Palliativmedizin als Medizin der Lebensqualität. Vom kurativen zum palliativen Weg
Zusammenfassung
Von alters her hat die Medizin ihren Auftrag nie nur in der unbedingten Heilung, sondern immer auch in der Linderung und in der Tröstung gesehen. Darin besteht die Herausforderung für die Medizin heute, nämlich rechtzeitig eine sinnlos gewordene Therapie zu beenden, um sich ausschließlich der symptomorientierten Leidenslinderung und Tröstung, also der Palliativmedizin zuzuwenden. Die Aufgabe der Palliativmedizin ist es, Patienten im schlechten Allgemeinzustand und ohne Hoffnung auf Heilung, die bestmögliche individuelle medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Ziel ist, eine spürbare Verbesserung der Lebensqualität des Patienten, um eine Rückkehr in die häusliche Pflege zu ermöglichen. Wenn der Patient in seinen letzten Tagen und Stunden nicht nur technische Machbarkeit und geschäftige Routine erfährt, sondern echte menschliche Wärme und Anteilnahme, und wenn ihm bewusst wird, dass nicht er von uns, sondern wir von ihm beschenkt werden, dann wird er auch in einem leidvollen Leben sehr wohl noch einen Sinn erkennen, das Sterben in Würde annehmen und kaum den Wunsch äußern, aus Verzweiflung sein Leben zu beenden.
Schlüsselwörter: Palliativmedizin, kurative Therapie, Sinnhaftigkeit, Kultur des Sterbens
Abstract
Since ancient times medicine has always seen is mandate as being not only in healing only but also in alleviation and comforting. This fact presents a great challenge for modern medicine, and that is to decide the right time to end a therapy that has become meaningless in order to concentrate exclusively on symptom oriented pain alleviation and comforting: in other words on the use of palliative medicine. The task of palliative medicine is to help patients who are in a very bad general health situation with little or no hope of recovering their health to receive the very best possible individual medical care. The goal is a meaningful improvement of the quality of life of the patient and if possible to return him to home care. When the patient in his last days and hours experiences not only medical technical feasibility and busy routine but also genuine human warmth and sympathy he could then realize that he is not just taking but giving those caring for him a great deal and would then recognize that a life of pain makes sense and accept a death in dignity without ever wishing to put an end to himself out of despair.
Keywords: Palliative medicine, cure therapy, meaningfulness, culture of death
Einleitung
Der bekannte Medizinethiker Gonzalo Herranz hat einmal gesagt, dass das gesamte Schicksal der Medizin von der Fähigkeit der Ärzte abhängen wird, Kurs zu halten zwischen den trügerischen Klippen der Euthanasie einerseits und dem anderen Extrem, nämlich den bewusst unnützen Behandlungseingriffen andererseits.1 Sie werden sich fragen: Was hat dieser Satz mit dem Thema dieses Artikels zu tun?
Nun, zunächst einmal muss man feststellen, dass auch von Medizinern zunehmend die gesetzliche Freigabe der Euthanasie unter gewissen Umständen gefordert wird. Die medizin-wissenschaftlichen Top-Zeitschriften sind voll von einschlägigen Artikeln zu diesem Thema.
Es gibt sicher eine ganze Reihe von Gründen für das Aufflackern dieser Euthanasiedebatte heute.
Hier sollen, entsprechend dem Thema dieses Artikels nur zwei Aspekte herausgegriffen werden:
Ist es nicht so, dass die heutige Medizin in den Menschen Hoffnungen erweckt, die sie in Wirklichkeit gar nicht erfüllen kann? So hat die WHO die vollständige Ausrottung aller Krankheiten und die Überwindung des Todes für alle Menschen, als das erklärte Ziel der Medizin proklamiert. Eine medizinische Wissenschaft, die in die eigene Macht über die Natur ein solches Vertrauen setzt und derartige Hoffnungen schürt, darf sich nicht wundern, wenn ein Mensch angesichts einer unheilbaren Krankheit in Verzweiflung gerät und wenn der eine oder andere das versprochene Ziel, nämlich die vollständige Herrschaft über Krankheit und Tod doch noch zu erzwingen sucht, wenn auch nur mehr – so paradox es klingt – um den Preis des eigenen Lebens mit Hilfe der Euthanasie.
Auf der anderen Seite hat diese Faszination des Machbaren dazu geführt, dass Machbarkeit automatisch mit Fortschritt verwechselt wird, ohne sich die Frage zu stellen, ob das technisch Machbare auch wirklich hilfreich für den jeweils einzelnen Patienten und damit auch letztlich medizinisch sinnvoll ist. Das ist jedenfalls in der Medizin ein verhängnisvoller Fehler, denn das Machbare muss heute nicht unbedingt auch hilfreich für den Patienten sein, sondern es kann auch sehr wohl nur mehr eine unnötige Belastung für ihn bedeuten.
Bei der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für klinische Onkologie in San Francisco (2001) wurde festgestellt, dass rund ein Drittel aller Krebspatienten im Endstadium noch eine Chemotherapie bekommen, obwohl erwiesen ist, dass diese unwirksam ist. Und weiters wurde festgestellt, dass bis heute keine Richtlinien existieren, bis wann eine Chemotherapie noch Sinnvollerweise einzusetzen ist.
Von der kurativen zur palliativen Medizin
Von alters her hat die Medizin ihren Auftrag nie nur in der unbedingten Heilung, sondern immer auch in der Linderung und in der Tröstung gesehen.2 Und darin besteht die Herausforderung für die Medizin heute, nämlich rechtzeitig eine sinnlos gewordene Therapie zu beenden, um sich ausschließlich der symptomorientierten Leidenslinderung und Tröstung, also der Palliativmedizin zuzuwenden.
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die Beendigung einer kurativen Therapie unter drei Bedingungen gerechtfertigt oder eigentlich sogar zu fordern ist.
1) Wenn die Behandlung sinnlos ist: und damit ist gemeint, dass durch sie weder eine echte Chance auf Heilung, noch auf Lebensverlängerung besteht
2) Wenn der Aufwand in keinem Verhältnis zum erwartbaren Erfolg steht (Prinzip Verhältnismäßigkeit)
3) Wenn der Patient im Sterben liegt, das heißt, wenn der Tod unmittelbar und unausweichlich bevorsteht und jede Lebensverlängerung eigentlich eine Verlängerung des Sterbeprozesses bedeutet.
Ich fürchte, dass heute eine ganze Reihe von therapeutischen und diagnostischen Maßnahmen am Patienten durchgeführt werden, die auf Heilung oder Lebensverlängerung ausgerichtet, in Wirklichkeit aber gar nicht mehr zielführend sind, oder zumindest in keinem Verhältnis mehr zum erwartbaren Erfolg stehen, wobei dies meist weder dem Arzt noch dem Patienten so richtig bewusst ist.
Die medizinische Wissenschaft hat sich mit den Grenzen der kurativen Medizin und den Kriterien, die diese Grenzen abstecken, relativ wenig beschäftigt. Es dürfte nicht sein, dass Entscheidungen über die Durchführung oder Beendigung einer Therapie ziemlich willkürlich oder gefühlsmäßig getroffen werden müssen, oft auf Drängen der Patienten oder ihrer Angehörigen zu deren Beruhigung (es muss etwas getan werden) auf Druck von außen, durch die Medien z.B. oder weil der behandelnde Arzt bzw. Hausarzt zum Erfüllungsgehilfen von undurchschaubaren Spezialistenvorschriften degradiert und zur Ausführung von unpersönlichen Leitlinien verpflichtet wird, will er nicht von der wissenschaftlichen Gemeinde desavouiert oder gar geächtet werden. Vielfach wird eine sinnlose Therapie auch nur zur forensischen Absicherung für den gerichtlichen Ernstfall durchgeführt.
Zunächst ein nicht untypischer Fall aus dem medizinischen Alltag: eine 73. Jahre alte Patientin kommt zur Durchuntersuchung wegen Gewichtabnahme ins Krankenhaus. Sie hat sonst keine wesentlichen Beschwerden. Im Ultraschall findet man einen Pankreastumor, der in die Leberpforte einwächst. Die Leber ist mit Tumormetastasen durchsetzt. In Anbetracht des noch guten Allgemeinzustandes der Patientin werden nach einem onkologischen Konsilium palliative Maßnahmen je nach Beschwerdebild vorgeschlagen und den Angehörigen angeraten, die Patientin vorerst nach Hause zu nehmen, da sie völlig beschwerdefrei sei. Am Tag nach dem Gespräch erscheinen die Angehörigen neuerlich ziemlich erbost beim stationsleitenden Oberarzt, sie seien bei einem anderen Onkologen gewesen. Dieser sei der Meinung, die Mutter hätte seiner Erfahrung nach sehr wohl noch eine „Chance“, ein Bett auf seiner Abteilung stehe bereit, und es erfolgte noch am selben Tag die Transferierung. Dort erhält die Patientin einen Leberarterienkatheter und es werden diverse Chemotherapeutika infundiert. Dabei treten eine ganze Reihe von Komplikationen auf und die Patientin stirbt letztlich nach zwei Monaten Krankenhausaufenthalt, ohne je wieder zu Hause gewesen zu sein.
Anhand dieses Falles lassen sich einige prinzipielle Forderungen für unsere Fragestellung ableiten:
1) Es scheint dringend an der Zeit, dass der Dialog zwischen den Ärzten und besonders zwischen Spezialisten und behandelnden Ärzten gerade in so kritischen Situationen wieder mehr gepflegt wird. Persönliche Eitelkeiten sollten uns Ärzte nicht dazu verleiten, uns als Götter in Weiß zum Schaden des Patienten aufzuspielen.
2) Behandlungsempfehlungen aufgrund von statistischen Daten oder sonstigen Überlegungen, wie dies heute vielfach üblich ist, ohne einen Patienten überhaupt gesehen oder sich zumindest mit dem behandelnden Arzt in Verbindung gesetzt zu haben, sind besser zu unterlassen.
Die Gefahr einer Medizin, die ausschließlich auf statistischer Signifikanz basiert (EBM), besteht gerade darin, Patienten nach Mehrheitsverhältnissen im Kollektiv zu behandeln, ohne seine individuellen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Metaanalysen, pauschale Leitlinien von sog. Konsenskonferenzen sind starre, statistische Größen, deren Prinzip es ist, gerade vom individuellen Patienten abzusehen. Sie können zwar dem Arzt eine große Hilfe in Diagnose und Therapie sein, ihm aber niemals eine Therapieentscheidung aufzwingen oder ihm umgekehrt die Verantwortung für seine Entscheidung im Einzelfall abnehmen.
3) Genauso gefährlich ist es, auf Grund einer bedauerlichen Selbstüberschätzung dem Patienten Hoffnung auf Heilung oder Lebensverlängerung mit fragwürdigen Praktiken zu machen; denn angesichts des Todes ist jeder Patient zu jeder Art von Therapie bereit. Nicht umsonst hat die Quacksalberei gerade bei hoffnungslos schwerkranken Patienten Hochsaison.
4) Statistische Daten sollten von den diversen Verantwortlichen so vorgelegt werden, dass daraus nicht nur Signifikanzen sondern auch deren Relevanz abgelesen werden kann.
Tumorverkleinerungen z.B., die zu keiner Lebensverlängerung führen und daher bestenfalls palliativ wirken können, sollten als solche ausgewiesen werden.3 Keinesfalls sollte man lediglich Tumorzellen behandeln, zum Schaden der Patienten, wie im vorliegenden Fall. Auch das gehört in die Kategorie der falschen Hoffnungen, die der Quacksalberei ebenbürtig ist.
Aufgabe der Palliativmedizin
Wenn ich das bisher gesagte zusammenfasse, so möchte ich den eingangs zitierten Satz von Herranz abwandeln und sagen, dass das Schicksal der Medizin von der Fähigkeit der Ärzte abhängen wird, die trügerischen Klippen einer überzogenen Kurativmedizin rechtzeitig zu erkennen, um sich der Palliativmedizin zuzuwenden, die nicht mehr auf Heilung oder Lebensverlängerung, dafür umso intensiver auf Leidenslinderung und Tröstung ausgerichtet ist. Die Aufgabe der Palliativmedizin ist es, Patienten im schlechten Allgemeinzustand und ohne Hoffnung auf Heilung, die bestmögliche individuelle medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Ziel ist, eine spürbare Verbesserung der Lebensqualität des Patienten, um eine Rückkehr in die häusliche Pflege zu ermöglichen. Palliativmedizin ist nicht Sterbebegleitung im eigentlichen Sinn, sondern das ist die Domäne der Pflegehospize. Die Schmerzbehadlung ist zwar der bekannteste Faktor der Palliativmedizin, aber nicht der einzige. Sie beinhaltet auch chirurgische Hilfseingriffe, Ernährungskonzepte und die Möglichkeit palliativer Chemo- oder Radiotherapie. Ein wichtiger Sektor ist die mechanische Überbrückung von Engstellen im Magen-Darm Bereich bzw. in den Leber- und Gallenwegen. Durch diese neuen Methoden können oft komplizierte und für den Patienten belastende Operationen mit langwierigen Spitalsaufenthalten vermieden und der Befindlichkeit des Patienten sehr geholfen werden.
Einen hohen Stellenwert in der Palliativmedizin haben die begleitende psychologische Betreuung der Patienten und die Einbindung der Familien. Dabei geht es um die Schulung für einfache praktische Hilfen einerseits, aber vor allem auch um die Tröstung der Betroffenen, der Patienten natürlich in erster Linie, aber auch der Verwandten. Dies bedingt einen enormen persönlichen Einsatz aller Mitarbeiter auf der Station. Die Erfassung der psychischen und physischen Gesamtsituation des Patienten erfordert sehr eingehende Gespräche mit dem betroffenen Patienten selbst, mit ärztlichen Kollegen, die den Patienten bisher betreut haben und nicht zuletzt auch, wie gesagt, mit den Angehörigen. Ziel ist immer das Wohlbefinden, d.h. die Leidenslinderung und die Lebensbejahung – trotz alledem – des Patienten. Angestrebt wird, dass der Patient wieder zuhause im Kreise seiner Familie leben kann. Denn die natürliche Integration der unheilbar Schwerkranken als wertvolle Mitglieder in die familiäre Gemeinschaft unserer Gesellschaft ist ein wesentlicher Aspekt und eine hervorragendes Ziel für die palliative Medizin. Deswegen ist es auch wichtig, Vorsorge zu treffen, dass die Versorgung zu Hause auch wirklich abgesichert ist. In bestimmten Fällen wird es notwendig sein, den Patienten zur weiteren häuslichen Betreuung einem ambulanten Palliativ-Team z.B. der Hospizbewegung anzuvertrauen. Wichtig ist in all diesen Fällen die Gewissheit des Patienten, dass er jederzeit wieder auf der Palliativstation aufgenommen werden kann, wenn zu Hause Probleme auftreten oder sich sein Zustand verschlechtert.
Wenngleich der Großteil der Palliativpatienten Karzinompatienten sind, so sei doch erwähnt, dass auch andere Krankheiten wie z.B. lebensbedrohlich abgemagerte Patienten mit schweren Magen-Darmschäden oder mit Essstörungen sowie Patienten mit Atemstörungen aller Art auf einer Palliativstation, die grundsätzlich in einem Akutspital integriert sein sollte, betreut werden.
Wenngleich, wie gesagt, Palliativstationen nicht primär Abteilungen sind, an denen schwerpunktmäßig Sterbebegleitung durchgeführt wird, ist der Prozentsatz derjeniger Patienten, die letztlich auf einer Palliativstation sterben, verglichen zu allgemeinen medizinischen Abteilungen sehr hoch. Dann ist das Palliativ-Team herausgefordert, dem Patienten ein in Wahrheit würdiges Sterben zu ermöglichen. Hier tritt dann die Tröstung in den Vordergrund, die wie gesagt, ein ganz wesentlicher Aspekt der Palliativmedizin ist. Ihre Kunst besteht darin, den Patienten einerseits niemals ohne Hoffnung alleine zu lassen, ohne aber auf der anderen Seite, durch sinnlosen Aktivismus und Täuschung falsche Hoffnungen zu erwecken, um so den Patienten über den Tod gleichsam hinwegzuschwindeln.
Kultur des Sterbens
Würdiges Sterben geschieht sicher nicht, wenn der leidende Mensch, wie es die Euthanasiebefürworter wollen, einfach, getötet wird; Es geschieht aber ebenso wenig, wenn dem sterbenden Menschen die Möglichkeit genommen wird, die letzten Stunden und Minuten seines Lebens als heiliges und oft heilsames Geschehen zu erfahren, das auf einzigartige und geheimnisvolle Weise noch ein letztes Mal die innerste Seele des Menschen ergreift und erschüttert.
Wenn der Patient einmal unwiderruflich im Sterben liegt, so sind weniger unsere technischen Fähigkeiten gefragt, sondern unsere menschlichen Tugenden, indem wir den Patienten zum Beispiel mit Wahrhaftigkeit begegnen und ihn nicht aus falschem Mitleid belügen, indem wir ihm nicht aus dem Weg gehen, sondern seine Fragen beantworten, auf seine Nöte und Wünsche eingehen und sie zu verstehen suchen. Ärzte, Pflegepersonen und die Verwandten sind dazu aufgerufen, dem Sterbenden die letzten Stunden so schön und friedvoll wie nur immer möglich zu gestalten, indem wir für ausreichende Körperpflege sorgen, für ein ordentliches Bett und ein geordnetes Zimmer in einer würdigen respektvollen Atmosphäre, auch wenn der Patient davon scheinbar vielleicht gar nichts mehr mitbekommt. Es ist auch unsere Pflicht, uns darum zu kümmern, dass der Patient seine Angelegenheiten und letzten Verfügungen noch regeln kann, und auch darum, dass er in Respektierung seines Glaubens noch rechtzeitig den nötigen geistlichen Beistand bekommt. Wenn der Patient in seinen letzten Tagen und Stunden nicht nur technische Machbarkeit und geschäftige Routine erfährt, sondern echte menschliche Wärme und Anteilnahme, und wenn ihm bewusst wird, dass nicht er von uns, sondern wir von ihm beschenkt werden, dann wird er auch in einem leidvollen Leben sehr wohl noch einen Sinn erkennen, das Sterben in Würde annehmen und kaum den Wunsch äußern, aus Verzweiflung sein Leben zu beenden.
Letzte Woche hat das Ärzte und Schwesternteam unserer Palliativstation bei einer Besprechung folgendes gesagt: „Das Schöne an dieser Station ist es, zu erleben, wie diese so genannten hoffnungslose schwerkranken Menschen, je länger sie hier sind, immer mehr Freude ausstrahlen, eine Freude von der wir angesteckt werden und die wir dann nach hause zu unseren Familien mitnehmen, wo sie sich weiter ausbreitet.“
Worum es also geht ist, dass wir wieder eine Kultur des Sterbens entwickeln müssen, die uns in der heutigen Gesellschaft verloren gegangen ist. Diese Kultur kann jedoch nicht darin bestehen unter dem Deckmantel des Selbstbestimmungsrechtes und des Mitleids, den Selbstmord von Staatswegen zu legitimieren. Hier schlägt die Sterbekultur in eine Kultur des Todes um. Diese freilich ist gegen den Menschen selbst gerichtet, denn wenn das absolute Tötungsverbot aufgehoben wird, dann wird damit gleichzeitig auch die bedingungslose soziale Verpflichtung gegenseitiger Fürsorge aufgehoben, denn es bleibt dem Patienten immer noch die Alternative, sich selbst zu töten.
Aus dieser Perspektive ist die Palliativmedizin die praktische Antwort auf die zunehmenden sozialpolitischen Selbstmordtendenzen unserer Gesellschaft (siehe Holland und Belgien).
Referenzen
- Herranz G., „Euthanasie – Gebote und Verbote der Sterbehilfe“. In: Thomas H. (Hrsg.), „Menschlichkeit in der Medizin“, Verlag Busse Seewald, Herford (1993), S. 221ff
- Torello J.B., „Saluti et solatio aegrorum. Über die Tröstung des Kranken in der heutigen Medizin“. In: Bonelli J. (Hrsg.), „Der Mensch als Mitte und Maßstab der Medizin“, Springer Verlag, Wien - New-York (1992), S. 229ff
- Raderer M., Scheithauer W., „Treatment of colorectal cancer with 5-fluorouracil and interferon-a”, Eurocancer (1995)
Prof. Dr. Johannes Bonelli
Direktor des KH St. Elisabeth
Landstraßer Hauptstraße 4a, A-1030 Wien