Pflegeheime in Großbritannien wurden von staatlichen Gesundheitsmanagern dazu angehalten, generell Wiederbelebungsanweisungen für Bewohner zu ändern, in einigen Fällen ohne vorherige Rücksprache mit den Betroffenen, Pflegepersonal oder Angehörigen. Damit sollten Krankenhausbetten freigehalten werden. Das geht aus einem aktuellen Report des Queen's Nursing Institute (QNI) hervor (vgl. Daily Mail, online 24.8.2020)
128 Pflegekräfte und Pflegeheimmanager wurden zu ihren Erfahrungen am Höhepunkt der Coronavirus-Pandemie im März und April 2020 befragt. Dabei gab jeder Zehnte an, über den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) angewiesen worden zu sein, DNR-Anweisungen („Do not Resuscitate“- keine Wiederbelebung) pauschal für alle Bewohner zu hinterlegen. Ein anonymer Befragter sagte auf die Frage nach DNR: „Es wurde uns empfohlen, sie für alle Bewohner auszustellen.“ Man sei den Anweisungen jedoch nicht gefolgt, weil die Belegschaft diese als „unethisch“ empfunden hätten (vgl. The Week, online 24.8.2020).
Die Hälfte der betroffenen Mitarbeiter arbeitete in Heimen für Menschen mit Lern- oder kognitiven Behinderungen, die andere Hälfte in Altenheimen, berichtet The Times (online 26.8.2020). Alison Leary, Professorin für Gesundheitswesen an der London South Bank University und Co-Autorin des Reports hält die Ergebnisse für „besorgniserregend“ und fordert eine öffentliche Untersuchung. „Diese Entscheidungen wurden von NHS-Managern getroffen, nicht von Klinikern. Und dies geschah nicht nur bei älteren Menschen, sondern auch bei Menschen jeden Alters mit Lernschwierigkeiten oder kognitiven Problemen“, kritisiert Leary (vgl. The Telegraph, online, 23.8.2020).
NGOs hatten während der Krise gewarnt, dass ältere Menschen in ganz Großbritannien unter Druck gesetzt werden, Formulare zu unterschreiben, wonach sie keine Wiederbelebung wollen. Eine betroffene Angehörige hat wegen Menschenrechtsverletzungen eine Klage gegen den britischen Gesundheitsminister eingebracht (vgl. BMJ 2020;369:m1856 doi: 10.1136/bmj.m1856 (Published 7 May 2020)). Aufgrund des öffentlichen Drucks hat Anfang April 2020 der NHS-Direktor, Stephen Powis, die Verwendung von pauschalen DNR-Formularen verboten.
Gespräche über die Wünsche am Lebensende sind wichtig, in Österreich steht dafür unter anderem der vom Dachverband Hospiz Österreich entwickelte Vorsorgedialog zur Verfügung. Patienten und Heimbewohner können darin ihren Willen und ihre Wünsche für ihr Lebensende festhalten, auch den Verzicht auf Wiederbelebung oder intensivmedizinische Behandlungen. Voraussetzung dafür sind eine ausführliche Aufklärung und eingehende Gespräche mit den Betroffenen. „Die britische Vorgangsweise, sollten sich diese Vorwürfe erhärten, ist beispiellos. Labile Systeme wie Pflegeheime wurden unter extremen Druck gesetzt. Es ist erschreckend zu sehen, wie rasch strukturelle und ökonomische Zwänge ältere und besonders schutzbedürftige Menschen zu Menschen zweiter Klasse degradieren können“, betont die Wiener Ethikerin Susanne Kummer.