Ärzte und Pflegende scheuen sich davor, mit ihren Patienten über den Tod zu sprechen. Und das, obwohl bekannt ist, dass rechtzeitige Gespräche über das Lebensende sowohl für die Patienten als auch für das Betreuungsteam positive Effekte bringen (Bioethik aktuell, 14.10.2008).
Ein Report des britischen Royal College of Physicians (RCP) mit dem Titel Talking About Dying: How to Begin Honest Conversations About What Lies Ahead (Update: 2021) bietet Ärzten und Angehörigen anderer Gesundheitsberufe nun Unterstützung bei Gesprächen mit Patienten am Lebensende. Ziel ist es, dass Angehörige von Gesundheitsberufen lernen, ihre eigenen Unsicherheiten und Ängste zu benennen und zu überwinden.
„Während unserer Forschung haben wir festgestellt, dass die zeitgerechten, ehrlichen Gespräche, die sich Patienten über ihre Zukunft wünschen, nicht stattfinden. Diese proaktiven Gespräche sind jedoch von grundlegender Bedeutung für wirksame klinische Managementpläne, da sie Teil der Tätigkeit eines Mediziners sind“, hält der Report fest. Generell lautet die Empfehlung daher: Gespräche über das Lebensende sollten frühzeitig nach der Diagnose einer fortschreitenden oder unheilbaren Erkrankung geführt werden, in einem langsamen Prozess - und Ärzte sollten dabei besonders einfühlsam vorgehen.
Die Empfehlungen des Royal College of Physicians entstanden auf Grundlage von Gesprächen mit Ärzten, Patienten und Pflegenden. Sie bieten praktische Ratschläge, um mit Patienten über Unsicherheiten, Therapiebegrenzung, Wiederbelebungsmaßnahmen und den Tod zu sprechen. Außerdem sollen einige „Mythos-Killer“, so der Report, Ärzte zum Umdenken bewegen - so etwa die Meinung, dass der Tod ein Versagen der Medizin sei und Patienten gar nicht darüber sprechen wollen. Das Gegenteil sei der Fall: Patienten wollen eingebunden werden in die End-of-Life-Entscheidungen und fühlen sich durch Gespräche in ihrer Position gestärkt.
Auch kann es für Ärzte einfacher sein, eine Behandlung fortzusetzen, als klare Gespräche über das Lebensende zu führen. Mit dem „Tun“ wähnen sich Ärzte auf der sicheren Seite - und kippen mitunter in einen therapeutischen Nihilismus. Studien haben jedoch gezeigt, dass sich mehr Patienten für eine höhere Lebensqualität gegenüber einer Lebensverlängerung entscheiden würden, wenn sie aufgrund rechtzeitiger Informationen die Wahl hätten (vgl. Bioethik aktuell, 11.4.2016).
Weitere Hindernisse: Menschen mit chronischen Krankheiten werden häufig mit akuten Problemen in ein Krankenhaus eingeliefert und dort von einem Arzt behandelt, der sie nicht kennt. Unter diesen Umständen kann es für Ärzte herausfordernd sein, ein solch schwieriges Gespräch zu führen. Außerdem zweifeln insbesondere junge, aber auch ältere Mediziner an ihrer Kompetenz, sog. „schlechte Nachrichten“ überbringen zu können, und weichen den Gesprächen aus. Sie fühlen sich nicht auf den Umgang mit sterbenden Patienten vorbereitet (vgl. Bioethik aktuell, 18.11.2014). Laut britischem Report führen Unsicherheiten in der Diagnose ebenfalls dazu, Gesprächen auszuweichen sowie die Frage, ob nicht doch lieber der Haus- und nicht der Spitalsarzt über Fragen und Wünsche für das Lebensende sprechen sollte.
Für RCP-Präsidenten Andrew Goddard stellt der Report einen großen Fortschritt dar, „um Patienten, Angehörigen und Ärzten zu helfen, ehrlich über Tod und Sterben zu sprechen. Wir müssen die Hindernisse in unseren Systemen und unserer Kultur minimieren, die dies verhindern“.