In Österreich sind mehr als 50 Alten- und Pflegeheime von derzeit 908 Coronavirus-Infektionsfälle betroffen. Bezogen auf die Gesamtzahl der rund 80.000 Menschen, die hierzulande in 890 Alten- und Pflegeheimen leben, steht Österreich insgesamt aber besser da als andere Länder. „Einer der Faktoren liegt darin, dass die ambulante Versorgung von Pflegeheimbewohnern in Krankenhäusern auf ein Minimum reduziert werden konnte“, berichtet Markus Schwarz, Direktor der SeneCura-Gruppe im IMABE-Gespräch.
Dass Pflegeheimbewohner häufig ins Krankenhaus eingeliefert werden, obwohl dies akut gar nicht nötig gewesen wäre, ist ein bekanntes Problem. Ein Grund dafür liegt in der Mitunter schwer strukturierbaren Zusammenarbeit zwischen Pflegeeinrichtungen und Hausärzten (vgl. Bioethik aktuell, 11.11.2019). In Corona-Zeiten ist es deshalb umso wichtiger, die mögliche Ansteckung im Krankenhaus für Hochrisikopatienten wie Pflegeheimbewohner niedrig zu halten.
„Wir haben deshalb eine medizinische Hotline eingerichtet. Oft kann das Fachpersonal schon durch eine rasche telefonische Rücksprache mit dem Arzt klären, ob wirklich eine Krankenhauseinweisung eines Heimbewohners nötig ist oder nicht – und da geht es ja nicht um Corona, sondern um andere akute Beschwerden“, sagt Schwarz. In den 84 SeneCura Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen mit ca. 4.000 Bewohnern gibt es derzeit rund zwei Dutzend Corona-Fälle.
Einige Bewohner hätten ihre COVID-19 Erkrankung gut überstanden. Bei Bewohnern mit COVID-19 gelte es die palliative Versorgung so zu gestalten, dass sie in Würde sterben können. „Wir bemühen uns seit Jahren um eine gute Begleitung unserer Heimbewohner in der letzten Lebensphase. Ein Faktor ist dabei auch, dass sie möglichst in ihrer gewohnten Umgebung sterben können und nicht herausgerissen werden und ihre letzte Lebensphase im Spital verbringen müssen. Ältere Menschen, die mit COVID-19 sterben, können auch friedlich sterben.“
In Österreich sind mehr als 90 Prozent der COVID-19-Verstorbenen über 65 Jahre alt, knapp 78 Prozent waren älter als 75. Nur fünf waren jünger als 54 Jahre. Eine offizielle Angabe, wie viele der bislang 530 COVID-19-Toten in Alten- oder Pflegeheimen lebten, gibt es nicht.
Als erstes gilt es nun, wieder Besuche zu ermöglichen. Vereinsamung und Isolation stellen grundsätzlich ein großes Problem dar. Bei Demenzerkrankten komme noch die Belastung hinzu, dass sie bei Auftreten von COVID-Fällen im Wohnbereich durch die massive Schutzausrüstung verängstigt und verwirrt sind. Manche würden nichts mehr essen, andere werden lethargisch. „Die psychische Belastung ist für die Pflegeheimbewohner groß“, so Schwarz im Ö1-Interview (online, 21.4.2020). In der Abwägung zwischen der Sicherheit der Bewohner und ihrer psychosozialen Gesundheit beginne sich nun die Sichtweise schrittweise zu verändern. Besuchszonen hinter Plexiglas bieten eine Möglichkeit für soziale Kontakte, Angehörige müssen sich für Besuche anmelden, sie dürfen nur einzeln kommen. Auf Umarmungen und Berührungen werden man auch weiterhin verzichten müssen, so Schwarz.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat eine flächendeckende Testung in Pflegeheimeinrichtungen angekündigt. Die Bundesländer seien derzeit dazu aufgerufen, eine Priorisierung der Alten- und Pflegeheime vorzunehmen. Danach erfolge die organisatorische Abwicklung der Tests in Zusammenarbeit mit dem Bund. Mit Stand 24. April abends wurden etwa in Tirols Alters- und Pflegeheimen rund 100 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet, davon mussten 31 in den Krankenhäusern betreut werden. Zwei Drittel aller Einrichtungen wurden bereits getestet und 6.196 Tests wurden durchgeführt, teilte das Land mit. Beim Personal waren 136 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, sie befanden sich in Heimquarantäne.