Konsensvorschlag: Richtlinien zur Organentnahme von Non-Heart-Beating (NHB) – Donors
Die Praxis, Organe nicht nur von Hirntoten, sondern auch von NBH-Spendern zu entnehmen, hat in den letzten Jahren zunehmend Verbreitung gefunden. Dabei fehlen noch – im Gegensatz zur Organentnahme bei Hirntoten – genaue Richtlinien über eine exakte Vorgangsweise.
Aus anthropologisch-ethischer Sicht soll in Erinnerung gerufen werden, daß der Individualtod immer mit dem irreversiblen Ausfall des gesamten Gehirns gleichzusetzen ist. Am Gehirn hängt die Integrationsleistung des lebendigen Organismus. Mit der Zerstörung des gesamten Gehirns (Hirnrinde und -stamm) hat ein Mensch sein irdisches Leben irreversibel hinter sich. Der Tod ist eingetreten.
Der Ausfall des Gehirns kann aus verschiedenen Ursachen eintreten: in der Mehrheit der Fälle wird durch einen Herzstillstand der Kreislauf unterbrochen. Im Anschluß daran kommt es unweigerlich zum Untergang des gesamten Gehirngewebes. Medizinwissenschaftlicher Erkenntnis gemäß tritt dieser Funktionsausfall in 5 bis 10 Minuten ein. Ein spezieller Nachweis des Hirntodes erübrigt sich in diesen Fällen, da er eine notwendige Konsequenz des Herzstillstandes darstellt.
Ein irreversibler Hirnfunktionsausfall kann aber auch im Rahmen einer Primär- oder Sekundärschädigung des Zerebrums erfolgen (Hirntod im eigentlichen Sinn).
Es gibt aber nicht zwei Arten von „Totsein“, Kreislauftod und Hirntod, sondern immer ein und denselben Tod, der letzlich mit dem Untergang des Gehirns besiegelt wird.
Der österreichische Gesetzgeber betont, daß „es zulässig ist, Verstorbenen einzelne Organe oder Organteile zu entnehmen, um durch deren Transplantation das Leben eines anderen Menschen zu retten oder dessen Gesundheit wiederherzustellen“. Die Todesfeststellung obliegt einem zur „selbständigen Berufsausübung berechtigten Arzt“. Für die Vorgangsweise bei der Hirntodfeststellung gibt es eine Empfehlung des Obersten Sanitätsrates.
Wie die Verhaltensnorm beim NHB-Spender sein soll, ist noch nicht festgelegt. Erschwerend ist auf der einen Seite die Tatsache, daß sich die möglichen NHB-Spender von unterschiedlichsten Patientengruppen her rekrutieren.
Folgende Patienten kommen für eine non-heart-beating-Organentnahme in Frage:
a) Tot eingelieferte Patienten
b) Patienten, die erfolglos reanimiert werden und das Reanimationsteam die Irreversibilität bestätigt und damit den Tod feststellt (der Reanimationsarzt darf nicht dem Transplantationsteam angehören).
c) Patienten mit massiver akuter intrakranieller Pathologie ohne Therapiemöglichkeit, die einen Herzstillstand erleiden, ohne daß vorher der Hirntod diagnostiziert werden konnte.
d) Herzstillstand in der „Schwebezeit“ zum Hirntod.
Andererseits muß die Organentnahme innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens erfolgen, um funktionsfähige Transplantate zu erhalten. Um mögliche Spannungen zu verhindern, wäre es sinnvoll, ein einheitliches Vorgehen festzulegen, wie mit den Spendern umgegangen werden soll.
Vorschlag für das klinische Vorgehen:
Es wird eine korrekte kardiopulmonale Reanimation durchgeführt, möglichst unter ACLS-Bedingungen: Intubation, Sauerstoff-Beatmung, Sicherstellung eines i.v.-Weges mit entsprechender Infusion, optimale Druckmes- sung, ev. maschinelle Herzmassage bzw. Einsatz von Katecholaminen, ev. Pufferung (?), Schrittmacheranwendung. Bleiben diese Re-animationsmaßnahmen über einen bestimmten Zeitraum hindurch erfolglos (z.B. 30‘), wird die Frage nach dem Abbruch aufgeworfen. Die fehlende Pupillenreaktion gilt unter diesen Umständen als klinischer Parameter für eine eingetretene Hirnschädigung. Sind diese im Verlauf der CPRA lichtstarr und max. erweitert, wird ohnehin von einer Weiterführung der Wiederbelebung abgesehen. Sind aber noch Reaktionen vorhanden, kann man sich unter gegebenen Umständen auch zu einem Behandlungsabbruch entscheiden und läßt dann den Patienten versterben, d.h. die Reanimationsmaßnahmen dürfen nicht mehr aufgenommen werden. Um mögliche Mißbräuche zu vermeiden, schlagen wir vor, daß, will man den Sterbenden als NHB-Spender im Anschluß Organe entnehmen, vor Beendigung der RA ein zweiter unabhängiger Arzt mit Berechtigung zur Berufsausübung zugezogen werden sollte, um diese Entscheidung zum Abbruch zu objektivieren.
Gleichzeitig kann das Transplantationsteam verständigt werden.
Dann sollte nach Beendigung der Reanimationsmaßnahmen eine Frist von mindestens 10‘ verstreichen. Nochmals sollte die Pupillenreaktion überprüft werden. Sind diese lichtstarr, entrundet bzw. max. erweitert, könnte mit dem weiteren Vorgehen begonnen werden.
ACLS: Advanced cardiac life support
CPRA: Cardio-pulmonale Reanimation
An diesem Konsens haben mitgearbeitet:
N. Auner, Ärztin für Allgemeinmedizin
J. Bonelli, FA für Innere Medizin (Kardiologie)
K. Lenz, FA für Innerer Medizin (Intensivmedizin)
F. Mühlbacher, FA für Chirurgie (Transplanationschirurgie)
G. Pöltner, Philosoph
E. H. Prat, Medizinethiker
F. Steinbereithner, Anästhesist
G. Virt, Moraltheologe