Deutsche Ärzteschaft weiterhin gegen Euthanasie

Imago Hominis (2004); 11(2): 80-81
Bergund Fuchs

„Jeder Mensch hat das Recht auf Leben und auf ein Sterben in Würde – nicht aber das Recht, getötet zu werden.“ Die Bundesärztekammer beharrt auf ihrer vehement ablehnenden Haltung zur aktiven Sterbehilfe. Am 30. April 2004 verabschiedete die Organisation in Berlin eine Überarbeitung der „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung" und bietet Ärzten damit eine Orientierungshilfe.

Gründe der Novelle

Zuletzt hatte die Bundesärztekammer 1998 ihre Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung klar formuliert. Die gesetzliche Öffnung zur Euthanasie in den Niederlanden aber auch die politische Propaganda für diesen Weg in Deutschland haben eine Überarbeitung der Grundsätze zur Sterbebegleitung notwendig gemacht. In der Neufassung des Dokuments1 hält die Deutsche Ärzteschaft weiterhin an ihrem strikten „Nein“ zur aktiven Sterbehilfe fest. Auch die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung sei weiterhin unärztlich. Die Probleme des Sterbens könnten nicht durch Öffnung der aktiven Sterbehilfe – auch im Sinn des ärztlich assistierten Suizids – gelöst werden. Im Gegenteil: die Bundesärztekammer befürchtet, dass die Bemühungen für eine bessere Betreuung sterbender Menschen durch die Zulassung von Krankentötungen noch behindert würden. In den „Grundsätzen“ werden bewusst die Begriffe „Behandlungsabbruch“ und „Sterbehilfe“ vermieden. Ärzte wollen und sollen bis zum Tod behandeln, in ausweglosen Situationen jedoch nicht mehr mit dem Ziel zu heilen, sondern mit dem Ziel, Leid zu lindern.

Neufassung nur Klarstellung

Die Novellierung der Grundsätze beinhaltet keine Meinungsänderung der Ärzteschaft, sondern stellt eine redaktionelle Bearbeitung und Klarstellung dar. So wurde beispielsweise das Kapitel „Behandlung bei sonstigen lebensbedrohlichen Schädigungen“ umbenannt in „Behandlung bei schwerster zerebraler Schädigung und anhaltender Bewusstlosigkeit“. Diese Änderung soll verdeutlichen, dass Komapatienten Lebende sind und dass Bewusstlosigkeit kein Kriterium für eine Einstellung der Behandlung oder Beendigung des Lebens sein darf. Noch konkreter wird darauf hingewiesen, dass auch die Dauer der Bewusstlosigkeit nicht alleiniges Kriterium für den Verzicht lebenserhaltender Maßnahmen sein kann.

Im Abschnitt, der sich mit den „Ärztlichen Pflichten bei Sterbenden“ beschäftigt, wird ausdrücklich betont, dass Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr nicht zur Basisbetreuung gehören, weil Sterbende gerade durch Flüssigkeitszufuhr unverhältnismäßig belastet werden können (es kann beispielsweise beim Versagen der Nieren zu Wassereinlagerungen oder einem Lungenödem kommen). Selbstverständlich bedeutet dies nicht, dass man künftig Sterbende verhungern oder verdursten lassen wird. Die Neuerung beruht auf der Erkenntnis, dass das subjektive Durstgefühl am Ende des Lebens nicht auf einer mangelnden Flüssigkeitszufuhr beruht, sondern wesentlich durch die Trockenheit der Mundschleimhaut bestimmt wird. Somit wurde der Passus „müssen Hunger und Durst als subjektive Empfindungen gestillt werden“ in den Grundsätzen aufgenommen.

Die Bedeutung und Verbindlichkeit von Patientenverfügungen wird in den neuen Grundsätzen noch mehr als in denen von 1998 herausgestellt. Hat ein Patient für den Fall, dass er bei fortschreitender Krankheit nicht mehr selbständig seinen Willen äußern kann, vorher schriftlich zum Ausdruck gebracht, dass er eine Behandlung ablehnt, so ist dies für den Arzt bindend. Gibt es auch keine Anzeichen für eine nachträgliche Willensänderung, muss die Patientenverfügung für den Arzt der Schlüssel zur Ermittlung des Patientenwillens sein.

Segen moderner Palliativmedizin

Der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, ist der Auffassung, dass die derzeitige Diskussion um die aktive Sterbehilfe anders verlaufen würde, wenn die Erfolge der modernen Palliativmedizin bekannter wären2. In der Tat wird dies von Frau Dr. Ingeborg Jonen-Thielemann bestätigt.3 Sie gründete vor mehr als 21 Jahren die erste Palliativstation Deutschlands an der Kölner Universitätsklinik. Heute leitet sie das Mildred-Scheel-Haus, das neben einer Palliativstation mit fünfzehn Betten auch die Dr. Mildred-Scheel-Akademie beherbergt, die regelmäßig Ärzte aus dem deutschsprachigen Raum in Palliativmedizin ausbildet.4 Die moderne Palliativmedizin ist heute in der Lage, Schmerzen und andere Symptome auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und unnötiges Leid zu verhindern. In der mehr als zwanzigjährigen Arbeit der Kölner Station für unheilbar Kranke wurde bisher nie der Wunsch geäußert, getötet zu werden. Ein Patient, der sich gut und umfassend versorgt fühlt, möchte nicht vor der Zeit sterben.

Fazit

Die Debatte über aktive Sterbehilfe ist in Deutschland erneut entbrannt. Trotz klarer Grundsätze werden Ärzte immer wieder mit Konfliktsituationen konfrontiert werden, die mit dem Lebensende ihrer Patienten verbunden sind. Sie sind zur Orientierung und als Richtschnur für Beratungen gedacht, nach denen sie in Zweifelsfällen gemeinsam mit Pflegenden und Angehörigen die schwierigen Entscheidungen treffen.

Referenzen

  1. Dokumentation: Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung, Dtsch Ärztebl (2004); 101: A1298-A1299
  2. Statement des Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, zur Pressekonferenz am 04. Mai 2004 in Berlin
  3. Vortrag beim Frühjahrsseminar zum Thema „Menschenwürde“ des Internationalen Studentinnenwohnheims Müngersdorf in Köln am 8. Mai 2004. (Eine Zusammenfassung des Vortrags kann unter www.uni-koeln.de/studenten/muengersdorf abgerufen werden.)
  4. Nähere Informationen können unter www.krebshilfe.de/neu/akademie/ abgerufen werden.

Anschrift der Autorin:

Dr. Bergund Fuchs, M. A., Dozentin für Bioethik an der Gustav-Siewert-Akademie Weilheim-Bierbronnen
Stadtwaldgürtel 39, D-50935 Köln

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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