Editorial

Imago Hominis (2008); 15(2): 91-93
Friedrich Kummer

Die Apotheke ist ein öffentlicher Ort, wo Medikamente (Heilmittel) angeboten und verkauft werden, die von alters her zur Behandlung von Krankheiten dienen. In neuerer Zeit kann zunehmend auch die Prävention von Krankheit in der Apotheke „erkauft werden“, beginnend mit den Impfungen bis herauf zur Vorbeugung von Arteriosklerose und Osteoporose, sogar die „gesündere Gesundheit“ (enhancement) ist wohlfeil geworden.

Das Berufsbild des Apothekers leitet sich – mindestens dem Namen nach – vom griechischen „apothéke“ für „Lagerraum“ ab und sieht den Apotheker als dessen „Verwalter“. Dieser Typos erfuhr aber schon im Mittelalter eine kräftige Aufwertung, als im „Edikt von Salerno“ (1241) dem Apotheker quasi das Monopol (gegenüber den Ärzten) zur Führung von Arzneimitteln eingeräumt wurde.

Von dort aus können wir den großen Bogen zum modernen Berufsbild des Apothekers spannen, der ein großes Kontingent an Heilmitteln nach persönlicher Beratung des Patienten abgeben kann. Sein Hauptumsatz ist aber an die Erfüllung von ärztlichen Wünschen (Verschreibungen) gebunden, wobei er sich der Rolle des mundtoten Erfüllungsgehilfen entledigt hat, ja geradezu her-ausgefordert ist, ärztliche Verordnungen zu hinterfragen, wenn dies seine Sachkenntnis erfordert.

Hier orten wir eine Analogie zu neuen Entwicklungen im Pflegeberuf, der zu einer „Diskursfähigkeit“ (fast) auf Augenhöhe mit dem Arzt gefunden hat. Ein bedingungsloses Dienen aus einer hoffnungslos untergeordneten Position heraus gehört der Vergangenheit an, der Berufsstand ist gegenüber den Ärzten – zu beiderseitigem Vorteil übrigens – aufgewertet, was seine Rechte und Befugnisse betrifft.

An „Rechte“ sind aber untrennbar neue „Pflichten“ gebunden. Wie steht es darum, auch mehr Verantwortung zu übernehmen? Dem Arzt wird ja seit jeher zugemutet, tagtäglich sein Berufsethos zu mobilisieren und sich dem Umgang mit schweren Entscheidungen (über Leben- oder Sterbenlassen, im Interesse seines Patienten sogar mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen etc.) nicht zu entziehen. Auf solches Terrain müssen sich keine Pflegepersonen wagen.

Zum Unterschied zu letzteren sieht sich aber der Apotheker unversehens dem Druck der verantwortlichen (Gewissens-)Entscheidung ausgesetzt, wenn von ihm (mit oder sogar ohne ärztliche Verschreibung) die Herausgabe von Medikamenten gefordert wird, die potentiell lebenszerstörend wirken sollen. Dies geschieht z. B. in der nachbarlichen Schweiz, wo die Rezeptur von Pentabarbital nicht wie bisher ausschließlich zur Einschläferung von Tieren, sondern – über EXIT und Dignitas – auch für den assistierten Suizid von Menschen verschreibbar ist.

Auch bei uns werden manche destruktiv wirkende Medikamente eingefordert, z. B. von gewissen Fachabteilungen (privaten, aber auch öffentlichen), welche sich auf die medikamentöse Abtreibung mit Mifepriston „spezialisiert“ haben.

Und nun gibt es seit einiger Zeit die „Pille danach“ (Levonorgestrel), die es auf den Blastozysten als den kleinsten, gefährdetsten Menschen abgesehen hat, indem ihm direkt oder indirekt die Lebensgrundlage (Nidation) entzogen wird. Beim gedankenlos handelnden Apotheker wird das Präparat 1) lagernd sein und 2) ungefragt ausgefolgt werden, auch als „Notfall“ mitten in der Nacht. Wenn er aber durch Information über das Produkt hinaus gerüstet ist und das Ganze seinem Gewissen vorgelegt hat, so wird er abwägen, ob er durch Ausfolgung des Medikamentes sein Gewissen mit einem Risiko von 1 : 20 für den Tod eines Embryos belasten will.

Tatsächlich liegt hier ein besonderer Fall von Gewissensnot vor, der die Herausgeber zu dem vorliegenden Themenheft stimuliert hat:

Für die Apotheke/die Apotheker besteht ein „Kontrakt“, der die Ordnung in der Versorgung mit Heilmitteln für die Bevölkerung gewährleisten soll. Erhebt dieser nun einen Absolutheitsanspruch (Kontrahierungszwang)? Kann die Vertragserfüllung unter Strafe geboten sein (z. B. Kündigung der Person/des Vertrages), wenngleich die Verweigerung der Pillenabgabe mit jenen unverhandelbaren moralischen Normen des/der Betroffenen nicht in Einklang steht? Wer solche Sanktionen dennoch riskiert, wird wohl als Märtyrer einer höheren Gesinnung als der Staatsräson angesehen werden können – wie weiland Franz Jägerstätter oder Thomas Morus.

Die in diesem Heft gebotenen Beiträge sind – trotz der eingegrenzten Themenvorgabe – von einer erstaunlichen Bandbreite der informativen Gesichtspunkte (rechtsphilosophisch, berufs-ethisch, sozialethisch, medizinisch). Sie werden eine wertvolle Grundlage für die allgemeine Meinungsbildung in einer öffentlichen Diskussion liefern, die eben erst im Anlaufen ist.

F. Kummer

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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