Bis zu 40 Millionen Menschen pro Jahr benötigen weltweit eine Palliativversorgung. Doch der mangelnde Zugang zu Palliative Care gilt bis heute als eines der größten Probleme der Gerechtigkeit im Gesundheitswesen. Darauf verweist das PAL-LIFE - Weißbuch zur weltweiten Förderung der Palliativversorgung, das von der Päpstlichen Akademie für das Leben (Vatikan) veröffentlicht wurde. Das Weißbuch, das internationale Experten im Auftrag des Vatikans gemeinsam mit der Deutschen PalliativStiftung erstellt haben, fordert einen Ausbau der weltweiten Palliativversorgung. Der Zugang zur Leidenslinderung müsse als Grundrecht der Patienten und ihrer Familien sichergestellt werden, so das Dokument, das nun im Vorfeld des 16. Weltkongresses der European Association for Palliative Care (EAPC) vorgestellt wurde (vgl. Pressemitteilung, online, 23.5.2019).
Der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, Erzbischof Vincenzo Paglia, forderte bei der Präsentation in der Berliner Nuntiatur die Förderung einer „palliativen Kultur“. Man müsse eine „Kultur der Sorge“ heranreifen lassen, „die es möglich macht, eine liebevolle Begleitung bis an die Schwelle des Todes anzubieten“. Die Palliativversorgung habe maßgeblich zu einer Wiederentdeckung der ganzheitlichen Begleitung eines Kranken im Kontext der modernen Medizin beigetragen. Zugleich gehe es darum, auf Tendenzen zu einer Tötung auf Verlangen oder Beihilfe zum Suizid angemessen zu reagieren. „Die Medizin scheitert nicht, wenn sie nicht heilen kann“, sagte Paglia. Stattdessen müsse sie ihre eigenen Grenzen kennen und nicht über „ein vernünftiges Maß“ hinausgehen und etwa lebensverlängernde Maßnahmen ergreifen, die nur das Leid eines Kranken verlängerten. Auch da, wo keine Heilung möglich sei, könnten Schmerz und Leid gelindert werden.
Thomas Sitte, Vorsitzender der Deutschen PalliativStiftung, sprach von einer „Checkliste“ für grundlegende Strategien, um die Lage leidender Patienten und deren Familien zu verbessern. So wende sich etwa die Empfehlung, dass stets Morphin zur Leidenslinderung zur Verfügung stehen sollte, an Gesetzgeber oder Apotheker. Weitere strategische Empfehlungen richten sich an Berufsverbände, Patientengruppen, Universitäten und pharmazeutische Behörden sowie internationale Organisationen. Auch die Aufgabe der Medien und religiöser Einrichtungen wird herausgestrichen, um das Bewusstsein für Krankheit als einen ganzheitlichen Prozess und die Rolle der Palliativversorgung zu stärken. Die spirituelle Begleitung spiele dabei eine wichtige Rolle.
Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz, betonte: „Als Christen sind wir den Patienten nahe und geben sie nicht auf, auch wenn keine Aussicht auf medizinischen Erfolg besteht; wir wollen ihnen bestmögliche Pflege zuteilwerden lassen und ihre Schmerzen lindern, ohne den Tod durch eine Behandlung im Übermaß hinauszuzögern und ohne ihn vorzeitig herbeizuführen“. Dazu gehöre auch, dem seelischen Leid in all seinen Facetten zu begegnen. Dabei gewinne das Fachgebiet des „Spiritual Care“ und die multiprofessionelle Zusammenarbeit der Seelsorge mit den Gesundheitsberufen wachsende Bedeutung. Hier wolle die Kirche ihre Erfahrung und ihr Menschenbild einbringen. Bode warb in diesem Zusammenhang für ein „Entdecken und Wiederentdecken der Sakramente der Kirche am Lebensende“.
Dass das Wissen in der Bevölkerung weltweit um die Möglichkeiten der palliativen Versorgung gestärkt werden muss, zeigt eine aktuell im Journal of Pain and Symptom Management publizierte Studie. Demnach wissen 71 Prozent der US-Bürger nicht, was Palliative Care ist, sie haben noch nie davon gehört (online, 26. März 2019 https://doi.org/10.1016/j.jpainsymman.2019.03.014).