In den USA steigt seit der Legalisierung die Zahl von Menschen, die sich mittels Cannabis das Leben nehmen wollen. Das geht aus einer in JAMA Network Open publizierten Analyse (2023;6(4):e239044. doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.9044) hervor. Demnach ist die Zahl der suizidalen Cannabiskonsum-Fälle innerhalb von 12 Jahren im Schnitt um jährlich 17 Prozent gestiegen.
Die Forscher der Washington State University analysierten dazu die Daten der US-amerikanischen Giftnotrufzentralen. Im Zeitraum von 2009 bis 2021 wurden dort insgesamt 18.698 Fälle von Cannabiskonsum mit Suizidverdacht gemeldet. 9,6 Prozent der Fälle endete tödlich mit schwerwiegenden Folgen wie einer dauerhaften Behinderung.
Die meisten Suizidversuche durch Cannabis gibt es bei Jugendlichen
Die meisten Suizidversuche mit Cannabis wurden von Jugendlichen und jungen Erwachsenen unternommen. Senioren griffen seltener zur Cannabisdroge, um sich das Leben zu nehmen. Bei ihnen kam es jedoch bei 19,4 % zum Tod oder zu permanenten Gesundheitsschäden, berichtet Studienleiterin Janessa Graves von der Washington State University in Spokane und Mitarbeiter. Erschreckend ist die Zunahme der Suizidversuche bei Kindern im Alter von 5 bis 13 Jahren. Der Anteil ist zwar gering, hat sich aber von 2019 bis 2021 von 1,3 % auf 3,1 % erhöht, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 21.4.2023).
Bei einem Großteil der untersuchten Suizidversuche (92 Prozent) wurden neben Cannabis auch andere Substanzen konsumiert, was eine direkte Kausalität zwischen Cannabisgebrauch und Suizidversuchen nicht schlüssig belegt. Dennoch würden die Studienergebnisse Anlass zur Besorgnis, insbesondere da während und nach der Pandemie die Zunahme der Fälle bei Kindern und Frauen stärker ausgeprägt war, so die Autoren.
Die US-Giftnotrufzentralen nehmen rund um die Uhr Anrufe von Haushalten und Gesundheitseinrichtungen entgegen, um bei Verdacht auf Vergiftungen toxikologische Fachkenntnisse bereitzustellen. Sie untersuchen auch die Ursachen und setzen sich häufig mit Patienten und Ärzten in Verbindung, um festzustellen, ob die Patienten absichtlich Substanzen eingenommen haben oder nicht.
Cannabis kann erhebliche Folgen für die psychische Gesundheit haben
„Diese Studie trägt zu der bereits umfangreichen Evidenz bei, dass der Cannabiskonsum, insbesondere bei jüngeren Menschen, erhebliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben kann", sagt Co-Autorin Tracy Klein, Vize-Direktorin des Zentrums für Cannabispolitik, Forschung und Aufklärung an der Washington State University. Es gäbe Hinweise, dass Cannabis bestimmte psychische Erkrankungen verschlimmern und die Impulsivität steigern kann.
Die Autoren greifen auch das wachsende Problem von versehentliche Cannabisvergiftungen bei Kindern hin in Staaten wie etwa Kanada, die Cannabis legalisiert haben (Bioethik aktuell, 18.1.2022). Graves spricht sich deshalb für Warnhinweise vor allem bei essbaren Cannabisprodukten aus, auch um eine Verwechslung mit anderen Süßigkeiten zu vermeiden.
Autoren plädieren für mehr Aufklärung und Zugangsbeschränkungen für Jugendliche
Andere Studien haben gezeigt, dass der Cannabiskonsum bei Jugendlichen mit Depressionen und Ängsten in Verbindung gebracht wird und möglicherweise auch die Gehirnentwicklung beeinträchtigt (Bioethik aktuell, 12.2.2022). Jüngste Untersuchungen deuten zudem auf einen Zusammenhang zwischen suizidalen Gedanken und Cannabiskonsum bei jungen Menschen hin, sagte Janessa Graves, Erstautorin und außerordentliche Professorin für Krankenpflege an der WSU (WSU-Pressemitteilung, 19.4.2023).
Angesichts dieser Erkenntnisse sei es besonders wichtig, den Zugang von Jugendlichen zu Cannabis einzuschränken. „Kinder und Jugendliche sollten nicht in der Lage sein, Cannabis zu erwerben oder darauf zuzugreifen. Darüber hinaus müssen wir Kinder und Eltern über die Risiken von Cannabis aufklären. Viele Menschen sind sich wahrscheinlich nicht bewusst, welche Auswirkungen Cannabis auf die Gehirnentwicklung sowie auf das Verhalten und die psychische Gesundheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben kann“, betonen die Autoren.