Der Hippokratische Eid: Tradition, Mythos, Fiktion

Imago Hominis (2011); 18(4): 307-316
Karl-Heinz Leven

Zusammenfassung

Der Hippokratische Eid gilt gemeinhin als ein ehrwürdiges und überzeitlich verbindliches Dokument ärztlicher Ethik. Die medizinhistorische Analyse erweist jedoch, dass sich im Themenfeld Hippokrates und Hippokratischer Eid die geschichtliche Überlieferung untrennbar mit mythischen Elementen vermischt. Die Gestalt des von Platon bezeugten historischen Hippokrates verband sich bereits in hellenistischer Zeit mit einem auf seinen Namen gestellten Schriftencorpus. Das Adjektiv „hippokratisch“ wurde in einer auf Tradition und Autorität ausgerichteten Heilkunde zu einem Qualitätsmerkmal. Der Hippokratische Eid, in der griechischen Antike unbekannt, wurde erst in der christlichen Spätantike und in der islamisch-arabischen Kultur rezipiert. Im 20. Jahrhunderts galt er im Kontext der Bearbeitung der NS-Medizinverbrechen als vermeintlich universeller ethischer Maßstab. Die medizinhistorische Perspektive analysiert das Bild des Hippokratischen Eids als Projektionsfläche für jeweils kultur- und epochenspezifische Bedürfnisse nach Identität und Selbstvergewisserung.

Schlüsselwörter: Ludwig Edelstein, Genfer Gelöbnis, Hippokrates, Hippokratischer Eid, Nürnberger Ärzteprozess

Abstract

The Hippocratic Oath is usually regarded as a venerable document of medical ethics whose issues are timeless. Within a medical praxis based on tradition and authority, since antiquity “Hippocratic” became to label unchanging quality and primal truths. Notwithstanding, the Hippocratic Oath, unknown in Greek antiquity, gained influence only in Christian late antiquity and in the Arabic-islamic tradition. 
In the 20th century, when confronted by nazi medical crimes, the Hippocratic Oath was regarded as the one universal codex of ethical principles - a picture in which professional medical historiography does not indulge but which recognizes it as yet another cultural manifestation of contemporaneous needs and concerns inscribed in the same mythical shell.

Keywords: Ludwig Edelstein, Declaration of Geneva, Hippocrates, Hippocratic Oath, Nuremberg Medical Trial


Einleitung: Hippokrates im Himmel und auf der Erde

Berufungen auf „Hippokrates“ und seinen „Eid“ begegnen häufig in der zeitgenössischen Publizistik,1 der antike Arzt und/oder der mit seinem Namen verbundene Eid bilden gleichsam ein unerschütterliches Fundament bzw. eine autoritative Instanz, die auch in härtesten medizinethischen Dilemmata Halt und Orientierung verspricht. Die Wirkung des Hippokratischen Eides strahlt, dies dürfte nicht allen bekannt sein, sogar in den Weltraum aus. In der amerikanischen Science Fiction-Serie „Star Trek“, in Mitteleuropa als „Raumschiff Enterprise“ seit den 1960er Jahren bekannt, zitieren menschliche und Alien-Ärzte ferner auch (aus Kostengründen) nur als Hologramme an Bord tätige Schiffsärzte in schwierigen Lagen von Leben und Tod einen „Hippokratischen Eid“.2 Meist ist er verkürzt auf einen einzigen Halbsatz – „to do no harm“, die hippokratische Sentenz „zu nützen oder wenigstens nicht zu schaden.“3

An vielen Medizinischen Fakultäten, in Deutschland und weltweit, ist es bei der feierlichen Übergabe der Staatsexamenszeugnisse oder der Promotionsurkunden üblich, dass die Absolvent/innen einen Gelöbnistext rezitieren; hierbei handelt es sich in Deutschland meist um das „Genfer Gelöbnis“, in englischsprachigen Ländern häufig um eine (englische) Fassung des Hippokratischen Eides.4 Anders als die Beispiele aus der Populärkultur, bizarre Krisensituationen, in denen Ärzte in dramatischen Lagen Hippokrates als (letzten) ethischen Rettungsanker bemühen, sind die Examensfeiern festliche Rituale, bei denen „Hippokrates“ für gemeinschaftsstiftende Zugehörigkeit, berufliche Identität und Loyalität steht. Dass sich der antike Arzt bis in die vermeintlich „geschichtslose“ Gegenwart so sehr als Berufungsinstanz eignet, hat, so thesenhaft zugespitzt der vorliegende Beitrag, zwei wesentliche Gründe, einen speziellen und einen allgemeinen; gemeint sind zum einen die NS-Medizinverbrechen und zum anderen ein dauerhaft vorhandenes Bedürfnis nach Mythos im Alltag.

Hippokrates vor Gericht

Im Jahr 1948 schuf in Genf die zwei Jahre zuvor in London gegründete World Medical Association (Weltärztebund) eine für alle Ärzte gültige „Declaration of Geneva“; ihr französischer Nebentitel, „Serment d‘Hippocrate, formule de Genève“, lässt deutlich erkennen, dass hier inhaltlich und formal an den Hippokratischen Eid angeknüpft wurde. Der Hippokratische Eid sollte, zeitgemäß umformuliert, als Basis der ärztlichen Ethik des 20. Jahrhunderts dienen. Die Entstehung des Genfer Gelöbnisses ist vor dem Hintergrund des vorangegangenen Nürnberger Ärzteprozesses (1946/47) zu sehen, der erwiesen hatte, zu welchen Verbrechen die moderne Medizin fähig sein konnte.5 Dieser Prozess um „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, begangen von deutschen Ärzten und Gesundheitsfunktionären des NS-Regimes, hatte auch die vom Gericht als Mord bewerteten tödlichen Experimente an Kriegsgefangenen und Insassen von Konzentrationslagern zum Gegenstand gehabt. Die Verteidigung hatte sich bemüht, die Untaten der Angeklagten durch Verweis auf vermeintlich analoge Fälle aus der medizinischen Weltliteratur zu relativieren und zu verharmlosen. Die Anklage und das Gericht kamen damit in die zunächst nicht vorausgesehene Schwierigkeit, einen unbestrittenen Maßstab für die Verbrechen der NS-Ärzte aufzustellen. Zugleich erwuchs daraus die Aufgabe, auch zukünftige medizinische Forschung ethisch zu regeln bzw. einzugrenzen. Zunächst hatte die Anklage den NS-Ärzten pauschal vorgeworfen, den Hippokratischen Eid, dem sie sich verpflichtet hätten, verletzt zu haben.6 Im weiteren Verlauf des Prozesses beriefen sich auch die Zeugen der Anklage, die als Sachverständige für medizinische Ethik berufen waren, der deutsche Medizinhistoriker Werner Leibbrand (1896 – 1974) und der amerikanische Physiologe Andrew C. Ivy (1893 – 1978), auf den Eid. Im Kreuzverhör durch die Verteidigung verwickelten sie sich jedoch in Widersprüche, aus denen zumindest klar hervorging, dass der Hippokratische Eid als zeitloser Maßstab ärztlicher Ethik und insbesondere der NS-Medizinverbrechen nicht geeignet war. Dies wurde vollends deutlich, als der (Haupt-) Angeklagte Karl Brandt (1904 – 1948 [hingerichtet]), einer der Verantwortlichen der NS-„Euthanasie“, versuchte, die medizinischen Verbrechen als eine zeitgemäße Auslegung des Hippokratischen Eides zu rechtfertigen.7 Das Gericht akzeptierte diese Interpretation des Hippokratischen Eides nicht – allerdings versuchte es auch nicht, sie zu widerlegen. Das Gericht schuf 1947, mit Unterstützung durch die Zeugen der Anklage, Andrew Ivy und Leo Alexander (1905 – 1985), einen neuen, vom Hippokratischen Eid unabhängigen, ethischen Maßstab, der als „Nürnberger Code“ in 10 Punkten „Zulässige Versuche mit Menschen“ regelte und Teil des Urteils war.8 Innerhalb eines Jahres und im Kontext der Bearbeitung der NS-Medizinverbrechen entstanden somit zwei Kodizes: zum einen der von Juristen formulierte, der Medizin aufgegebene „Nürnberger Code“ (1947) und zum anderen das von der internationalen Ärzteschaft selbst geschaffene „Genfer Gelöbnis“. Bemerkenswerterweise beriefen sich Vertreter des deutschen Ärztestandes, in eben diesen Jahren konfrontiert mit der NS-Vergangenheit der deutschen Medizin, auf den Hippokratischen Eid als vermeintlichen Kronzeugen ihrer professionellen Integrität.9

Hippokrates und Corpus Hippocraticum

Unter dem Namen des Hippokrates ist eine Schriftengruppe überliefert, modern Corpus Hippocraticum genannt, die aus ca. 60 Schriften (die Zählung variiert) zu allen Themenbereichen der Heilkunde besteht.10 Wie bereits in der Antike erkannt, können keineswegs alle Texte von einem Autor verfasst worden sein. Nicht nur die Spannweite der Thematik, sondern offensichtliche Widersprüche und Gegensätze grundsätzlicher Art machen deutlich, dass verschiedene Autoren am Werk waren. Hinzu kamen „Qualitätsunterschiede“ der Schriften, die in verschiedenen Epochen unterschiedlich wahrgenommen wurden. Die Entstehungszeit des Corpus reicht vom späten 5. Jh. v. Chr. bis in die späthellenistische Zeit. Das Schriftencorpus ist offensichtlich erstmals im hellenistischen Alexandria unter dem Autornamen des Hippokrates zusammengestellt worden.11 Dort begann auch die Hippokrates-Exegese in Form von Kommentaren zu einzelnen Schriften; diese Kommentare, die in der antiken Medizin sehr einflussreich waren, sind bis auf einen, denjenigen des Apollonios von Kition (1. Jh. v. Chr.), nur bruchstückhaft überliefert. In hellenistischer Zeit beriefen sich Ärzte auf Hippokrates als Qualitätsausweis eigener Anschauungen. In einer Medizin, die ihre Autorität aus der Tradition bezog, war das Adjektiv „hippokratisch“ eine Art Markenzeichen. Im Streit verschiedener antiker Ärzteschulen, so etwa der „Herophileer“ mit den „Empirikern“, galt es auch, die eigenen Ansichten als „hippokratisch“ und diejenigen des Gegners als „un-hippokratisch“ zu erweisen. Hierbei war es wichtig, sich auf den „echten“ Hippokrates zu berufen bzw. denjenigen, den man dafür hielt.

Der griechische Arzt Galen aus Pergamon (129 – ca. 210 n. Chr.) verstand es, das Hippokrates-Bild entscheidend zu prägen und sich selbst als den vollkommenen „Hippokratiker“ zu stilisieren. Er erfand damit gleichsam Hippokrates, und sein Bild des Meisters von Kos wirkt bis heute nach.12 Die Grundlehre des Hippokrates sah Galen in der Schrift „Über die Natur des Menschen“ enthalten. Seither gilt Hippokrates als Begründer der Vier-Säftelehre (Humoralpathologie), die in dieser Schrift erstmals angerissen ist.

Die Frage der „Echtheit“ einzelner hippokratischer Schriften ist eng verknüpft mit den Anschauungen über die Entstehung des Corpus Hippocraticum.13 Die seit der Antike traditionelle Sicht, der auch Galen anhing, besagte, dass Hippokrates auf Kos eine Schule begründet und selbst einige der „besten“ Schriften des späteren Corpus verfasst habe.14 Seine Schüler und Nachfolger hätten diesem „echten“ Kern des Corpus einen Kranz von „unechten“ Werken beigesellt. Alle Schriften hätten sich zunächst auf der Insel Kos befunden und die dortige „Ärztebibliothek“ gebildet. Von dort seien die Texte in frühhellenistischer Zeit in das Zentrum der Wissenschaften, die Bibliothek des neu gegründeten Alexandria, gelangt. Die alexandrinischen Gelehrten hätten die Schriften unter dem Namen des Hauptautors – Hippokrates – katalogisiert und herausgegeben. Das Corpus bestünde demnach aus „echten“ und „unechten“ Schriften.

Für diese von der Antike bis heute geläufige Theorie sprechen einige innere und äußere Indizien. So stammen die ältesten Schriften („Epidemien I, III“, „Prognostikon“ u. a.) aus der Lebenszeit des historischen Hippokrates (um 400 v. Chr.); die Texte lassen eine innere Verwandtschaft erkennen. Weiterhin war es glaubhaft, dass die ptolemäischen Herrscher Ägyptens alle Bücher, auch diejenigen auf der Insel Kos, die zu ihrem Herrschaftsbereich gehörte, nach Alexandria geschafft hätten.

Dies glaubte auch Galen, obwohl keine Quelle darüber berichtet.15 Die Problematik der antiken Echtheitskritik wird am Beispiel Galens besonders augenfällig.16 Die hippokratische Schrift „Über die Natur des Menschen“ war von Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) einem sonst unbekannten Autor namens Polybos zugewiesen worden (Aristoteles, Historia animalium 512 b 12). Dies hätte bedeutet, dass ausgerechnet die „Programmschrift“ schlechthin nicht von Hippokrates stammte. Galen löste dieses Dilemma, indem er eine geteilte Autorschaft postulierte; in der späteren Antike wurde Polybos zudem als „Schwiegersohn“ des Hippokrates bezeichnet und damit gleichsam in die Familie aufgenommen.

Der historische Hippokrates und der Hippokrates-Roman

Platon (428/27 – 348/47 v. Chr.) erwähnt in zwei Dialogen den Arzt Hippokrates als Zeitgenossen des Sokrates (469 – 399 v. Chr.). Im „Protagoras“ (311 bc), dessen fiktiver Zeitpunkt (also die Gesprächsituation mit Protagoras, Hippias und Prodikos) vor 429 v. Chr. liegt, erwähnt er den „Koer Hippokrates, den Asklepiaden“, der gegen Bezahlung junge Leute zu Ärzten ausbilde; für Platon hatte Hippokrates in der Medizin denselben hohen Rang, den Polyklet bzw. Pheidias in der Plastik und Protagoras unter den Sophisten hatte (Protagoras 311c). Im platonischen Dialog „Phaidros“ (270 a) heißt es beiläufig, dass Hippokrates eine wissenschaftliche Methode anwende, indem er den Körper im Zusammenhang mit der „Natur des Ganzen“ betrachte. Allerdings bleibt offen, ob die Natur des ganzen Körpers oder diejenige des Alls gemeint ist. Dieses Zeugnis Platons über Hippokrates, so beiläufig es erscheinen mag, sollte für das Bild, das sich spätere Generationen von dem „Vater der Heilkunde“ machten, besonders wichtig werden. Platons Schüler Aristoteles erwähnt eine Generation später, dass Hippokrates von Gestalt eher klein, als Arzt aber groß, d. h. bedeutend gewesen sei, fügt also den Bemerkungen Platons inhaltlich nichts hinzu („Politik“ 1326 a 15f.). Als Autor medizinischer Fachtexte wird dieser Hippokrates nicht bezeichnet.

Wie also gelangte das umfangreiche Corpus Hippocraticum unter seinen Namen? Eine „traditionelle“ Theorie (Schulbildung auf Kos, Verlagerung der Ärztebibliothek) wurde bereits erwähnt; doch gibt es eine andere, als „skeptisch“ zu bezeichnende Theorie.17 Danach katalogisierten die alexandrinischen Philologen eine anonyme Sammlung medizinischer Schriften und wählten als Autornamen denjenigen Arzt, den die Klassiker der Antike schlechthin – Platon und Aristoteles – als bedeutenden Arzt ihrer Zeit genannt hatten: Hippokrates von Kos, über den man nichts wusste, außer was Platon (und Aristoteles) berichteten. Die „skeptische“ Theorie vermutet, dass der historische Hippokrates hinter dem fiktiven Autor verschwunden sei.

Bereits in Alexandreia sei man nicht mehr fähig gewesen, überhaupt „echte“ Schriften zu benennen, also habe man z. T. willkürliche Kriterien in der Echtheitskritik gewählt. Das Bedürfnis, mehr über den Autor der hochgeschätzten und im ärztlichen Gebrauch befindlichen Schriften zu erfahren, sei durch spätere legendenhafte biographische Texte erfüllt worden. Letztere, modern als „Hippokrates-Roman“ bezeichnet, schildern in grellen Farben, wie Hippokrates als großer Arzt und hellenischer Patriot lebte und wirkte.18 Dieser Roman entstand, als das Corpus Hippocraticum längst vorlag. Die „skeptische“ Theorie betont daher, dass das Hippokrates-Bild des Romans nicht dazu tauge, Schriften des Corpus in ihrer Echtheit zu beurteilen, vielmehr zeige der Roman die Sehnsucht nach biographischen Details aus dem Leben des vermeintlichen Stammvaters der Medizin, dessen nützliche Schriften man schon besaß. Hippokrates erscheint im Roman als ein äußerst langlebiger, vielgereister und dabei etwas geheimnisvoller Arzt – diese Gestalt brauchte man, um das heterogene Corpus zu erklären.

Für die „skeptische“ Betrachtungsweise, die im 20. Jahrhundert insbesondere von dem klassischen Philologen und Medizinhistoriker Ludwig Edelstein (1902 – 1965) seit Beginn der 1930er Jahre ausgestaltet wurde, bleibt von Hippokrates wenig mehr als sein Name – „ein Name ohne jede noch fassbare historische Wirklichkeit“.19

Die „traditionelle“ Theorie bestand (und besteht) seit der Antike und wirkt zunächst alleine durch ihre lange Wirkungsgeschichte bereits glaubwürdiger als Edelsteins „skeptische“ Anschauung. Allerdings ist bereits um 1900, d. h. eine Generation vor Edelstein, ein wesentlicher Eckpfeiler der „traditionellen“ Anschauung eingestürzt: die Rede ist von einem Papyrus des Britischen Museums, dem sog. Anonymus Londinensis, einem fragmentarisch erhaltenen spätantiken Auszug (1./2. Jh. n. Chr.) aus einem antiken Abriss der Medizingeschichte.20 Die überragende Bedeutung dieses Fundes erklärt sich daraus, dass hiermit ein auf Aristoteles bzw. dessen Schüler Menon zurückgehendes Zeugnis über Hippokrates vorliegt; es handelt sich um eine aussagekräftige vor-hellenistische Quelle, die Platons Angaben ergänzt. Der Text hat seit seiner Entdeckung für Verstörung gesorgt; vereinfacht ausgedrückt schreibt der Anonymus dem Hippokrates eine medizinische Theorie zu, die zwar im Corpus Hippocraticum enthalten ist, aber seit der Antike als „unecht“ galt. Denn leider, so müsste man als Anhänger der „traditionellen“ Theorie sagen, ist es nicht die Viersäftelehre! Um gleichwohl die tradierte Sichtweise zu retten, haben moderne Interpreten behauptet, Aristoteles bzw. Menon habe sich geirrt und dem Hippokrates die falsche Theorie zugeschrieben. Dies behauptete bereits der spätantike Bearbeiter des Anonymus Londinensis, der sich genauso gewundert hatte wie die modernen Gelehrten. Geprägt von Platons Hippokrates-Bild glaubte man stets zu wissen, was „hippokratisch“ sei: die interessantesten und wirkmächtigsten, Ärzte aller Epochen ansprechenden Texte und Gedanken des Corpus Hippocraticum. Dieses Idealbild des Hippokrates ist freilich stets die Rückprojektion des späteren Hippokrates-Mythos in klassische Zeit gewesen und damit zugleich ein in die Geschichte verlegtes Idealbild der eigenen medizinischen Realität.

Der Hippokratische Eid im Umfeld des Corpus Hippocraticum

Fragen der Echtheitskritik, wie sie hier für das Corpus Hippocraticum skizziert wurden, sind auch für den Hippokratischen Eid bedeutsam, also die Fragen nach Autorschaft und Datierung.21 Im Unterschied zu einigen hippokratischen Texten, die eindeutig der Zeit um 400 v. Chr. zugeordnet werden können und damit in die Lebenszeit des historischen Hippokrates fallen, scheint der Eid in der griechischen Antike unbekannt gewesen zu sein. Doch ist er in der späteren Überlieferung, so in den ältesten vorliegenden Handschriften der byzantinischen Zeit aus dem 10. Jahrhundert, dem Corpus Hippocraticum als Eingangsseite vorangestellt; durch diese hervorgehobene Position wurde (und wird) der Eid – im Sinne der „Paratextualität“ – zur Essenz des Corpus Hippocraticum, „zum eigentlichen Vermächtnis des Hippokrates, zur Leitformel seiner gesamten Lehre und zum Gütesiegel seiner Medizin“.22 Dass dieser Eid nicht dem historischen Hippokrates zuzurechnen ist, ist schon länger Konsens der Forschung.23 Gleichwohl galt (und gilt mancherorts) der Eid, wenn schon nicht als Werk des Meisters von Kos, als „hippokratisch“ in einem übertragenen Sinne; W. H. S. Jones, Herausgeber hippokratischer Texte, darunter des Hippokratischen Eids und seiner Textvarianten, glaubte an die Ausstrahlungskraft des Eides sogar bei denjenigen Ärzten, die ihn gar nicht gekannt hätten.24 Losgelöst von der Autorschaft des Hippokrates ist die Verbindlichkeit des Eides in der Antike zu problematisieren. Bei einem vermeintlichen Schlüsseldokument hippokratischen Denkens wäre zu erwarten, es häufiger in der antiken Literatur erwähnt zu finden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Eid ist zwar mit der im Corpus Hippocraticum enthaltenen Medizin vereinbar, aber keine der zahlreichen Schriften des Corpus Hippocraticum bezieht sich inhaltlich oder formal auf ihn; dies gilt auch für die sog. deontologischen Texte des Corpus, die ethische Aspekte der ärztlichen Tätigkeit thematisieren.25 Die früheste Erwähnung des Eids findet sich im 1. Jahrhundert n. Chr. bei dem Griechen Erotian und bei Scribonius Largus, der Kaiser Claudius (41 – 54 n. Chr.) als Leibarzt diente. Soran von Ephesos, der Ende des 1. Jh. n. Chr. in Rom tätig war, paraphrasiert in seinen gynäkologischen Schriften eine Passage des Hippokratischen Eids; Hippokrates habe gesagt: „Ich werde niemandem ein Abortivum geben.“26 Der griechische Wortlaut bei Soran lautet allerdings anders als der ansonsten überlieferte griechische Text des Eids an dieser Stelle. Es handelt sich um das sog. „Abtreibungsverbot“ des Hippokratischen Eids, das in seinem wörtlichen Sinn schwierig zu erfassen ist. Es ist freilich in der späteren abendländischen Tradition des Eids häufig als ein generelles Abtreibungsverbot aufgefasst worden.27

Bemerkenswerterweise ist der Eid in den griechisch überlieferten Schriften Galens (2. Jh. n. Chr.), der durchgehend das Idealbild des Hippokrates beschwört und sich selbst in dessen Nachfolge stellt, nicht erwähnt. In der mittelalterlichen arabischen Überlieferung wird Galen allerdings ein Kommentar zum Hippokratischen Eid zugeschrieben. Hunain Ibn Ishaq (808 – 873), christlicher arabischer Arzt und Philologe in Bagdad, erwähnt erstmals diesen Kommentar, den er aus dem Griechischen ins Syrische übersetzt habe.28 Die Schrift ist nur fragmentarisch, in Zitaten bei späteren arabischen Autoren überliefert. Darin geht es nicht um die ethischen Vorschriften des Eids, sondern um Fragen des mythischen Ursprungs der Medizin, um Asklepios und dessen Ikonographie.

Zurück zu Hippokrates

Der Hippokratische Eid hat seine eigentliche Wirkung erst seit der christlichen Spätantike und in der mittelalterlichen islamischen Kultur entfaltet.29 Dass im Mittelalter der hippokratische Eid nicht nur tradiert, sondern auch rezipiert wurde, zeigen Textvarianten in der handschriftlichen Überlieferung. So finden sich Fassungen, in denen die Invokation der paganen Heilgötter (Apoll, Asklepios, Hygieia) an die christliche oder islamische Umgebung angepasst wurde. Zwei griechische Manuskripte (Vatikan, Urbinas graec. 64 und Mailand, Ambrosianus B 113 sup.) bieten den christlich modifizierten Text in Kreuzform, um die Kongruenz von hippokratischer und christlicher Ethik zu verbildlichen. Das nicht eindeutige „Abtreibungsverbot“ wurde im christlichen Sinne als ein generelles Abtreibungsverbot umformuliert.30 In der Renaissance wurde die Passage des „Abtreibungsverbots“ ebenfalls eindeutig, d. h. im Sinne eines kategorischen Verbotes ins Lateinische übersetzt.31 In der Frühen Neuzeit tauchen Versatzstücke des Hippokratischen Eids in den Promotionseiden und Fakultätsstatuten der medizinischen Hochschulen auf.32 Der komplette Text wurde erstmals in Montpellier, gemäß den Statuten des (nachrevolutionären) Jahres 1804, von den Absolventen der Medizin rezitiert. Andere Universitäten, insbesondere in den USA, folgten dem Beispiel, einen „Hippokratischen“ Eid (variablen Wortlauts) einzuführen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert verebbte diese Welle, da in der nun naturwissenschaftlich orientierten Medizin der Meister von Kos seinen Nimbus verloren hatte. Nachdem der anfängliche Fortschrittsoptimismus im 20. Jahrhundert enttäuscht wurde, erschien auch das Ideal des Hippokrates wieder am Horizont. In einer „Krise der Medizin“ nach dem Ersten Weltkrieg wurde „hippokratisch“ in Deutschland ein attraktives Etikett, mit dem sich unterschiedliche Richtungen der Medizin schmückten.33 1928 erschien erstmals die Zeitschrift „Hippokrates“ im gleichnamigen Stuttgarter Verlag (die bis 1978 bestehen sollte).34 Dieser modische „Hippokratismus“ einigte „biologische“, „ganzheitliche“ und „natürliche“ Bestrebungen sehr unterschiedlicher Arzt-Persönlichkeiten. „Hippokratisch“ meinte für diese Ärzte nichts Bestimmtes, sondern etwas Gutes und Echtes, also gerade das, was ihre eigene Medizin auszumachen schien. Unzufrieden mit der Gegenwart suchten manche Außenseiter Autorität für ihre (z. T. bescheidenen) neuen Ansätze in der vermeintlich idealen Vergangenheit. 

Eine Richtung dieses neuen „Hippokratismus“ war deutsch-national und „völkisch“ geprägt und neigte seit den frühen 1930er Jahren der NS-Ideologie zu. Von hier führte ein Weg zu einer NS-spezifischen Rezeption des Hippokratismus, die 1942 in einer Ausgabe hippokratischer Schriften zum Gebrauch für SS-Ärzte Gestalt annahm.35

Ein einziges Mal wurde im NS-Regime der Hippokratische Eid öffentlich als Argument benützt, als der Freiburger Pathologe Franz Büchner (1895 – 1991) in seinem Vortrag „Der Eid des Hippokrates. Die Grundgesetze der ärztlichen Ethik“ am 18. November 1941 die Tötung von Kranken und Behinderten kritisierte.36 So mutig Büchners offener Widerstand gegen das Regime war, so anachronistisch war sein Argument: Nicht der Hippokratische Eid verbot die Ermordung von Kranken im Deutschen Reich, sondern das Reichsstrafgesetzbuch. Hierauf wiesen andere Gegner der Krankenmorde hin, so der Bischof (später Kardinal) von Münster Clemens August Graf von Galen (1878 – 1946) in öffentlichen Predigten im August 1941.37

Dass im Nürnberger Ärzteprozess der Hippokratische Eid nicht als Maßstab für die Verbrechen der NS-Ärzte taugte, wurde eingangs erwähnt. Stattdessen schuf das Gericht den „Nürnberger Code“, der als neues Fundament ärztlicher Forschungsethik wirken sollte. Hingegen stellte der Weltärztebund 1948 sein „Genfer Gelöbnis“ bewusst in die hippokratische Tradition, woraus einmal mehr die identitätsstiftende Bedeutung des Mythos Hippokrates erhellt.38

Die Erfindung des Hippokrates

Für eine „traditionelle“ Sicht auf Hippokrates war und ist der Eid ein Schlüsseldokument der antiken ärztlichen Ethik mit einem fortdauernden, überzeitlichen Anspruch. Die im 20. Jahrhundert aufgekommene „skeptische“ Sicht auf Hippokrates hat das Idealbild epochen- und kulturspezifisch historisiert. Es überrascht nicht, dass der Protagonist dieser „skeptischen“ Sicht, Ludwig Edelstein, auch hinsichtlich des Hippokratischen Eides eine mit der Tradition brechende Theorie aufstellte. Bestimmte Passagen des Textes, so das sog. „Euthanasie-Verbot“ und das sog. „Chirurgie-Verbot“ ließen ihn folgern, der Eid sei im 4. Jahrhundert v. Chr. als esoterische Formel einer kleinen pythagoreischen Ärztegruppe entstanden.39 Ein pythagoreischer, geheimer Ärzteeid fügte sich freilich nicht in ein überzeitliches ideales Arztbild. Edelstein bemerkte rückschauend bitter scherzend, dass er „Hippokrates den Bart abscherte“.40 In den frühen 1930er Jahren trotz seiner provokanten Thesen noch als origineller Kopf der Medizingeschichte gewürdigt, wurde Edelstein 1933 als Jude aus Deutschland vertrieben; zwischen seiner Existenz als Emigrant, der in den USA an seine frühere Karriere anknüpfen konnte, und seinen Werken, so seiner Studie über den Hippokratischen Eid (1943), besteht ein innerer Zusammenhang.41 Edelsteins Theorie vom pythagoreischen Charakter des Eids, die einige Probleme plausibel löst, ist allerdings im Kern spekulativ und wird in der neueren Forschung nicht mehr vertreten.42

Überzeugend jedoch und nicht widerlegt ist Edelsteins Standpunkt, den zeitgebundenen Charakter jeder medizinischen Ethik zu betonen und damit den Hippokratischen Eid, das vermeintliche Grundgesetz der ärztlichen Ethik aller Zeiten, als Mythos und Projektionsfläche von Wunschvorstellungen zu erkennen. Die verzweigte Wirkungsgeschichte des Eids in Mittelalter und Neuzeit ist als Rezeptionsgeschichte dieses vieldeutigen Textes zu analysieren. Der Hippokratische Eid und das auf ihn bezogene Genfer Gelöbnis sind Kristallisationskerne eines fortwährenden Ethikdiskurses. Vorstellungen, wie sie öffentlich oder in ärztlichen Kreisen gelegentlich vorgebracht werden, sich „zurück zu Hippokrates“ zu wenden, erweisen sich als Instrumentalisierung eines Mythos – eines Mythos, der offensichtlich einen Bedarf erfüllt. Der Hippokratische Eid selbst ist und bleibt, mit den Worten des Medizinhistorikers Owsei Temkin (1902 – 2002), „a puzzling document.“43

Referenzen

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  18. Pinault J. R., Hippocratic Lives and Legends, Brill, Leiden (1992)  
  19. Edelstein L., Hippokrates, in: Pauly‘s Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Supplement 6, Stuttgart (1935), Sp. 1290-1345, hier Sp. 1328; Smith W. D., siehe Ref. 11, S. 43; zu Ludwig Edelstein vgl. Rütten Th., Ludwig Edelstein at the Crossroads of 1933. On the Inseparability of Life, Work, and their Reverberations, Early Science and Medicine (2006); 11: 50-99  
  20. Flashar H., Anonymus Londinensis, in: Leven K.-H. (Hrsg.), siehe Ref. 10, Sp. 52-54; Manetti D., Aristotle and the Role of Doxography in the Anonymus Londiniensis, in: Eijk Ph. v. d. (Hrsg.), Ancient Histories of Medicine, Brill, Leiden (1999), S. 95-141  
  21. Jouanna J., siehe Ref. 10, S. 401 f.; Leven K.-H., Hippokratischer Eid, in: Leven K.-H. (Hrsg.), siehe Ref. 10, Sp. 420-423; Staden H. v., “In a pure and holy way”. Personal and Professional Conduct in the Hippocratic Oath?, Journal of the History of Medicine (1996); 51: 404-437; Staden H. v., The Oath, the Oaths, and the Hippocratic Corpus, in: Boudon-Millot V., Guardasole A., Magdelaine C. (Hrsg.), La Science médicale antique. Nouveaux regards, Beauchesne, Paris (2007), S. 425-466  
  22. Rütten Th., Hippokrates im Gespräch, Münster (1993), S. 52  
  23. Eine Ausnahme bildet hier Lichtenthaeler Ch., Der Eid des Hippokrates. Ursprung und Bedeutung, Deutscher Ärzteverlag, Köln 1984, S. 323, der glaubte, mit „kumulierender Evidenz“ bewiesen zu haben, dass Hippokrates Autor des Eids gewesen sei.  
  24. Jones W. H. S. (Ed./transl.), Hippocrates, Vol. I, Cambridge/Mass., London (1923), S. 296. „So some [Greek] physicians did not feel bound by all the clauses, and some may not have felt bound by any. We may suppose, however, that no respectable physician would act contrary to most of the Oath, even if he were ignorant of its existence.”  
  25. Zu dieser Textgruppe vgl. Edelstein L., The Professional Ethics of the Greek Physician, in: Edelstein L., Ancient Medicine, Temkin O., Temkin C. L. (Hrsg.), Johns Hopkins Univ. Press, Baltimore (1987), S. 319-348; Gourevitch D., Le triangle hippocratique dans le monde Gréco-Romain, Paris (1984), S. 251-288; Staden  H. v., Character and Competence. Personal and Professional Conduct in the Greek Medicine, in: Flashar H., Jouanna J. (Hrsg.), Médecine et morale dans l’antiquité, Vandoeuvre, Genf (1997), S. 157-210  
  26. Soranos d’Éphèse, Maladies des femmes, 1, 20, Burguière P., Gourevitch D., Malinas Y. (Ed./trad.), Paris (1988), S. 59  
  27. Rütten Th., Receptions of the Hippocratic Oath in the Renaissance. The Prohibition of Abortion as a Case Study in Reception, Journal of the History of Medicine (1996); 51: 456-483  
  28. Rosenthal F., An Ancient Commentary on the Hippocratic Oath, Bulletin of the History of Medicine (1956); 30: 52-87  
  29. Ullmann M., Die Medizin im Islam, Brill, Leiden (1970), S. 32f., S. 62; Temkin O., Hippocrates in a World of Pagans and Christians, Johns Hopkins Univ. Press, Baltimore (1991), S. 181-183  
  30. Der „originale“ Text lautet (in Übersetzung): „ich werde keiner Frau ein keimvernichtendes Vaginalzäpfchen verabreichen“; daraus wurde in der christlichen Fassung: „ich werde Frauen kein Abtreibungsmittel geben, weder von unten noch von oben“ (griechischer Text bei Jones W. H. S., The Doctor’s Oath. An Essay in the History of Medicine, Cambridge (1924), S. 22f.)  
  31. Rütten Th., siehe Ref. 27  
  32. Nutton V., What’s in an Oath?, College Lecture, Journal of the Royal College of Physicians of London (1995); 29: 518-524  
  33. Timmermann C., A Model for the New Physician. Hippocrates in Interwar Germany, in: Cantor D. (Hrsg.), siehe Ref. 1, S. 302-324  
  34. Bothe D., Neue Deutsche Heilkunde 1933-1945. Dargestellt anhand der Zeitschrift „Hippokrates“ und der Entwicklung der volksheilkundlichen Laienbewegung, Matthiesen, Husum (1991)  
  35. Grawitz E. R. (Hrsg.) [1899-1945, Reichsarzt SS und Präsident des Deutschen Roten Kreuzes], Ewiges Arzttum. Bd. 1 Hippokrates, bearb. Gottlieb B. J., Prag (1942), hierzu Leven  K.-H., siehe Ref. 1, S. 75; Bruns F., Medizinethik im Nationalsozialismus. Entwicklungen und Protagonisten in Berlin (1939-1945), Steiner, Stuttgart 2009, S. 81-84  
  36. Seidler E., Leven K.-H., Geschichte der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg im Breisgau. Grundlagen und Entwicklungen, Alber, Freiburg 2007, S. 545-548  
  37. Klee E., „Euthanasie“ im NS-Staat. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. (1985), S. 334f.  
  38. Die Standesvertretung der deutschen Ärzteschaft (Arbeitsgemeinschaft der Westdeutschen Ärztekammern) wurde 1950 unter Auflagen in den Weltärztebund aufgenommen; eine Auflage bestand darin, das Genfer Gelöbnis (in deutscher Übersetzung) der Berufsordnung für die deutschen Ärzte als Präambel voran zu stellen. Daher ist in dieser deutschen Fassung des Genfer Gelöbnisses die Freiwilligkeit des englischen Originals („I make these promises solemny, freely and upon my honour“) weggelassen („Dies alles verspreche ich feierlich auf meine Ehre.“), vgl. Leven K.-H., Der Hippokratische Eid im 20. Jahrhundert, in: Toellner R., Wiesing U. (Hrsg.), Geschichte und Ethik in der Medizin. Von den Schwierigkeiten einer Kooperation, G. Fischer, Stuttgart (1997), S. 111-129, hier S. 123  
  39. Edelstein L., The Hippocratic Oath. Text, Translation and Interpretation, Johns Hopkins Univ. Press., Baltimore (1943), wieder abgedruckt in Edelstein L., siehe Ref. 25, S. 3-63  
  40. Temkin, Introduction, in: Edelstein L., siehe Ref. 25, S. vii 
  41. Überzeugend herausgearbeitet von Rütten Th., siehe Ref. 19  
  42. Staden H. v., siehe Ref. 21, S. 409f.; zur neueren Forschung vgl. auch Schubert Ch., Scholl R., Der Hippokratische Eid. Wie viele Verträge und wie viele Eide?, Medizinhistorisches Journal (2005); 40: 247-273  
  43. Temkin O., What Does the Hippocratic Oath Say?, in: Temkin O., “On Second Thought” and Other Essays in the History of Medicine and Science, Johns Hopkins Univ. Press, Baltimore (2002), S. 21

Anschrift des Autors:

Prof. Dr. med. Karl-Heinz Leven
Institut für Geschichte und Ethik der Medizin
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Glückstraße 10, D-91054 Erlangen
Karl-Heinz.Leven(at)gesch.med.uni-erlangen.de

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