Primärprävention als Anliegen der Gesundheitspolitik
Zusammenfassung
Die demographische Entwicklung und der Wandel des Krankheitspanoramas mit einer deutlichen Dominanz lebensstilbedingter Zivilisationskrankheiten, machen auch einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik erforderlich. Gesundheitsförderung und Prävention werden im Sinne einer gesundheitspolitischen Neuorientierung dringender denn je. Daher wurde eine Gesundheitsförderungsbewegung ins Leben gerufen, die im Alltag präsent ist und die Menschen daran erinnern soll, dass mit ganz kleinen Schritten im täglichen Leben schon ein großer Nutzen für die Gesundheit erzielt werden kann. Als Markenzeichen für Gesunden Lebensstil wurde die Überwindung des sprichwörtlichen „inneren Schweinehundes" (iSch) gewählt, der uns oft von gesunden Dingen abhalten will. Die angestrebten Verhaltensänderungen müssen immer im Zusammenhang mit den Lebensverhältnissen gesehen werden. Eine der Stärken der Österreichischen Gesundheitsförderung liegt im „Setting-Ansatz" und den damit verbundenen Netzwerken. Im Gesundheitssektor hat Primärprävention bereits einen hohen Stellenwert. Was wir brauchen ist eine gesundheitsfördernde Gesamtpolitik.
Schlüsselwörter: Primärprävention, Gesundheitsförderung, Gesundheitsbewusstsein individuell, Fonds "Gesundes Österreich"
Abstract
Due to the demographic development on the one hand and the shift in patterns of health and disease towards a dominance of lifestyle and health behaviour related non communicable diseases on the other hand, we need a change of paradigm in public health policies. In the sense of reorientation of health policies we have to focus on health promotion and prevention. That is why we have started a health promotion campagne with the purpose of being omnipresent in peoples lives, urging everybody at any time to be concious of the fact, that everyone can improve one‚s own health step by step. To do so, we established a trade mark, the „innerer Schweinehund – iSch", which stands for to conquer one‚s weaker self the „inner lazy dog" or sluggishness towards health, which has to be overcome. Noting that conditions in which people live as well as their lifestyles influence their health, we have also to take into account to create a conductive environment for healthy lifestyles. Therefore health promotion in settings and the health promoting networks are another important strategy in the Austrian health promotion policy. There is already great emphasis within the health sector to act on prevention. What we need is a health promoting general policy.
Keywords: Primary Prevention, Public Support, Health Promotion, Individual Concern for Personal Health, Funds "Healthy Austria"
Primärprävention
Sie umfasst alle spezifischen Aktivitäten und Maßnahmen vor Eintritt einer fassbaren biologischen Schädigung. Sie richtet sich also an die noch gesunde Bevölkerung und deren Alltagsleben. Gesundheitspolitisches Ziel der Primärprävention ist es, die Neuerkrankungsrate (Inzidenzrate) einer Erkrankung in einer Population oder die Eintrittswahrscheinlichkeit bei einem Individuum zu senken.
Man kann die Mehrheit der Präventionskonzepte grob in zwei Gruppen teilen: die individuumsbezogenen Konzepte der Beratung, Belehrung und Behandlung und die soziale Prävention (Community-Ansätze), die auf die Gesundheitsbedingungen gesellschaftlicher Gruppen oder Institutionen ausgerichtet sind. Beide Herangehensweisen haben ihre Berechtigung je nach dem zu lösenden Problem.
Zur Verlängerung der Lebenserwartung seit Beginn der Industrialisierung haben „gemeindebezogene“ Strategien (nach den allgemein verbesserten Lebensbedingungen) weit mehr beigetragen. Die heute dominierenden nichtinfektiösen Krankheiten sind davon zwar gänzlich verschieden, allein die geringen Heilungschancen der Individualmedizin verweisen hier auf die Bedeutung und Notwendigkeit der Prävention.
Der Einfluss von Umwelt und Lebensbedingungen auf die Morbidität der Bevölkerung
In entwickelten Industrieländern wurden Verhältnisse geschaffen und Verhaltensweisen begünstigt, deren Folge ein grundlegender Wandel des Krankheitspanoramas ist, das heute maßgeblich von den sogenannten Zivilisationskrankheiten geprägt wird. Etwa drei Viertel aller Todessursachen in Österreich entfallen auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.
Der überwiegende Teil chronischer Erkrankungen, die unser Gesundheitswesen finanziell stark belasten, ist lebensstilbedingt. Dies trifft vor allem auf Erkrankungen des Bewegungsapparates und des Herzkreislaufsystems zu, aber auch auf Zigarettenrauchen, Bewegungsmangel, Alkoholismus, Drogen- und Medikamentenabhängigkeiten. Trotz bemerkenswerter medizinisch-technischer und pharmakologischer Fortschritte stößt die kurative Medizin an ihre Grenzen. Dies vor allem deshalb, weil sie in ihren Ansätzen vorwiegend darauf ausgerichtet ist, eine bereits vorliegende Krankheit zu diagnostizieren und zu therapieren. Die Ursachen für diese Erkrankungen liegen vielfach im individuellen Verhalten und der „sozialen“ Umwelt, manchmal wohl auch aggraviert durch genetische Faktoren.
Erfreulicherweise werden die Menschen in Österreich heute immer älter. Doch hängt ihre Lebensqualität im Alter maßgeblich davon ab, wie gesund sie sind. Die Medizin kann dazu nur einen begrenzten Beitrag leisten, und der ist sehr teuer. Es hängt deshalb maßgeblich vom Lebensstil und den Lebensverhältnissen der Menschen ab, wie gesund sie älter werden.
Zivilisationskrankheiten werden heute mehr und mehr zum zentralen Problem im Gesundheitswesen. Sie belasten sowohl den Einzelnen als auch die Solidargemeinschaft. Demographische Entwicklung und medizinischer Fortschritt üben einen enormen Kostendruck aus.
Da die heute dominierenden chronischen Krankheiten gerade durch einen längerfristigen, teilweisen symptomarmen Verlauf gekennzeichnet sind, greifen Maßnahmen zu kurz, die erst einsetzen, wenn häufig bereits irreversible Schäden vorliegen.
Vorsorgen ist besser als heilen!
Diese Volksweisheit ist zwar jedem bekannt, doch fand sie im medizinischen Alltag bisher verhältnismäßig wenig Resonanz. Obwohl allgemein anerkannt ist, dass Krankheitsverhütung und Gesundheitsförderung wesentliche Aufgaben der Gesundheitspolitik sind, fließt auch heute noch ein überwiegender Teil der Ausgaben im Gesundheitswesen in die kurative Medizin.
Ein Gesundheitssystem, das die Reparatur vor den Erhalt der Gesundheit stellt, wird stets vergeblich gegen die Kostenexplosion kämpfen. Angesichts dieser Erkenntnisse werden Gesundheitsförderung und Prävention im Sinne einer gesundheitspolitischen Neuorientierung dringender denn je. Eine Gesundheitsreform wird nur dann diese Bezeichnung verdienen, wenn sie sich auf die Förderung von Gesundheit und Prävention von Krankheit bezieht.
Risikofaktoren und -konstellationen, die häufig im Zusammenwirken krank machen, sind überaus vielschichtig und der kurativen Medizin oft nur eingeschränkt zugänglich. Sie reichen nämlich vom individuellen Verhalten (Ernährung, Bewegung, Rauchen, ..), den sozialen Bedingungen (Bildung, Einkommen, familiäre Situation, Wohnverhältnisse, ..), den Arbeitsbedingungen (Lärm, Stress, Schadstoffbelastung, Mobbing, ..) bis hin zur ökologischen Umgebung (Luftverschmutzung, ..).
Vielfach konzentrieren sich Präventionsmaßnahmen weitgehend auf die Beeinflussung dessen, was als „Lebensstil“ bezeichnet wird. Lebensstilzentrierte Prävention fokussiert in der Regel auf jene Risikofaktoren, die als hauptverantwortliche Ursachen für die verlorenen potenziellen Lebensjahre genannt werden: Tabak, Bewegungsarmut, Alkohol, Fehl- oder Überernährung und Stress.
Grenzen des individuellen Bemühens um Gesundheitsförderung
Allerdings steht Gesundheit nicht vollständig unter personaler Kontrolle des Individuums. Der Einzelne kann somit nicht allein für seine Gesundheit verantwortlich gemacht werden. Die weite Verbreitung von Krankheiten, deren Entwicklung durch die Lebensführung, durch gesellschaftliche Belastungen und Spannungen mit beeinflusst werden, zeigt uns, dass neben der personalen Kontrolle über die Gesundheit auch andere Einflussfaktoren zu berücksichtigen sind. Familie, Schule, Arbeitsplatz und Wohngemeinde sowie andere gesellschaftliche Institutionen prägen jene Handlungen und Einstellungen wesentlich mit, die der Gesundheit förderlich oder abträglich sind. Es ist daher konsequent, die zur Verhütung von Krankheiten eingesetzten Strategien über die individuelle Verantwortung hinaus auch auf diese gesellschaftlichen Institutionen zu übertragen. Gesundheitsförderung und Primärprävention sind heute mehr denn je als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu betrachten.
Dessen ungeachtet ist jedoch auch jeder Einzelne verantwortlich, sich um sich selbst zu sorgen und – wenn nötig – um angemessene professionelle Hilfe zu bemühen. Es braucht Anreize, Programme, Hilfestellungen von kooperativen Gesundheitsexperten, die ihm ermöglichen Schritt für Schritt die Eigenverantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen.
Es ist nie zu spät, den ersten Schritt zu tun! Unter diesem Motto steht die jüngste Bewegungskampagne des Fonds „Gesundes Österreich“, die von meinem Ressort unterstützt wird.
Mit dem aktiven Beginn einer Lebensstiländerung wird Eigenverantwortung übernommen, um die beeinflussbaren persönlichen Risikofaktoren zumindest zu reduzieren. Für den einen heißt Lebensstiländerung, seine Ernährung umzustellen, für den anderen nicht mehr zu rauchen, sich mehr zu bewegen und auch weniger oft und weniger schnell mit dem Auto zu fahren. Ein Dritter sieht seine Lösung darin, sich möglichst frei von negativem Stress zu machen und seine bisherige Belastung im Beruf oder anderswo, zu reduzieren. Die Erhaltung oder Verbesserung der Lebensqualität hat dabei höchste Priorität. Nicht der Arzt ist für die Gesundheit verantwortlich. Er kann nur die eingetretenen Gesundheitsstörungen behandeln. Für die Behandlung der Ursachen ist jeder ganz persönlich zuständig.
Daten aus der Meinungsforschung zeigen, dass sich die österreichische Bevölkerung gut über gesundheitsrelevante Themen informiert fühlt, viele Menschen aber leider nicht danach handeln. Das Wissen um gesunde Verhaltensweisen ist die eine Sache, das tatsächliche Tun die andere. Ich glaube, dass diese Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln nur überbrückt werden kann, wenn es Spaß macht und schick ist, gesund zu leben. Daher habe ich eine Gesundheitsförderungsbewegung ins Leben gerufen, die im Alltag präsent ist und die Menschen daran erinnern soll, dass mit ganz kleinen Schritten im täglichen Leben schon ein großer Nutzen für die Gesundheit erzielt werden kann. Als Markenzeichen für die Gesundheitsreform haben wir den sprichwörtlichen „inneren Schweinehund“ (iSch) gewählt, der uns so oft von gesunden Dingen abhalten will, den wir aber mit ein paar Tipps und Tricks leicht in den Griff bekommen können.
Der „innere Schweinehund“
Er steht für jenes Prinzip, das uns daran hindert, unser Wissen um eine gesunde Lebensweise auch in die Tat umzusetzen. Er verleitet uns dazu, doch den Lift statt der Stiegen zu nehmen, nicht auf den Schweinsbraten zu verzichten und uns wieder einmal eine Zigarette anzuzünden und beim Autofahren, womöglich ohne Anlegen des Sicherheitsgurts, kräftig auf das Gaspedal zu drücken.
Die große Gesundheitsförderungsbewegung des BMGF beruht auf fünf Säulen:
- Ernährung
- Bewegung
- Unfall- und Suchtvermeidung
- Entspannung
- Medizinische Vorsorge
Um diese Gesundheitsförderungsbewegung flächendeckend zu implementieren, muss das Gesundheitsressort mit alters-, gruppen- und geschlechtsspezifischen Angeboten versuchen, möglichst viele Österreicherinnen und Österreicher zu erreichen. Dazu braucht es viele engagierte Kooperationspartner.
Unüberhörbar sind heute die Klagen über die immer schwierigere Finanzierbarkeit unseres Gesundheits- und Krankenanstaltenwesen. Ein Problem, das nicht nur in Österreich auftritt, sondern das wohl alle westlichen Industrieländer kennen.
Definition von Gesundheit und Wohlbefinden
Umdenken tut also Not! Gemäß der historischen Definition der Weltgesundheitsorganisation ist Gesundheit das vollkommene körperliche, seelische und soziale Wohlbefinden. Dieser hohe Anspruch musste zu einer Intensivierung von Maßnahmen über den Bereich der Medizin hinaus auch zu Eingriffen bei Zuständen führen, die keine Krankheiten im klassischen Sinn darstellten.
Die WHO verabschiedete dann im Jahr 1986 mit der Ottawa-Charter ein Grundsatzpapier zur Gesundheitsförderung. Diese Charta ist ein Programm, das über die Medizin hinaus auf unterschiedliche Bereiche einwirken will, die alle in Bezug zu Gesundheit oder Krankheit stehen, wie Wirtschaft, Politik, soziale Bewegungen, Umwelt und vieles mehr.
Gemäß Definition der Ottawa Charta „zielt Gesundheitsförderung auf einen Prozess ab, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen, sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können. In diesem Sinne ist Gesundheit als wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu verstehen und nicht als vorrangiges Lebensziel. Gesundheit steht für ein positives Konzept, das in gleicher Weise die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen für ihre Erhaltung betont. Daher liegt die Verantwortung für die Gesundheitsförderung nicht nur beim Gesundheitssektor, sondern bei allen Politikbereichen und zielt über die Entwicklung gesünderer Lebensweisen hinaus auf die Förderung von umfassendem Wohlbefinden.“
Die Erziehung der Gesellschaft zu Gesundheitsförderung
„Gesundheit wird von den Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt, dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben. Gesundheit entsteht dadurch, dass man sich um sich selbst und um andere sorgt, dass man in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu fällen und Kontrolle über die eigenen Lebensumstände auszuüben, sowie dadurch, dass die Gesellschaft in der man lebt, Bedingungen herstellt, die allen ihrern Bürgern Gesundheit ermöglichen.“
Nach der Ottawa-Charta ist Gesundheitsförderung demnach jener Prozess, Personen und Gruppen zu befähigen, Kontrolle über wichtige Faktoren zu erlangen, die ihre Gesundheit beeinflussen und diese auf diesem Weg zu verbessern.
Dieser Prozess bedarf sowohl der Befähigung – des Empowerments – von Personen und Gruppen, als auch der Entwicklung von Lebensräumen bzw. Lebenswelten (sogenannte Settings wie Arbeitsplatz, Schule, Gemeinde, aber auch Krankenhaus). Denn was Personen selbst für ihre Gesundheit tun können, hängt zunächst davon ab, ob man ihnen für sie brauchbares, verständliches Wissen und entsprechende Fertigkeiten bereitstellt. Es hängt aber auch maßgeblich von den Bedingungen der Umwelt ab, ob z.B. Angebote im Bereich Ernährung oder Bewegung verfügbar sind, aber auch, ob die Organisationen, die das Leben der Menschen wesentlich beeinflussen und als die wichtigsten „Gesundheitserzieher“ in der modernen Gesellschaft bezeichnet werden können, Gesundheit in ihren Entscheidungen wichtig nehmen.
Der Weg der Gesundheitsförderung in Österreich ist sehr eng mit der Entwicklung dieses Konzeptes der Weltgesundheitsorganisation verbunden, wobei Österreich hier auch einige wesentliche Beiträge zur theoretischen und praktischen Ausarbeitung der internationalen Gesundheitsförderung geleistet hat (z. B. Konzept des gesundheitsfördernden Krankenhauses).
Umsetzung der Gesundheitsförderung in Österreich
Das Konzept der Gesundheitsförderung hat in den letzten Jahrzehnten auch in Österreich stark an Bedeutung gewonnen. Dadurch sind die gesundheitsrelevanten Lebensweisen der Menschen sowie ihre Arbeits-, Lebens- und Umweltbedingungen verstärkt in das öffentliche Blickfeld getreten.
Die Umsetzung erfolgte dabei in Österreich nicht als zentraler Prozess, sondern wurde zunächst vorwiegend auf lokaler Ebene etabliert.
Bisherige Erfahrungen zeigen, dass nur durch ein direktes Anschließen der Gesundheitsförderung an den Lebensalltag eine Verbindung von Verhaltens-und Verhältnisprävention ermöglicht wird. Erst dadurch können nachhaltige Wirkungen gesundheitsfördernder Interventionen erzielt werden.
Dieser Umstand macht deutlich, dass Gesundheitsförderung in erster Linie auf lokaler und regionaler Ebene – also „direkt vor Ort“ geplant und umgesetzt werden muss. Gesundheit wird am besten in den alltäglichen Lebenswelten der Menschen, – dort wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben, – gefördert.
Die Stärke der Österreichischen Gesundheitsförderung liegt im „Setting-Ansatz“ und den damit verbundenen Netzwerken, wie „Gesundheitsfördernde Schulen“, „Gesundheitsfördernde Krankenhäuser“, „Gesunde Städte“, „Gesunde Gemeinden“, „ Betriebliche Gesundheitsförderung“.
Eine gesunde Arbeitswelt hängt sehr wesentlich davon ab, ob den Betrieben die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Anliegen ist – ob sie systematisch in deren Gesundheit investieren.
Eine gesundheitsfördernde Schule soll die Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, welche die Entwicklung einer gesundheitsfördernden Lebensweise unterstützen. Die Organisation Schule soll dabei zu einem gesunden Erfahrungs- und Lebensraum gestaltet werden. Im Bereich der schulischen Gesundheitsförderung hoffe ich sehr, dass in den Bundesländern regionale Unterstützungszentren, ähnlich dem Wiener Netzwerk Gesundheitsfördernde Schulen, etabliert werden um das Konzept der Gesundheitsfördernden Schulen weiter zu verbreiten.
Aber auch im Krankenbehandlungssystem ist es wichtig, dass Prävention und Gesundheitsförderung genauso seriös betrieben werden wie die „normale“ kurative Behandlung. Standard und Qualitätskriterium muss es sein, die Patienten in ihrer Autonomie zu stärken, sodass eine Kommunikationsbasis geschaffen wird, mittels derer die Patienten wirklich befähigt werden, von nun an gesünder zu leben (Überlappung mit Sekundärprävention).
Was wir heute brauchen, ist eine gesundheitsfördernde Gesamtpolitik, die Schaffung gesundheitsfördernder Lebenswelten, gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen, verstärkte persönliche Kompetenz, Verantwortung jedes Einzelnen und eine Neuorganisation der Gesundheitsdienste.
Der Fonds „Gesundes Österreich“
Mit der Verabschiedung des Bundesgesetzes über Maßnahmen und Initiativen zur Gesundheitsförderung, -aufklärung und -information wurde 1998 ein weiterer wichtiger Schritt zur Etablierung der Gesundheitsförderung und Primärprävention in Österreich geschaffen. Bund, Länder und Gemeinden einigten sich darauf, jährlich einen Betrag von ATS 100 Millionen (nunmehr € 7.267.280,—) aus den Mitteln der Einfuhrumsatzsteuer für Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Vorsorge zur Verfügung zu stellen.
Mit der inhaltlichen und organisatorischen Abwicklung dieser Maßnahmen wurde der Fonds Gesundes Österreich beauftragt, der bereits seit 1988 Aufgaben als Informations- und Koordinationsplattform für Gesundheitsförderung und Selbsthilfe wahrgenommen hatte.
Nach dem Motto „Vorhandenes stärken und Neues bewirken“ sollen die Aktivitäten des FGÖ die bereits etablierten Maßnahmen keinesfalls ersetzen, sondern zum Ausbau erfolgreicher Projekte und zum Entstehen neuer innovativer Initiativen und Impulse im Bereich der Gesundheitsförderung beitragen.
Der Fonds Gesundes Österreich betreibt und unterstützt gemäß seinem gesetzlichen Auftrag Gesundheitsförderung und Primärprävention in einem umfassenden Sinn. Genau das ist auch mein Ansatz einer innovativen Gesundheitspolitik. Daher habe ich sehr gerne die Präsidentschaft im Fonds Gesundes Österreich übernommen.
Die Gesundheitspolitik muss den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen Rechnung tragen und dies bei der Erarbeitung und Umsetzung von Zielen entsprechend berücksichtigen. Weiters ist aber auch dem steigenden Anspruchsdenken und der immer größeren Erwartungshaltung der Bevölkerung an die Reparaturmedizin entgegenzuwirken, und die Eigenverantwortung an der Krankheitsvorbeugung, insbesondere im Bereich der lebensstilassoziierten Störungen und Beschwerden, zu vermitteln.
Eines meiner Ziele in der Gesundheitsförderung ist es daher, das Gesundheitsbewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher zu steigern und durch Information und Motivation Verhaltensänderungen in Richtung gesunder Lebensweise zu bewirken.
Die Rolle der Politik bei der Steuerung von Lebensstilmustern, sehe ich im Bereich der Information, Bewusstmachung und Motivation. Die angestrebten Verhaltensänderungen müssen immer im Zusammenhang mit den jeweiligen Lebensverhältnissen gesehen werden. Es darf aus meiner Sicht im Krankheitsfall nicht zur Schuldzuweisung kommen. Manche sehen aus den USA Gefahren eines autoritär normierten Gesundheitsverhaltens auf Europa zukommen, das zu Uniformität, Manipulation, Kontrolle und Ausgrenzung führt. Um eine solche Entwicklung zu verhindern, darf man nicht, so meine ich, die gesamte Verantwortung allein auf den Einzelnen abwälzen, sondern muss einen Mittelweg zwischen individueller und gesellschaftlicher Verantwortung für die Gesundheit finden.
In vielen Bereichen ist heute spürbar, dass die Gesundheitspolitik vor neuen und großen Herausforderungen steht. Die österreichische Bundesregierung hat in ihrem Arbeitsprogramm seit Beginn der Legislaturperiode bereits deutliche Akzente in Richtung Prävention gesetzt. Die Krankheitshäufigkeit soll durch eine Forcierung eines gesunden Lebensstils, durch gesunde Lebensbedingungen und Maßnahmen in der Vorsorgemedizin gesenkt, und die Lebensqualität der Menschen dadurch nachhaltig verbessert werden.
Eine am Menschen orientierte Gesundheitspolitik hat nicht nur die akutmedizinische Behandlung zur Aufgabe, sondern die umfassende und nachhaltige Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung.
Referenzen
- Definition der Gesundheit, WHO 1948
- Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, WHO 1986
Zum Gesundheitszustand und der Motivation zur Gesundheitsförderungsbewegung. - Österreichischer Ernährungsbericht, Institut für Ernährungswissenschaften, 2003
- Österreichischer Gesundheitsbericht, ÖBIG, 2004-03-25
- Gesundheitsbericht Wien 2002, Magistrat der Stadt Wien, 2002
Maria Rauch-Kallat
Bundesministerin für Gesundheit und Frauen
Radetzkystraße 2, A-1030 Wien