Non-beating-heart donors aus rechtlicher Sicht

Imago Hominis (1998); 5(1): 49-51
Christian Kopetzki

1. Die unter dem Titel der „non heart beating donors“1 diskutierte Frage der Zulässigkeit einer Organentnahme von Patienten mit Herzstillstand ohne gesonderten Hirntodnachweis ist in der österreichischen Rechtsordnung nicht speziell geregelt. Auszugehen ist daher von der einschlägigen Bestimmung des § 62a Abs 2 KAG, wonach eine Organentnahme zu Transplantationszwecken an Verstorbenen – abgesehen von den hier nicht weiter interessierenden zusätzlichen Bedingungen wie Mangel eines rechtserheblichen Widerspruchs, Unabhängigkeit der Todesfeststellung2 etc – erst durchgeführt werden darf, „wenn ein zur selbständigen Berufsausübung berechtigter Arzt den eingetretenen Tod festgestellt hat“.3

Wie hier nicht neuerlich darzulegen ist, ist mit dem Begriff „Tod“ im § 62a Abs 2 KAG der Hirntod im Sinne des irreversiblen Funktionsausfalls des gesamten Gehirns gemeint.4 Diese im Wege der Auslegung erschließbare Festlegung des Gesetzgebers auf das Hirntodkonzept schließt es aus, den Herzstillstand für sich genommen als „Tod“ im Sinne der transplantationsrechtlichen Regelung des KAG zu deuten.

Mit der Organentnahme von „Non heart beating donors“ darf es demnach aus rechtlicher Sicht zu keiner über die Gruppe der hirntoten Patienten hinausgehenden Erweiterung des Spenderkreises kommen. Wenn in diesem Zusammenhang im Schrifttum eine Gegenüberstellung von „hirntoten“ Spendern einerseits und „non heart beating donors“ andererseits vorgenommen wird5, so ist dies zumindest sprachlich insofern mißverständlich, als auch beim „non heart beating donor“ eine Entnahme dann und nur dann rechtlich zulässig ist, wenn der Hirntod eingetreten ist und dieser Todeseintritt entsprechend den Maßstäben des § 62a Abs 2 KAG festgestellt wurde. Andernfalls läge eine Entnahme vom lebenden Patienten vor, für welche völlig andere und wesentlich restriktivere Regeln gelten.6

2. Es kann also aus rechtlicher Perspektive nicht darum gehen, ob künftig zusätzlich bzw alternativ zum Hirntod ein anderer – nämlich am Herzstillstand anknüpfender – Todesbegriff Anwendung finden darf; die Frage kann sich legitimerweise nur darauf richten, wie der eingetretene Hirntod im Einzelfall nachzuweisen ist. Anders formuliert: Muß zum Nachweis des obligaten Hirntodes in jedem Fall das übliche Verfahren zur Hirntodfeststellung durchgeführt werden, oder genügt es unter Umständen, daß aus anderen (klinischen) Befunden (etwa Herzstillstand und erfolglose Reanimationsbemühungen während eines gewissen Zeitraums) auf das Vorliegen des Hirntodes geschlossen wird.

In diesem Punkt ist nun darauf hinzuweisen, daß die anzuwendenden Methoden des Hirntodnachweises vom Gesetz gar nicht zwingend vorgeschrieben werden.7 Verpflichtend ist gem. § 62a Abs 2 KAG vielmehr nur, daß der eingetretene Tod – und das ist im vorliegenden Zusammenhang wie erwähnt der Hirntod – von einem zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Arzt festgestellt worden ist8, wobei dieser Arzt weder die Entnahme noch die Transplantation durchführen und auch sonst an diesen Eingriffen weder beteiligt noch durch sie betroffen sein darf. Welche Methoden bei dieser Todesfeststellung zum Einsatz kommen müssen, ergibt sich aus dem jeweiligen Stand der Medizin. Die Rechtsordnung fordert weder eine bestimmte Symptomatik noch die Einhaltung bestimmter Fristen; gefordert ist lediglich, daß im Einzelfall der Hirntod – also der irreversible zerebrale Funktionsausfall – nachgewiesen wird. Einzelne Symptome und Befunde vermögen allenfalls zu beweisen, daß dies der Fall ist, daß also ein Sachverhalt vorliegt, der dem Rechtsbegriff des (Hirn-)Todes gem § 62a Abs 2 KAG entspricht. Bestehen für eine bestimmte Situation medizinische Erfahrungssätze, die einen sicheren Rückschluß aus klinischen Parametern auf den Eintritt des Hirntodes erlauben, so ist ein spezielles Nachweisverfahren zur Hirntodfeststellung insoweit entbehrlich, als die Feststellung des Todes dann eben methodisch auf andere Weise als durch die gesonderte Hirntoddiagnose möglich ist.

In diesem Sinn ist zB anerkannt, daß die gesonderte Hirntoddiagnose entfallen darf, wenn der Tod bereits anhand klinischer und äußerlich sichtbarer Todeszeichen festgestellt werden kann. Sollen etwa – um bei einem unproblematischen Beispiel zu bleiben – einer bereits totenstarren Leiche in einem pathologischen oder gerichtsmedizinischen Institut Gehörknöchelchen entnommen werden, so genügt eine methodisch „vereinfachte“ Todesfeststellung ohne komplizierte technische Nachweisverfahren.9 Das bedeutet aber – wie neuerlich zu betonen ist – nicht, daß in solchen Fällen ein vom Hirntod abweichender Todesbegriff Anwendung fände, sondern bloß, daß der Hirntod dann nicht gesondert festgestellt werden muß, wenn zB bereits später auftretende Todeszeichen vorliegen, deren Eintritt den stattgefundenen Hirntod voraussetzen.10

Beim Problem der „Non heart beating donors“ muß die maßgebliche Frage daher dahin gehen, ob bzw unter welche zusätzlichen Prämissen aus dem Umstand des Herzstillstandes ein verläßlicher Schluß auf den Eintritt des Hirntodes gezogen werden kann. Diese Frage ist im Kern keine rechtliche, sondern eine medizinische Frage. Existiert ein nachweisbarer medizinisch-naturwissenschaftlicher Erfahrungssatz, der besagt, daß nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne nach dem Herzstillstand der irreversible Ausfall der gesamten Hirnfunktionen iS des Hirntodes mit Sicherheit eintritt, dann ersetzt der Befund „Herzstillstand“ bzw der Ablauf der Frist den gesonderten Hirntodnachweis, weil und sofern eben der Hirntod eine notwendige und unausweichliche Konsequenz des Herzstillstandes darstellt. Existiert ein derartiger Erfahrungssatz nicht, oder bleibt zweifelhaft, ob der Konnex zwischen Herzstillstand und Hirntod tatsächlich immer und mit Sicherheit besteht, dann darf hingegen aus dem Herzstillstand auch kein Rückschluß auf den Hirntod gezogen und demzufolge auch keine Entnahme durchgeführt werden.

Feststeht nach dem bisher Gesagten jedenfalls, daß der Herzstillstand für sich genommen die Organentnahme nie rechtfertigen kann. Denn zum einen wäre ja erst zu klären, ob nicht noch eine rechtliche Reanimationspflicht besteht, die den Hirntod möglicherweise abwenden oder verzögern könnte. Und zum anderen wäre auch bei Fehlen einer Reanimationspflicht zusätzlich anhand entsprechender Erfahrungssätze erst zu begründen, daß im konkreten Fall der Herzstillstand bereits den Hirntod nach sich gezogen hat.

Mit Sicherheit kann gesagt werden, daß die bloße Prognose des Hirntodes – also die wenn auch noch so große Wahrscheinlichkeit, daß der Hirntod nach dem Herzstillstand eintreten wird – rechtlich nicht genügt. In einer solchen Konstellation kann man zwar von einem künftig mit Sicherheit eintretenden Hirntod sprechen. Das Gesetz fordert aber, daß im Zeitpunkt der Organentnahme der (Hirn-)Tod bereits eingetreten ist und dieser Hirntodeintritt von einem entsprechend befugten und qualifizierten Arzt auch festgestellt wurde (§ 62a Abs 2 KAG). Eine solche Feststellung kann aber nie vor dem Eintritt des Hirntodes getroffen werden.

Selbstverständlich ist ein Schluß vom Herzstillstand auf den Eintritt des Hirntodes auch dann unzulässig, wenn gleichzeitige Reanimationsmaßnahmen den Eintritt des Hirntodes verhindern. In einem solchen Fall tritt der Hirntod ja – als Folge ärztlicher Intervention – möglicherweise gerade nicht ein. Der Umstand, daß der Hirntod eintreten würde, sobald die Reanimationsmaßnahmen abgebrochen werden, vermag den Hirntodnachweis nicht zu ersetzen und eine Explantation nicht zu rechtfertigen.

3. Im Grunde verlagert sich daher die rechtliche Problematik vielfach auf die Frage, wann bei Vorliegen eines Herzstillstandes weitere Reanimationsmaßnahmen vorgenommen werden müssen. Nur wenn eine solche Reanimationspflicht zu verneinen ist, kann überhaupt Raum für die Überlegung sein, ob aus dem Herzstillstand und dem Verstreichen einer – anhand medizinischen Wissens zu bemessenden – Wartefrist ein Schluß auf den Hirntodeintritt gezogen werden darf. Diese Frage nach dem Bestand einer Reanimationspflicht bei noch nicht eingetretenem Hirntod11 würde eine eigene Untersuchung erfordern und kann in diesem Rahmen nicht geleistet werden. Für den vorliegenden Zusammenhang mag der Hinweis genügen, daß die ärztliche Behandlungspflicht und damit auch die Pflicht zur Reanimation und Intensivbehandlung nach herrschender Auffassung jedenfalls dann endet, sobald jene Phase erreicht ist, in der das Sterben nach ärztlicher Erfahrung unabwendbar erscheint, eine weitere medizinische Intervention daher nur zu einer künstlichen Verlängerung des Sterbevorganges führen würde.12

Trifft diese Voraussetzung im konkreten Fall zu und wird die Reanimation demnach zulässigerweise eingestellt, so spricht rechtlich meines Erachtens nichts dagegen, nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne den eingetretenen Hirntod festzustellen, weil und sofern dieser zwingende Kausalzusammenhang zwischen Herzstillstand und Hirntodeintritt medizinisch sicher begründbar ist. Ob dieser Zusammenhang tatsächlich immer besteht und wie lange die einzuhaltende „Wartefrist“ ist, ist wie erwähnt eine durch medizinisches Fachwissen zu lösende Frage, die durch rechtliche Überlegungen nicht beantwortet werden kann.

Nochmals betont sei allerdings, daß der Zeitpunkt des – wenngleich zulässigen – Abbruchs der Reanimationsmaßnahmen nicht automatisch die Zulässigkeit der Organentnahme nach sich zieht. Denn das Ende der Behandlungspflicht knüpft an der Aussichtslosigkeit weiterer Maßnahmen und an der Unausweichlichkeit des künftigen Todeseintritts an, während die Zulässigkeit der Entnahme den bereits eingetretenen Hirntod (und nicht bloß die Erwartung des Hirntodes) voraussetzt. Der „sicher zu erwartende Tod“ mag daher unter den skizzierten Voraussetzungen grundsätzlich die Reanimationspflicht beenden, berechtigt aber noch nicht zur Explantation, solange der eingetretene Hirntod nicht aus anderen Befunden verläßlich erschlossen werden kann.

Referenzen

  1. Vgl. dazu etwa R.M.J.Wijnen, M.H.Booster, B.M.Stubenitsky, J.de Boer, E.Heinmann, G.Koostra, Outcome of transplantation of non-heart-beating donor kidneys, The Lancet, 1995, Vol 345, 1067; N.Auner, Non heart beating donors? Zur Organentnahme nach Herzstillstand, Imago hominis 1995, 255; E.Deutsch Medizinrecht, 1997, 360, 3.Auflage.
  2. Dazu näher Kopetzki, Organgewinnung zu Zwecken der Transplantation (1988); G.Kalchschmid, Die Organtransplantation (1997).
  3. Zur gebotenen Unabhängigkeit des den Tod feststellenden Arztes vgl näher Kopetzki, Organgewinnung 192 ff.
  4. MwN Kopetzki, Organgewinnung 176 ff; ders. Rechtliche Voraussetzungen der Hirntodbestimmung, in: G.Schwarz, W.Kröll, W.F.List (Hg), Schädel-Hirn-Trauma/Hirntod. Beiträge zur Anaesthesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin, 1995, 45, 231 f.
  5. Vgl zB N.Auner, Imago hominis 1995, 255.
  6. Dazu zB Kopetzki, Organgewinnung 250 ff; Kalchschmid, Organtransplantation 174 ff.
  7. Näher Kopetzki, Organgewinnung 185 ff; ders, Voraussetzungen der Hirntodbestimmung 234 ff.
  8. Zu weiteren Anforderungen an den todesfeststellenden Arzt bzw das Ärzteteam vgl näher Kopetzki, Organgewinnung 192 ff.
  9. Vgl dazu Kopetzki, Organgewinnung 193 f.
  10. Kopetzki, Organgewinnung 194.
  11. Nach Eintritt des Hirntodes ist eine Reanimationspflicht jedenfalls zu verneinen: vgl nur Kienapfel, Strafrecht BT I Vorbem § 75 StGB Rz II.
  12. Statt vieler und mwN Kienapfel, Strafrecht BT I Vorbem § 75 StGB Rz 20, 26. Vgl auch ibid § 95 SGB Rz 24 ff. Zum Ganzen instruktiv auch E.Bernat, Behandlungsabbruch und (mutmaßlicher) Patientenwille RdM 1995, 51.

Anschrift des Autors:

Univ.-Prof. DDr. Christian Kopetzki
Institut für Staats- und Verwaltungsrecht
Schottenbastei 10-16, A-1010 Wien

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: