Das deutsche Stammzellenimportgesetz
Die letzte Entscheidung ist gefallen: Deutsche Mikrobiologen werden mit menschlichen embryonalen Stammzellen forschen dürfen. Das menschliche Material wird von einem Land, wo die Embryonen nicht gleichermaßen wie in Deutschland geschützt sind und vor dem 1. Jänner 2002 hergestellt wurden, importiert werden müssen.
Am 30. Jänner 2002 hatte der deutsche Bundestag mit 340 gegen 265 Stimmen einen Antrag zur Zulassung des Imports von embryonalen Stammzellen mit strengen Auflagen approbiert. Am 25. April hat nun der Bundestag mit 360 gegen 190 Stimmen das entsprechende „Gesetz zur Sicherung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen“ beschlossen. Den Entwurf dazu hatten die Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Margot von Renesse, Andrea Fischer und andere vorgelegt. Er wurde im zuständigen Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung diskutiert und mit der Beschlussempfehlung versehen.
Imago Hominis hat im letzten Heft die bioethischen und -politischen Aspekte der Entscheidung vom 30. Jänner behandelt. Hier soll diese ethische Bewertung nicht wiederholt, sondern nur die nun vorliegende konkrete Regelung in knapper Form vorgestellt und dokumentiert werden.
Bekanntlich gewährt das deutsche Embryonenschutzgesetz von 1990 dem menschlichen Embryo einen Schutz, der seine Verwendung für nicht-reproduktive Zwecke ausschließt. Damit ist die Gewinnung von embryonalen Stammzellen, die für die Forschung notwendig wären, untersagt. Ein Importverbot kann allerdings nicht aus dem Gesetz entnommen werden. Das neue Gesetz will diese Materie regeln und erklärt zunächst im § 1: „Zweck dieses Gesetzes ist es, im Hinblick auf die staatliche Verpflichtung, die Menschenwürde und das Recht auf Leben zu achten und zu schützen und die Freiheit der Forschung zu gewährleisten, (1) die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen grundsätzlich zu verbieten und (2) zu vermeiden, dass von Deutschland aus eine Gewinnung embryonaler Stammzellen oder eine Erzeugung von Embryonen zur Gewinnung embryonaler Stammzellen veranlasst wird.“ Der eigentliche Zweck kommt aber im § 1 (3) zum Ausdruck. Das Gesetz bezweckt „die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen ausnahmsweise zu Forschungszwecken zugelassen sind.“
Das neue Gesetz erweitert die Definition von Embryo des Embryonenschutzgesetzes auf jene Embryonen, die nicht durch Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, sondern durch Zellkerntransfer (das sog. therapeutische Klonen) hergestellt werden. Das heißt, dass Stammzellen aus letzteren Embryonen vom Regelungsbereich des Gesetzes erfasst werden.
Jede Einfuhr von embryonalen Stammzellen ist durch eine im Bundesministerium für Gesundheit einzurichtende Behörde genehmigungspflichtig. Laut § 4 (1) muss zunächst die Behörde zur Überzeugung gelangen, „dass,
a) die embryonalen Stammzellen in Übereinstimmung mit der Rechtslage im Herkunftsland dort vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden und in Kultur gehalten werden oder im Anschluss daran kryo-konserviert gelagert werden (embryonale Stammzell-Linie),
b) die Embryonen, aus denen sie gewonnen wurden, im Wege der medizinisch unterstützten extrakorporalen Befruchtung zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwangerschaft erzeugt worden sind und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie aus Gründen endgültig nicht mehr für diesen Zweck verwendet wurden, die nicht an den Embryonen selbst liegen,
c) für die Überlassung der Embryonen zur Stammzellgewinnung kein Entgelt oder sonstiger geldwerter Vorteil gewährt oder versprochen wurde.“
Weiteres muss die Behörde prüfen, ob der Einfuhr oder Verwendung der embryonalen Stammzellen sonstige gesetzliche Vorschriften, insbesondere solche des Embryonenschutzgesetzes, entgegenstehen.
Das Gesetz schreibt außerdem vor (§ 5), dass Forschungsarbeiten an embryonalen Stammzellen nur durchgeführt werden dürfen, „wenn wissenschaftlich begründet dargelegt ist, dass
- sie hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung oder für die Erweiterung medizinischer Kenntnisse bei der Entwicklung diagnostischer, präventiver oder therapeutischer Verfahren zur Anwendung bei Menschen dienen und
- nach dem anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik
a) die im Forschungsvorhaben vorgesehenen Fragestellungen so weit wie möglich bereits in In-vitro-Modellen mit tierischen Zellen oder in Tierversuchen vorgeklärt worden sind und
b) der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte wissenschaftliche Erkenntnisgewinn sich voraussichtlich nur mit embryonalen Stammzellen erreichen lässt.“
Diese Voraussetzungen der Forschungsarbeiten werden von einer gesetzlich eingeforderter Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (§ 8) geprüft und bewertet. Der Kommission obliegt es auch, die ethische Vertretbarkeit des Vorhabens zu bescheinigen.
Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen für Forscher, die embryonale Stammzellen ohne Genehmigung einführen oder verwenden, sind im Gesetz vorgesehen.
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft Professor Ernst Ludwig Winnacker kommentiert kurz die Entscheidung des Bundestages: „Wir können mit dieser Regelung leben." Dies scheint aber wenig glaubwürdig, wenn er unmittelbar daran die Forderung anschließt, die Strafandrohung zu überdenken, falls deutsche Wissenschaftler dadurch im internationalen Vergleich handlungsunfähig werden würden.
Positiv an der Regelung ist die Tatsache, dass für diese Forschung kein Embryo mehr getötet werden muss und dass eine Verwertung überzähliger Embryonen aus der IVF verhindert wird. Sie ist aber ein Schritt in die falsche Richtung, weil es – wie bei der obigen Aussage von Winnacker, die vor einigen Monaten noch deutlicher war – bei dieser Regelung nicht bleiben kann. Der nächste Schritt ist vorprogrammiert. Im Großen und Ganzen ist es ein Rückschritt für den deutschen Lebensschutz.
Claudia Lapka, Imabe-Institut
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