterschied besteht darin, dass es sich bei Art. 5 StGG um einen so genannten formellen Gesetzesvorbehalt handelt, wohingegen Art. 1 1. ZProtEMRK einen materiellen Gesetzesvorbehalt statuiert. Diese für die Rechtswissenschaften bedeutsame Unterscheidung soll an dieser Stelle keiner eingehenden Analyse unterzogen werden, da sie in diesem Zusammenhang keine Ergebnisrelevanz besitzt. Festzuhalten bleibt lediglich, dass aufgrund dieser Gesetzesvorbehalte der Gesetzgeber in das Grundrecht auf Eigentum entweder unmittelbar durch Gesetz oder mittelbar durch Verwaltungsakt nur dann eingreifen kann,13 sofern die verfassungsrechtlichen Bedingungen dafür erfüllt sind.14

Der Verfassungsgerichtshof hat im Laufe seiner Judikatur Kriterien entwickelt, bei deren Vorliegen es dem Gesetzgeber erlaubt ist, in das Grundrecht auf Eigentum einzugreifen, und hat damit aber auch gleichzeitig die Grenzen der Eingriffsmöglichkeit beschrieben.

So kann der Gesetzgeber aufgrund des Gesetzesvorbehaltes zu Art. 5 StGG und Art 1 1. ZProtEMRK verfassungsrechtlich einwandfreie Eigentumsbeschränkungen und Enteignungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt.15 Des Weiteren muss die Eigentumsbeschränkung oder der gänzliche Entzug des Eigentums im öffentlichen Interesse liegen16 und darf nicht unverhältnismäßig17 sein.

Zusammenfassend sei somit festgehalten, dass aufgrund der Verfassungsjudikatur nachstehende Bedingungen für einen zulässigen gesetzlichen Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum erfüllt sein müssen:

  1. Die gesetzliche Regelung muss ausreichend determiniert sein; das heißt Umfang und Grenzen des Eingriffs müssen genau umschrieben sein.
  2. Der Eingriff in das Grundrecht muss im öffentlichen Interesse liegen.
  3. Die Einschränkung des Grundrechts muss verhältnismäßig sein; darf also die belastete Person oder Personengruppe nicht unverhältnismäßig im Vergleich zum angestrebten Zweck des Eingriffs belasten.

D) Anmerkungen zum Arzneimittelbegriff

Wie bereits zuvor erwähnt obliegt den öffentlichen Apotheken gemäß § 1 Abs. 1 Apothekenbetriebsordnung18 die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Eine umfassende Definition, deren Erweiterung und Konkretisierung das Gesetz in weiterer Folge vornimmt, findet sich zunächst einmal in § 1 Abs. 1 Arzneimittelgesetz. Danach sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper

  1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen,
  2. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
  3. vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen,
  4. Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder
  5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.

Ausgenommen vom Arzneimittelbegriff sind gemäß § 1 Abs. 3 Arzneimittelgesetz jedenfalls Lebensmittel, kosmetische Mittel, sofern ihre Anwendung und Wirkung auf den Bereich der Haut und ihre Anhangsgebilde und der Mundhöhle beschränkt sind, Tabakerzeugnisse, Futtermittel, Produkte aus einem natürlichen Heilvorkommen, sofern nicht deren Zusammensetzung durch die Beifügung von Stoffen mit Einfluss auf die Wirksamkeit verändert wurde, oder aufgrund der Wissenschaften auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch unerwünschte Wirkungen beim Menschen zu erwarten sind, Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die ausschließlich prophylaktischen Zwecken dienen, um Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen, sofern ihre Anwendung und Wirkung auf die gesunde Haut und deren Anhangsgebilde beschränkt sind und sofern sie nicht zur Anwendung am Patienten vor operativen oder anderen medizinischen Eingriffen, die eine Desinfektion der Haut voraussetzen, bestimmt sind, und viele andere Produkte mehr, deren Aufzählung an dieser Stelle jedoch vernachlässigbar erscheint.

Festzuhalten bleibt letztendlich, dass das Arzneimittelgesetz von einem umfassenden Arzneimittelbegriff ausgeht. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass der österreichische Gesetzgeber zunächst vor der Beschlussfassung dieses Gesetzes einen engeren Arzneimittelbegriff vorgesehen hätte, der aufgrund des Vorschlages des Ausschusses für Gesundheit und Umweltschutz jedoch in der heute bestehenden Fassung geändert wurde. Nach der ursprünglichen Version sollten als Arzneimittel nur jene Mittel gelten, die zu einer Beeinflussung „im überwiegend medizinischen Sinn“ führen. Daher wären vom Arzneimittelbegriff insbesondere Mittel ausgenommen gewesen, die der Auslösung von Euphorie, der Steigerung der sexuellen Potenz, der Stärkung der Muskulatur (Anabolika), der Bräunung der Haut – sofern sie oral einzunehmen sind – oder der Verhütung der Schwangerschaft aus nicht medizinischen Gründen dienen.19 Nunmehr ist auch diese Fülle an Medikamenten unter den Begriff „Arzneimittel“ zu subsumieren.20

E) Zur Frage des öffentlichen Interesses

Mittlerweile gilt es als gesicherte Annahme, dass der Gesetzgeber auch bei der Verfügung bloßer Eigentumsbeschränkungen, wie sie etwa auch der Kontrahierungszwang darstellt, an das Vorliegen eines öffentlichen Interesses gebunden ist. Herrschende Ansicht der Rechtsprechung und Lehre ist es jedoch auch, dass bei der Beurteilung, was im öffentlichen Interesse liegt, der gesetzgeberische Spielraum größer ist als bei der gänzlichen Eigentumsentziehung. Dies ergibt sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, da der Entzug des Eigentums verhältnismäßig schwerer wiegt als seine Beschränkung. Dennoch bildet die Balance zwischen dem Allgemeininteresse und das Verhältnis zwischen dem durch den Gesetzgeber angestrebten Ziel und den für die Zielerreichung eingesetzten Mitteln den zentralen Beurteilungsmaßstab.21

Nunmehr stellt sich die Frage, ob es tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist, die Bevölkerung umfassend mit allen Arzneimitteln zu versorgen, die als solche vom Arzneimittelgesetz definiert sind?

Im Zentrum der Rechtfertigung von Eigentumsbeschränkungen steht das Allgemeininteresse. Prinzipiell liegt es beim Gesetzgeber, dieses festzulegen. Dennoch muss bezweifelt werden, dass ein allgemeines Interesse an der Versorgung der Bevölkerung beispielsweise mit Anabolika, Bräunungsmitteln oder potenzsteigernden Medikamenten besteht.

Die zentrale Aufgabe heilender Berufe ist es, physisches und psychisches Leiden zu mildern und Schmerzen – so weit dies möglich ist – zu lindern. Diese Überlegung steht auch zunächst im Zentrum apothekerischen Handelns, das die pharmazeutischen Mittel zur bestmöglichen Erfüllung dieser Aufgaben den Patienten zur Verfügung stellen muss. In diesen Bereichen lässt sich der Kontrahierungszwang des Apothekers auch rechtfertigen, denn nur hier besteht ein öffentliches Interesse an der Abgabepflicht beziehungsweise die Gefahr des Schadeneintrittes nach den Prämissen des bürgerlichen Rechts und damit auch des Obersten Gerichtshofes. Es ist mir daher unverständlich, warum der österreichische Gesetzgeber die tatbestandsmäßige Voraussetzung der medizinischen Indikation zur Qualifizierung eines Produkts als Arzneimittel ersatzlos gestrichen hat.

Festzuhalten bleibt, dass meines Erachtens das öffentliche Interesse an der Versorgung der Bevölkerung mit allen Arzneimitteln, die nach österreichischem Recht als solche gelten, verneint werden muss. Hier sei der österreichische Gesetzgeber angehalten, Klarheit zu schaffen, um nicht Gefahr zu laufen, dass ein überschießender Kontrahierungszwang verfassungsrechtliche Verstöße aufgrund mangelnder Determinierung beziehungsweise aus dem Grund des mangelnden öffentlichen Interesses impliziert.

F) Resümee

Der Kontrahierungszwang des Apothekers erscheint schon bei einer rudimentären Hinterfragung in seiner Absolutheit zweifelhaft. Gesichert ist letztendlich nur, dass dieser jedenfalls für Arzneimittel besteht, die aufgrund medizinischer Indikation vom Patienten dringend benötigt werden. Es wäre daher meines Erachtens geboten und wünschenswert, dass klare Regelungen gesetzgeberisch statuiert werden, die vor allem für den Berufsstand der Apotheker Rechtssicherheit über den Umfang ihrer Kontrahierungspflichten schaffen würden. Die derzeitige Rechtssituation mag unter diesem Aspekt als unzulänglich bezeichnet werden.

Referenzen

  1. Die oben angeführte Fragestellung würde eine sehr viel umfangreichere Untersuchung intendieren, die in ihrem Ergebnis jedoch nicht von dem vorliegenden wesentlich abweichen würde.
  2. So etwa im Eisenbahnbeförderungsgesetz, Luftfahrtgesetz oder auch im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz.
  3. Vgl. Hackl, Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang im deutschen, im österreichischen und im italienischen Recht (1980) 68 ff
    Rummel in Rummel, Kommentar zum ABGB I3 (2000) § 861 Rz 10 ff
    Koppensteiner, Kontrahierungszwang und Geschäftsverweigerung, ÖBl (2007) 100
    6 Ob 187/99i
    5 Ob 129/02k
    3 Ob 221/04b
  4. Vgl. Feigl, Das Apothekenunternehmen – Rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht, Errichtung, Betrieb und Übergang öffentlicher Apotheken als Einzelunternehmen oder als Gesellschaft, Österreichische Apotheker-Verlagsgesellschaft m. b. H. (1987) 67 ff
  5. Vgl. Ulrich, Einführung in die pharmazeutische Gesetzeskunde (1997) 129 f
  6. Vgl. Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses VII. Session 1903
    Puck, Die Prüfung des Bedarfes bei öffentlichen Apotheken, FS Winkler (1997) 216
  7. Vgl. VfSlg. 13328, 15103
  8. Das nähere Verfahren über die Aufhebung von generellen Rechtsnormen interessiert an dieser Stelle nicht.
  9. Vgl. Berka, Die Grundrechte: Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich (1999) Rz 712 ff
  10. Vgl. VfGH 22. 06. 1989, B1160/88, VfSlg 5149, 5683, 7538, 9014, 9913, 12.227, 14.500, 14.503
  11. So etwa auch alle Formen des Kontrahierungszwangs.
  12. Vgl. Fröhler/Oberndorfer, Das Wirtschaftsrecht als Instrument der Wirtschaftspolitik, 1969, S. 15 ff
    Korinek, Die Beschränkung der Privatautonomie durch Wirtschaftsgesetze, JBl. 1982, S. 29
    Wenger, Grundriss des österreichischen Wirtschaftsrechts, 1989, Rz 302 ff
    VfSlg 1523, 1542, 4010, 6780, 7160, 8201, 9189, 9392, 9887, 10409, 12227, 12998
  13. Vgl. Mayer, B-VG4 (2007) Art. 5 StGG III.1
  14. Vgl. Berka, Die Grundrechte: Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich (1999) Rz 730. Bezugnehmend auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 1123/1928
  15. Vgl. VfSlg. 9189
  16. Vgl. VfSlg. 9911, 11402, 12227
  17. Vgl. Mayer, B-VG4 (2007) Art. 5 StGG III.3
    VfSlg. 13587, 13659, 13964
  18. „Der öffentlichen Apotheke obliegt die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung […]“.
  19. Vgl. 1480 der Beilage u den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XV. GP 2
  20. Vgl. dazu grundlegend und unfassend: Zeinhofer, Der Begriff des Arzneimittels und seine Abgrenzung von anderen Produktkategorien (2007) 99 ff
  21. Vgl. statt vieler: Korinek, Art 5 StGG, in: Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Kommentar (Loseblattausgabe) (7. Lieferung 2005) Rz 38
    Korinek, Art 5 1. ZPEMRK, in: Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Kommentar (Loseblattausgabe) (7. Lieferung 2005) Rz 14 ff

Anschrift des Autors:

Mag. Dr. Martin Schauer
Johannes Kepler Universität Linz
Institut für Staatsrecht und Politische Wissenschaften
Altenbergstraße 69, A-4040 Linz
Martin.Schauer(at)jku.at

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: