Wie es mit dem Gesetzesentwurf zur Cannabis-Legalisierung in Deutschland weitergehen soll, ist Gegenstand heftiger Diskussionen. Zahlreiche kritische Stellungnahmen sind dazu eingegangen (Bioethik aktuell, 4.9.2023). Die CDU war von Beginn an gegen das Gesetzesvorhaben. Die SPD ist in der Frage tief gespalten, namhafte SPD-Politiker, aber auch die Innenminister der deutschen Bundesländer lehnen den Entwurf ab, berichtet die TAZ (online, 15.1.2024). Das Vorhaben habe „gravierende negative Auswirkungen“ auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, auf den Kinder- und Jugendschutz sowie den Gesundheitsschutz, heißt es in einem gemeinsamen Beschluss.
Vernichtendes Urteil: Das Gesetz ist de facto nicht überwachbar
Ein aktuelles Gutachten des Bundeskriminalamts (15.12.2023) stellt dem Gesetzesentwurf ein vernichtendes Urteil aus. Demnach sei „privater Eigenanbau de facto nicht überwachbar“ und auch nicht kontrollierbar. Außerdem würde die „Besitzmenge bei Eigenanbau und Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung“ zu „Weitergabe oder Verkauf“ verleiten.
Kritik an dem Gesetz kam vom Deutschen Richterbund. Es bleibe ein Rätsel, warum die Regierung ausgerechnet jetzt „ein ausgewachsenes Bürokratiemonster wie das Cannabisgesetz von der Kette lassen will“, sagt Hauptgeschäftsführer Sven Rebehn (Welt online, 14.12.2023).
Besitz von Cannabis für 100 Joints soll ab 18 Jahren legal sein
Der Gesetzesentwurf sieht vor, die Droge Cannabis im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen. Der Besitz von 25 Gramm ab 18 Jahre soll legal sein – das entspricht in etwa 100 Joints. Entscheidend an dem Gesetzentwurf ist, dass sowohl der nicht kommerzielle Eigenanbau als auch der gemeinschaftliche Anbau für Personen ab 18 Jahren erlaubt werden soll – letzterer unter dem Dach von sog. „Cannabis-Social-Clubs“.
Die „Cannabis Social Clubs“ müssen strenge Auflagen einhalten. An jedes Mitglied ab 21 Jahren dürften bis zu 25 Gramm Cannabis pro Tag und höchstens 50 Gramm pro Monat zum Eigenkonsum weitergegeben werden.
Deutsche Bundesärztekammer initiiert breites Bündnis gegen Cannabis-Legalisierung
Ein ungewöhnlich breites Bündnis aus Verbänden und Fachgesellschaften hatte noch im Dezember die Abgeordneten des Bundestages aufgefordert, dem Entwurf des geplanten Cannabis-Gesetzes nicht zuzustimmen. Initiator des Schreibens ist die die Deutsche Bundesärztekammer (BÄK), unterzeichnet wurde es unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie, vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), dem Bund Deutscher Kriminalbeamter und der Gewerkschaft der Polizei (GdP), dem Deutschen Lehrerverband, dem Berufsverband für Lehrkräfte und Pädagogen sowie weiterer Fachgesellschaften aus dem medizinischen Bereich, berichtet die Welt (online, 14.12.2023).
Es gehe hier um eine grundlegende Weichenstellung, die gravierende gesellschaftliche Auswirkungen entfalten werde, insbesondere mit Blick auf die Entwicklungs- und Lebensperspektiven junger Menschen. Statt den Fokus der Drogenpolitik auf eine deutliche Ausweitung zu legen, sollte dieser auf klugen und gezielten Präventionsstrategien und der Förderung von Interventionsprogrammen liegen, appellieren die prominenten Unterzeichner an die Politik.
Die Gesundheit der jungen Generation steht auf dem Spiel
Eine Cannabislegalisierung stehe zudem im Widerspruch zur internationalen Erkenntnislage und gefährde die Gesundheit der jungen Generation. Jüngst habe etwa der Ständige Ausschuss der Europäischen Ärzte (CPME) in einer umfassenden Analyse der insgesamt vorliegenden wissenschaftlichen Evidenz aufgezeigt, dass eine Cannabislegalisierung die gravierenden gesundheitlichen Schäden durch diese Droge weiter verschlimmert, heißt es in dem Schreiben.
In Deutschland seien die Strukturen der Gesundheitsversorgung, gerade auch im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, und die Strukturen der Jugendhilfe bereits jetzt überlastet. Es sei unverantwortlich, in dieser Lage weitere Gesundheitsschäden und Entwicklungsstörungen in Kauf zu nehmen, die gerade sozial benachteiligte junge Menschen betreffen werden.
Es droht eine Verharmlosung und Normalisierung der Droge
Hinsichtlich des Kinder- und Jugendschutzes würden die im Gesetz formulierten Maßnahmen nicht dazu führen, dass Kinder und Jugendliche ausreichend geschützt werden, so die Befürchtung der unterzeichnenden Organisationen. Vielmehr drohe es zu einer Normalisierung von Cannabiskonsum in der Wahrnehmung von Kindern und Jugendlichen zu kommen, sodass die Schwelle, Cannabis an Minderjährige weiterzugeben, sinkt.
Für Ordnungsbehörden, Polizei, Strafverfolgung und Gerichte würde ein massiver Mehraufwand entstehen. Ein Gesetz, das ein Verbot vorsieht, Cannabis im Umkreis von 200 Metern um den Eingangsbereich von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen und auf Kinderspielplätzen zu konsumieren, muss auch kontrolliert werden. De facto ist das jedoch bei derartigen Vorgaben unmöglich.