Die Zahl der sog. „unerwünschten Ereignisse“ und Beinahe-Fehler, die im Zusammenhang mit künstlicher Befruchtung gemeldet wurden, sind in Großbritannien gestiegen. Dies geht aus dem Report State of the fertility sector: 2016 - 17 der offiziellen britischen Behörde für Fertilitätskontrolle, Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA), hervor. Erstmals wurde dabei die Leistungserbringung von Fertilitätskliniken und Forschungslaboratorien erfasst.
Im Jahr 2016 wurden 540 nicht erwünschter Ereignisse gemeldet - das bedeutet eine Steigerung um 8,5 Prozent gegenüber dem Jahr 2015 (497). Die Zahl der IVF-Behandlungen stieg im selben Zeitraum um nur 6 Prozent. Ein Kind, das nach künstlicher Befruchtung mit Mukoviszidose geboren wurde, wurde demnach in die höchste Kategorie (A) der unerwünschten Ereignisse eingestuft. Die Ärzte hatten wegen eines Formalfehlers die erbliche Vorbelastung der Eltern übersehen, der kranke Embryo hätte vernichtet und stattdessen ein gesunder Embryo der Frau eingesetzt werden sollen. Unter Kategorie A fällt u. a. das Absterben tiefgekühlter Embryonen nach Ausfallen von Kühlanlagen, oder das Einsetzen des falschen Embryos oder Kindestod.
Die meisten Zwischenfälle passierten in den Kategorien B (u. a. Embryonen gehen verloren oder werden beschädigt) und C (z. B. durch Fehlbehandlung unbrauchbare Eizellen). Besorgt zeigt sich die HFEA, dass offenbar nicht alle Vorkommnisse gemeldet werden.
„Die Datenlage ist in Österreich um vieles dünner“, kritisiert Bioethikerin Susanne Kummer. Es gibt - mit Ausnahme spärlicher Daten zum sog. Hyperovulationssyndrom - keine Aufschlüsselung über negative Vorkommnisse, wie etwa die viel größere Zahl der Fehlgeburten oder auch Totgeburten nach IVF. Auch das Phänomen der selektiven Abtreibung eines Embryos bei Mehrlingsschwangerschaften bleibt unerwähnt. Das Deutsche IVF-Register sei hier um einiges weiter, betont Kummer. So zeigen die im Dezember 2017 veröffentlichten deutschen Daten (Jahrbuch 2016), dass die Fehlgeburtenrate bei 20 Prozent (5.133 Fälle) lag. In 784 Fällen kam es zu schweren Komplikationen: 303 Kinder wurden im Zuge einer IVF abgetrieben, 271 Kinder wurden nach IVF mit Behinderung, 210 Kinder tot geboren. Insgesamt wurden 2015 in Deutschland mehr als 20.000 Kinder nach künstlicher Befruchtung geboren, die durchschnittliche Baby-Take-Home-Rate (Lebendgeburt pro Behandlung) betrug nur 20 Prozent.
Der deutsche Bericht weist eindringlich darauf hin, dass eine IVF ab dem 35. Lebensjahr gut zu überlegen sei: In diesem Alter lag die Geburtenrate pro Embryotransfer noch bei rund 26 Prozent, sank aber bei einer 40-jährigen auf 15 Prozent und bei einer 44-jährigen Frau auf nur noch 3,2 Prozent „Mit zunehmendem Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau nach IVF ein Kind mit nach Hause nimmt, eklatant ab. Eine Aufklärung über die niedrige Geburtenrate bei höherem Alter findet in Österreich offenbar kaum statt“, kritisiert Kummer und verweist auf die Zahlen der kürzlich in Österreich vorgelegten Statistik gemäß § 21 FMedG. Sie zeigt, dass von den rund 10.500 Frauen, die sich in Österreich im Jahr 2016 einer IVF unterzogen hatten, mehr als die Hälfte (5.800 Frauen) älter als 35 Jahre waren, davon fast 2.000 Frauen schon über 40 Jahre alt. „Hier werden offenbar falsche Hoffnungen geschürt“, kritisiert die IMABE-Geschäftsführerin.
Als „völlig unzureichend“ bezeichnet Kummer die in derselben Statistik für das Jahr 2016 vorgelegten Daten über IVF, Eizellen- und Samenspende und die Selektion von Embryonen nach einer Präimplantationsdiagnostik. Es sei nicht erkenntlich, wie oft die künstliche Befruchtung zum Erfolg führte, wie viele Versuche nach Eizellenspende fehlgeschlagen sind oder abgebrochen werden mussten, wie viele Fehl- oder Totgeburten es gab oder nach welchen Krankheiten Kinder aussortiert worden sind. „Hier sind entweder die Daten der IVF-Institute lückenhaft oder die Behörde säumig.“
Mehr als 30.000 Embryonen sind laut Statistik derzeit in Österreich tiefgekühlt gelagert. „Dass diese Produktion von Menschen auf Vorrat in Österreich solche Ausmaße angenommen hat, bedarf dringend einer Korrektur“, betont die Ethikerin.
IMABE hat aus aktuellem Anlass die IMABE-Info Präimplantationsdiagnostik (1/2018) überarbeitet und aktualisiert. Sie steht kostenlos hier zur Verfügung.