Psychiatrische Aspekte des Rauchens
Zusammenfassung
Rauchen ist eindeutig eine Suchterkrankung und gehört in den Bereich der Psychiatrie. Diese hat sich allerdings dem Phänomen erst spät zugewandt. Im Wesentlichen sind die Diagnosekriterien ähnlich wie bei den anderen Suchterkrankungen. Nikotin reguliert emotionale Zustände und vermittelt daher den Konsumenten das Gefühl, dass sie besser in der Lage sind, Stress zu bewältigen. Nikotin ist also offensichtlich eine psychotrope Substanz, die im Gehirn ganz konkrete psychische, aber auch körperliche Reaktionen hervorruft. Der Grossteil der Raucher will aufhören. Es werden aber Hilfsmittel eingefordert und die eigene Leistung, die eingebracht werden soll, soll möglichst minimal sein. Zur Raucherentwöhnung gibt es mehrere wirksame Methoden. Dabei ist es natürlich gerade beim Rauchen so, wie bei allen anderen Süchten, dass die Eigenmotivation das eigentlich Wesentliche ist, um erfolgreich mit dem Rauchen aufzuhören.
Schlüsselwörter: Tabakrauchen, Nikotin, Psychiatrie, Sucht, Raucherentwöhnung
Abstract
Smoking is clearly an addiction and therefore belongs to the field of psychiatry. However, this phenomenon did not interest psychiatrists until recently. The diagnostic criteria are similar to those of other types of addiction. Nicotine regulates the emotional and gives the consumer the feeling of better being able to cope with stress. Nicotine is obviously a psychotropic substance, which brings about certain psychical and bodily reactions in the brain. The majority of smokers would like to stop. They would like to have all sorts of help in doing so, but with as little personal effort as possible. Several methods for quitting smoking exist. As with all other type of addiction, the most important thing is personal motivation in order to stop smoking.
Keywords: Tobacco Smoking, Nicotine, Psychiatry, Addiction, Smoking Withdrawal
Einleitung
Wahrscheinlich sind es die nicht unmittelbar wahrnehmbaren Folgeerscheinungen des Rauchens, die ausmachen, dass das Rauchen tatsächlich im Spannungsfeld gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen steht, wobei aber nach wie vor nicht die selbe Konsequenz in der Ablehnung besteht, wie z. B. gegenüber schwerem Alkoholismus oder Heroinsucht.
Dabei sind die Folgewirkungen durchaus vergleichbar. Eines hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten tatsächlich verändert, vor allem in kosmopolitischer Hinsicht: Es ist evident und mittlerweile auch Allgemeingut geworden, dass Rauchen zu schwerwiegenden, ja tödlichen Folgeerscheinungen führen kann und nicht mehr als „Hobby-Laster“ oder „Marotte“ einzuschätzen ist. Auch die Medizin hat sich dem lange verschlossen, indem sie nicht mit entsprechender Konsequenz auf die Folgewirkungen aufmerksam gemacht hat. Oftmals war ein „… Sie sollten vielleicht weniger rauchen“ die Empfehlung des Arztes. Daran hat sich in den letzten Jahren tatsächlich Grundsätzliches geändert, ein Umdenkprozess hat eingesetzt, wie z. B. bzgl. der Haltung gegenüber dem Passivrauchen als Risiko für Gesundheitsbeeinträchtigungen. Ein Übriges haben die juristischen Erfolge gegen Zigarettenhersteller beigetragen, sodass heute das Bild, welches wir vom „Rauchgenuss“ haben, ein anderes geworden ist.
Die Psychiatrie hat sich erst relativ spät dem Phänomen zugewandt. Es waren zunächst die Lungenfachärzte und Internisten, die sich mit den Folgewirkungen, in körperlicher Hinsicht, auseinandergesetzt und entsprechendes Zahlenmaterial hinsichtlich Mortalität geliefert haben. Dabei ist Rauchen eindeutig eine Suchterkrankung und gehört in den Bereich der Psychiatrie. Es wird auch im Diagnosemanual der WHO, dem ICD-10, als psychische Erkrankung geführt.1 Dem wurde erst in den letzten 15 Jahren – durch entsprechende Forschungsunternehmungen – Rechnung getragen. So findet sich heute eine bunte Forschungswelt aus psychiatrischer Sicht hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten von Rauchern.
Dies hat gemeinsam mit den erwähnten Erkenntnissen der somatischen Medizin dazu geführt, dass Rauchen heute nicht mehr nur als „Genuss“ gesehen wird, sondern dass Raucher mehr und mehr als Patienten betrachtet werden, die an einer Abhängigkeitsstörung leiden, d. h. suchtkrank sind. Nach wie vor wird die Tatsache verdrängt, dass Rauchen eine Dimension erreicht hat, die weit jenseits der Problematik der harten Drogen und des Alkohols liegt: Es gibt keine vergleichbare Substanz, die weltweit so häufig missbraucht wird. Man kann heute davon ausgehen, dass wahrscheinlich fast 1/3 der Weltbevölkerung raucht!
Diagnose der Nikotinabhängigkeit
Im Wesentlichen sind die Diagnosekriterien ähnlich wie bei den anderen Suchterkrankungen. Demnach wird die Abhängigkeit zum einen als Toleranzentwicklung gegenüber der Nikotinwirkung definiert, d. h. man verträgt immer mehr. Zum anderen kommt es zu Entzugserscheinungen, wenn man absetzt bzw. weniger raucht. Ein bei allen Suchterkrankungen wesentliches Kernkriterium ist auch hier vertreten, nämlich dass das Rauchen weiterbetrieben wird, obwohl der Betroffene ganz genau weiß, dass es entsprechende gesundheitliche Folgen zeitigt. Dazu gehört auch weiter, dass meist ein anhaltender Wunsch besteht, den Konsum einzuschränken oder überhaupt zu beenden, wenn auch verbunden mit erfolglosen Bemühungen. Es kommt zu Einschränkungen wichtiger sozialer, beruflicher oder auch von Freizeitaktivitäten. Andrerseits wird ein entsprechender Zeitaufwand betrieben, sich den Tabak, z. B. Zigaretten, zu besorgen.
Eine Verschärfung der Diagnose ergibt sich sicherlich auch dann, wenn bereits körperliche Folgeerkrankungen nachgewiesen sind und trotzdem weiter geraucht wird. Gerade bei diesen Rauchern findet sich dann auch der typische „Kontrollverlust“, wonach die Menge, auf die man sich im Tabakkonsum beschränkt hat, tatsächlich jeweils weit überschritten wird.
Die Diagnose Tabakabhängigkeit (nach ICD 10 WHO) soll nur gestellt werden, wenn irgendwann während des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien vorhanden waren:
- Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Substanzen wie Tabak zu konsumieren.
- Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Tabakkonsums.
- Substanzgebrauch mit dem Ziel, Entzugssymptome zu mildern und eine entsprechende positive Erfahrung zu machen.
- Ein körperliches Entzugssyndrom.
- Nachweis einer Toleranz: Um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichten Wirkungen der Substanz hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich.
- Ein eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Tabak.
- Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Rauchens.
- Anhaltender Tabakkonsum trotz nachgewiesener eindeutig schädlicher Folgen. Diese können körperlicher Art sein, wie z. B. Lungen-, Gefäß- und Herzerkrankungen.
Der Fagerström-Test2 ist ein standardisierter Test zur Beurteilung der Nikotinabhänigkeit. Dieses Messinstrument ist leicht und rasch anwendbar und hat sich weltweit als der wesentliche Test etabliert (siehe Tabelle I).
Frage | Antwort | Bewertung |
---|---|---|
Wann nach dem Aufstehen rauchen Sie Ihre erste Zigarette? | innerhalb von 5 min 6 bis 30 min 31 bis 60 min nach 60 min | 3 2 1 0 |
Finden Sie es schwierig, an Orten, wo das Rauchen verboten ist (z. B. Kirche, Bücherei, Kino usw.), das Rauchen zu unterlassen? | ja nein | 1 0 |
Auf welche Zigarette würden Sie nicht verzichten wollen? | die erste am Morgen andere | 1 0 |
Wie viele Zigaretten rauchen Sie im Allgemeinen pro Tag? | bis 10 11 bis 20 21 bis 30 31 und mehr | 0 1 2 3 |
Rauchen Sie am Morgen im Allgemeinen mehr als am Rest des Tages? | ja nein | 1 0 |
Kommt es vor, dass Sie rauchen, wenn Sie krank sind und tagsüber im Bett bleiben müssen? | ja nein | 1 0 |
Ihre Punkteanzahl: |
Es hat sich gezeigt, dass das Kernkriterium zur Beurteilung der Dimension der Sucht die Anzahl der gerauchten Zigaretten ist.3 Dennoch stellt der Fagerström-Test eine großartige Möglichkeit dar, dem Raucher die besonders problematischen Aspekte des Rauchens zu vergegenwärtigen und dabei eine Information über das Ausmaß der Sucht zu erhalten.
Ein praktischer Aspekt liegt in der guten Einschätzbarkeit von Entzugserscheinungen bzw. darin, welcher Therapie der Vorzug zu geben ist. Ab einem Fagerströmwert von > 6 ist mit starken Entzugszeichen zu rechnen – daher sollten eher Nikotinersatzpräparate (s. unten) zum Einsatz kommen.
Weswegen wird Nikotin konsumiert?
Dies ist nicht einfach zu beantworten. Nikotin verursacht im Wesentlichen keinen tatsächlichen „Kick“, wie wir einen solchen beim Heroinmissbrauch oder aber auch beim Alkoholkonsum kennen. Heroin z. B. macht typischerweise einen Flash, der von den Konsumenten als äußerst angenehm erlebt wird. In der Folge kommt es dann durch die starke schmerzreduzierende Wirkung zu einem Gefühl der angenehmen Bedürfnis- und Schmerzlosigkeit. Alkohol führt typischerweise, vor allem zu Beginn des Konsums, zu einer euphorisch angeregten Stimmung, die auch mit einer erhöhten sexuellen Appetenz verknüpft ist. Dies sind Gründe, warum Menschen den Alkoholkonsum suchen und auch seine kommunikationsfördernde Wirkung schätzen. Bei Nikotin selbst finden sich solche Symptommus-ter nicht eindeutig. Nikotin reguliert eher emotionale Zustände, sodass es den Konsumenten das Gefühl vermittelt, dass sie besser in der Lage sind, Stress zu bewältigen. Offensichtlich reduziert Nikotin Schamgefühle, Angstgefühle, vor allem aber auch Stress und Reizbarkeit, führt bis zu einem gewissen Grad zu einer leicht euphorisierenden Wirkung, dies auch im Sinne der Regulation in Richtung Beruhigung.
An körperlichen Erscheinungen finden sich die Folgen einer erhöhten Adrenalin- und Noradrenalinausschüttung. Diese äußert sich dann in einem Anstieg des Herzschlags und des Blutdrucks, des basalen Sauerstoffverbrauchs, der Zeichen der Anregung und einer erhöhten Wachheit, verbunden mit einer verbesserten Fähigkeit, sich Herausforderungen zu stellen. Nikotin entwickelt diese Effekte sehr rasch. Durch das Inhalieren gelangt es innerhalb weniger Sekunden ins Gehirn und führt dort zu den geschilderten Wirkungen. Nikotin ist also offensichtlich eine psychotrope Substanz, die im Gehirn ganz konkrete psychische, aber auch körperliche Reaktionen hervorruft. Eine solche Substanz hat bei entsprechender Dosis auch Nebenwirkungen in Form von Übelkeit, Speichelfluss, Magenschmerzen, Erbrechen, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Zittern, Schwitzen, Herzklopfen. Diese kennen Raucher typischerweise nach dem Konsum von sehr großen Mengen, wie z. B. nach Festivitäten, wo zusätzlich oft Alkohol konsumiert wird.
Neben obgenannten neurophysiologischen Wirkungen gibt es natürlich eine Fülle an psychischen Faktoren, welche die Entwicklung einer Nikotinsucht begünstigen. Dazu gehörten immer schon soziale Aspekte, die das Rollenverhalten beeinflussen. Gängige Klischees stellten Raucher in Filmen als die Draufgänger, als die „Coolen“ dar. Jugendliche, die mit dem Rauchen begannen, wollten diesen Vorbildern nacheifern und als erwachsener gelten als sie waren. Erst langsam änderte sich dies. In Film und Fernsehen ist die allgegenwärtige Zigarette nicht mehr „korrekt“. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieser Trend aus der virtuellen auch auf die reale Gesellschaft ausweitet.
Zur Entwöhnung
Wie bereits angeführt, ist eines der Kernkriterien der Abhängigkeit, wider besseres Wissen die Sucht weiter zu betreiben. Dabei wissen Raucher in aller Regel um die Problematik (dissidente Raucher) und wollen auch aufhören bzw. haben dies schon unternommen, allerdings mit frustranem Ausgang. Tatsächlich will der Großteil der Raucher aufhören, wobei hier vieles nach außen projiziert wird. Es werden Hilfsmittel eingefordert, während die eigene Leistung, die eingebracht werden sollte, möglichst minimal bleibt. Dies passt auch ganz gut in unser Zeitalter der Machbarkeitsmedizin. Am besten schiene es, eine einzige Pille zu schlucken und damit das Problem zu erledigen. Dabei ist natürlich beim Rauchen wie bei allen anderen Süchten die Eigenmotivation das eigentlich Wesentliche, um erfolgreich mit dem Rauchen aufzuhören.
Konkrete Verfahren zur Entwöhnung
An Möglichkeiten zur Entwöhnung stehen
- der „eigene Wille“,
- Verhaltenstherapie,
- Hypnose/Akupunktur,
- Nikotinersatztherapie und
- nikotinfreie Medikamente
zur Verfügung.
Die Rolle des eigenen Willens wurde schon angesprochen. Im Wesentlichen geht es darum, dass der Raucher tatsächlich erkennt, dass ein Wert darin besteht, dieses Verhalten zu verändern bzw. zu beenden. Es geht um die Entwicklung einer Geisteshaltung, die von der Überzeugung geprägt ist, dass man fähig ist, das zu schaffen. Dies vermittelt eine persönliche Sicherheit, insbesondere dann, wenn man dabei von seiner Umgebung entsprechend unterstützt wird.
Die Komorbidität des Rauchens mit schweren psychischen Störungen ist sehr hoch. Schizophrenie, Depression, Angststörungen oder ähnliches lassen einen Entwöhnungserfolg unwahrscheinlich erscheinen. Aber dies ist ein eigenes Thema. Hier soll lediglich auf Raucher ohne sonstige psychische Störungen eingegangen werden.
Besonders bewährt haben sich verhaltenstherapeutische Modelle. Es geht darum, sich strukturiert mit dem Rauchen auseinander zu setzen. Es sollen rauchbesetzte Situationen gemieden, Ersatzhandlungen wie z. B. Entspannungsübungen gesetzt und positiv gedankliche Konnotationen reduziert werden. D. h. es ist ganz wichtig, dass die romantisierte Sicht des Rauchens als besonders „wohliger Genussverstärker“ zerstört wird.
Wenn die Methode des „eigenen Willens“ mit verhaltenstherapeutischem Vorgehen kombiniert wird, ist es besonders wichtig, entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Es hat sich z. B. bewährt, einen Zieltag festzulegen, ab dem nicht mehr geraucht werden soll. Des Weiteren sollte die Umgebung informiert und um Unterstützung gebeten werden. Es sollte jedem klar gemacht werden, dass es kein „Freundschaftsdienst“ ist, dem Entzugswilligen Zigaretten anzubieten. Es sollten alle Raucherutensilien (Aschenbecher etc.) entfernt werden. Manchmal sind auch Wetten als zusätzliche Motivation von Nutzen, die mit Familienmitgliedern oder Freunden abschlossen werden.
Kommt es zum Umsetzen des Entschlusses, so sind dann in der Regel 3 Phasen voneinander abgrenzbar. Zum einen die Motivationsphase, in der der Entschluss freiwillig fällt, dann die tatsächliche Entwöhnungsphase, wo das Nikotin abgesetzt, mit den Entzugserscheinungen gekämpft und dann erlernt wird, abstinent zu bleiben. Schließlich folgt eine Stabilisierungsphase, in der man Nichtraucher bleibt und Rückfälle vermeidet. Hier kann von außen durch regelmäßige Interviews eine starke zusätzliche Motivation erbracht werden, in der hinterfragt wird, ob der Betroffene tatsächlich nicht mehr raucht. Damit ist eine Unterstützung durch Lob möglich, durch das Herausstreichen der positiven Aspekte dieser Handlungsweise, wodurch die Wahrnehmung der bzgl. des Rauchens positiven Assoziationen nach und nach durch eine positive Wahrnehmung für das Nichtrauchen ersetzt wird.
Für alle Raucher bzw. Suchtkranke kann man folgendes Stufenmodell der Motivation nach Prochaska et al. 1992 beschreiben:4
1. Präkontemplation: Die Phase der Sorglosigkeit, in der man sich noch nicht bewusst ist, dass das Suchtverhalten ein Problem ist.
2. Kontemplation: Die Phase, in der einem klar wird, welche Probleme Rauchen hervorrufen kann, welche Probleme sich durch das Suchtverhalten per se und durch die suchtbedingte Veränderung des Wesens ergeben.
3. Präparation: Die Phase der Vorbereitung, in der man sich damit auseinandersetzt: Welche Art des Entzugs will man machen? Wie will man das durchführen? Ab wann? Mit welcher Hilfe?
4. Aktion: Die Handlung wird tatsächlich gesetzt: Es wird begonnen, ein Nikotinersatzpräparat zu nehmen, dabei rauchen aufzuhören, oder einfach mit der „Stoppmethode“ von einer Sekunde auf die andere nicht mehr zu rauchen.
5. Stabilisierung: Die Phase der Aufrechterhaltung.
Nikotinersatzpräparate gibt es in verschiedensten Applikationsformen: als Nikotinpflaster, Kaugummi, Nasenspray und nikotinangereicherten Zigarettenspitz. Diese Methoden haben sich vor allem bei sehr starken Rauchern als effizient erwiesen.5
Das Antidepressivum Bupropion (Zyban®) hat sich als effizient in der Unterstützung des Zigarettenentzugs erwiesen und steht als zweite medikamentöse Therapie neben den Nikotinersatzpräparaten zur Verfügung. Bei diesen beiden Methoden sind sicherlich die Raucher gut aufgehoben, die einen präferierten Zugang zu medizinischer medikamentöser Behandlung haben.6
Wir haben also aus medizinischer Sicht vielfältige Möglichkeiten zur stützenden Behandlung, sodass es für jeden Raucher ein maßgeschneidertes Therapiepaket geben kann. Dies schließt keineswegs aus, dass die entwöhnungswilligen Raucher in Gruppen behandelt werden (Gruppentherapie), wobei auf die positive Orientierung und den ideellen Zusammenhalt der Gruppe durch den Leiter besonders geachtet werden muss.
In der Betreuung von Abstinenzwilligen ist es wesentlich, positive Motivationen und Konnotationen hervorzurufen. Diese können durch Information gestützt werden, wie sie hier in Tabelle II angeführt werden. Diese zeigt auf, wie rasch es nach dem Aufhören zu einer Regeneration im Körper kommt.
20 Minuten: | Blutdruck erholt sich |
8 Stunden: | CO-Gehalt im Blut normalisiert |
2 Tagen: | Geruch und Geschmack kehren wieder |
3 Tagen: | Die Atmung bessert sich merklich |
3 Monaten: | Lungenfunktion um bis zu 30% erhöht |
9 Monaten: | Raucherhusten ist verschwunden |
1 Jahr: | KHK-Risiko durch Rauchen ist halbiert |
10 Jahren: | Lungenkrebsrisiko halbiert |
15 Jahren: | Herzinfarktrisiko wie bei Nichtraucher |
Schlussbemerkungen
Die Süchte nehmen in unserer zivilisierten Welt eindeutig zu, daneben auch die psychischen Störungen aus dem Bereich der Depressivität. Warum das so ist, ist nicht eindeutig beantwortbar. Es handelt sich um ein tatsächlich multifaktorielles Geschehen. Einige wenige Punkte sollen angerissen werden, die sich als Erklärungsfaktoren anbieten: Da ist zum Einen die riesige Problematik der Reizüberflutung und Überforderung durch unsere gesellschaftlichen Entwicklungen, der Verlust der Bedeutung zwischenmenschlicher Bindungen und der Verlust der Spiritualität.
Des Weiteren gibt es hierzulande wenige von der Gesellschaft gestützte Überzeugungen, die den Suchtbetroffenen dabei helfen, ihr Verhalten zu verändern. Anderswo, z. B. in den Vereinigten Staaten, sieht man, wie mit großer Konsequenz das Bild des Rauchers ins Negative verkehrt werden kann, sodass mittlerweile die Raucher geradezu gesellschaftlich geächtet sind. Dies hat zweifellos zu einem generellen Rückgang des Zigarettenkonsums geführt.
Hingegen wird hierzulande höchstens über Sinn und Unsinn von Beschriftungen von Zigarettenpackungen diskutiert. Dabei geht es gar nicht nur darum, eine erkleckliche Anzahl von neuen Nichtrauchern zu produzieren, sondern vielmehr darum, dass die Gesellschaft als Ganzes offiziell Stellung bezieht. Dies ist besonders für die Jugend wichtig, wo wir die höchsten Zuwachsraten und den höchsten Anteil an Rauchern verzeichnen. Es geht in diesem Zusammenhang um die Entscheidung der Gesellschaft, dass es etwas wert ist und sich lohnt, „unkonventionell“ zu denken und zu handeln, was das Rauchen betrifft.
Zuletzt noch ein Gedanke zum Verlust der Spiritualität. Diesbezüglich ist auszuführen, dass Suchterkrankungen eine Eigendynamik entwickeln und das Wesen des Menschen verändern. Es kommt ja nicht nur zu Verhaltensauffälligkeiten auf dem Gebiet des Suchtmittelmissbrauchs selbst, sondern zu einer Vielzahl an Veränderungen innerer Einstellungen, moralischer Wertungen etc. Es ist heute keine Frage mehr, dass die Sucht eine Erkrankung ist und auch einer entsprechenden Therapie bedarf. Offensichtlich stellt aber der sogenannte „eigene Wille“ in diesem Zusammenhang ein großes Problem dar, sodass vielfältige psychotherapeutische Unternehmungen nur bedingt Erfolg aufweisen und dass – eben auch beim Rauchen – nach wie vor extrem hohe Rückfallquoten verzeichnet werden. Was fehlt, ist die Möglichkeit zur Trans-zendenz, zur Hinwendung an eine Kraft, die stärker ist als man selbst, die einem helfen kann und die in der Gemeinschaftlichkeit des Bemühens verankert ist. Dies wird z. B. äußerst erfolgreich bei den Anonymen Alkoholikern (AA) zur Anwendung gebracht. Es wäre wünschenswert, würden solche Ansätze vermehrt öffentlich angesprochen werden. Denn die Entwicklung, bei welcher die rein individualitätsbezogene psychodynamische Lösung des Problems im Zentrum steht, in welcher nur der Einzelne zählt und der Nabel der Welt ist, ist bisher nicht sonderlich erfolgreich.
Referenzen
- Weltgesundheitsorganisation (WHO), Dilling H., Mombur W., Schmidt M. H. (Hrsg.), Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Verlag Hans Huber, Bern, Göttingen, Toronto (1991)
- Heatherton T. F., Kozlowski L. T., Frecker R. C., Fagerström K. O., The Fagerström test for nicotine dependence: a revision of the Fagerström Tolerance Questionnaire, Br J Addict (1991); 86: 1119-1127
- Etter J. F., Duc T. V., Perneger T. V., Validity of the Fagerström test for nicotine dependence and of the heaviness of smoking index among relatively light smokers, Addiction (1999); 94: 269-281
- Prochaska J. O., DiClemente C. C., Stages of change in the modification of problem behaviors, Prog Behav Modif (1992); 28: 183-218
- Rigotti N. A., Treatment of tobacco use and dependence, N Engl J Med (2002); 346: 506-512
- Peters M. J., Morgan L. C., The pharmacotherapy of smoking cessation, MJA (2002); 176: 486-490
Univ.-Prof. Dr. Peter Hofmann, Dr. Raphael Bonelli
Univ.-Klinik für Psychiatrie, Universität Graz
Auenbruggerplatz 31, A-8036 Graz