Editorial

Imago Hominis (2019); 26(1): 003-005
Susanne Kummer

Nur wer richtig informiert, Empathie zeigt und auf die Bedürfnisse des Patienten eingeht, kann das Vertrauen des Kranken gewinnen, ihn in seiner Eigenverantwortung stärken und für eine Therapie motivieren. Psychologen der Universität Basel und der Harvard Medical School untersuchten 47 Studien aus Europa, Asien, Nordamerika und Australien, die sich mit dem Zusammenhang von Vertrauen und der Verbesserung des Gesundheitsstands bei Personen in ärztlicher Behandlung beschäftigten. Das Ergebnis der in 2017 in Plos One veröffentlichten Meta-Anaylse: Wo Patienten ihren Ärzten, Therapeuten und dem Pflegepersonal vertrauen, führt dies signifikant zu einer Verbesserung der subjektiv wahrgenommenen Beschwerden, der Zufriedenheit und der Lebensqualität. Die empirischen Daten geben laut Autoren einen klaren Hinweis, wie wichtig vertrauensvolle Beziehungen in klinischer Umgebung sind. Sie fordern, dass der Aufbau und die Sicherung von Vertrauen zu einem integralen Bestandteil der klinischen Ausbildung und Praxis gemacht werden.

Auch Ärzte müssen in der „sprechenden Medizin“ dazulernen: Studien zufolge unterbrechen sie ihre Patienten bereits nach 15 Sekunden. Irgendwie scheint es fast trivial und dennoch überrascht es: Weder Ärzte noch Pflegende können ihren Heilungsauftrag ausführen, wenn das Vertrauen des Patienten fehlt. Kommunikation, Empathie, Respekt und Information sind laut Studien für Patienten um ein Vielfaches wichtiger als das Essen oder das schöne Zimmer. Nur wo es genügend Raum für Gespräche gibt, könne der Patient überhaupt Vertrauen zur Medizin und zum behandelnden Arzt gewinnen. Wie kann dieser Raum gewonnen werden? Welche Kompetenzen braucht es dafür?

Diese und weitere Frage stellten sich Fachexperten beim interdisziplinären IMABE-Symposium über Kommunikation am Krankenbett: Herausforderungen für Medizin und Pflege, das im Oktober 2018 in Kooperation mit der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) und der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA) in Wien stattfand.

Mit Kunst des Aufbaus und Erhalts einer geglückten Arzt-Patienten-Kommunikation beschäftigt sich Maximilian Gottschlich, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Wien. Die Grundlage einer kommunikativen Medizin ist das Mitgefühl. Ohne Mitgefühl kann es zwar eine effizienzorientierte Gesundheitsindustrie und medizinische Spitzenforschung, nicht jedoch eine Kultur des Heilens geben. Das Erstellen oder Erlernen von rein technischen Kommunikationsmodellen reiche nicht für das Zustandekommen menschlicher Begegnung. Eine mitfühlende Medizin heißt nach Gottschlich, „besondere Sensibilität für die seelischen und emotionalen Bedürfnisse der Menschen“ zu entwickeln. Kommunikation und Heilen gehören untrennbar zusammen.

Gelungene Kommunikation und Interaktion sei weniger eine Frage der Technik, als vielmehr eine Frage von Persönlichkeit und Charakter, macht der in Salzburg und den USA lehrende Philosoph und Theologe Clemens Sedmak (University of Notre Dame) deutlich. Ethik stößt an Grenzen, die darauf aufmerksam machen, dass das Entscheidende in der Begegnung von Mensch zu Mensch nicht im Tun, sondern im Sein liegt. Gerade beim Thema der Kommunikation am Krankenbett reiche es nicht aus, Prinzipien zu nennen, sie müssen auch in glaubhafter Weise „bewohnt“ werden. Da dies eine Frage des „Seins“ und weniger eine Frage des „Tuns“ ist, eine Frage also, die die ganze Person betrifft, bewegen wir uns hier im Feld der Spiritualität und nicht mehr der Ethik, so Sedmaks These. Techniken können in einem Seminar vermittelt werden, ethische Prinzipien (zumindest als Ideen) ebenso, nicht aber eine Lebensform. Keine noch so gute ethische Theorie könne dem Menschen die Arbeit abnehmen, an seiner Persönlichkeit zu arbeiten und Haltungen zu erwerben – einfach, indem man sich immer wieder darum bemüht, das Gute zu tun. Grundlegende Momente für ein „gutes Gespräch“ sind nach Sedmak u. a. das Wohlwollen, die Wahl des geeigneten Moments, das richtige Anfangen und Aufhören und die Bereitschaft, sich durch den anderen verändern zu lassen.

Patienten empfinden eine schwere Krankheit nicht bloß körperlich und emotional, sondern als existenzielle Bedrohung. In ihrer Not bräuchten sie eine „annehmende Resonanz“, betonte der Krankenhausseelsorger Erhard Weiher vom Uniklinikum Mainz. Schwerkranke und Angehörige müssten sich vor allem „verstanden und wertgeschätzt“ wissen. Ärzte und Pfleger seien dank ihrer Berufsrolle ein besonderes „Auffang-Gefäß“ und ein „verlässlicher Pol, an dem sich Leidende aufrichten können“, so der Theologe. „Nicht wir geben den Patienten Trost, sondern wir helfen ihnen, dass sie an ihre eigenen Trostquellen heran kommen!“ Wichtig sei für Menschen, die in Gesundheitsberufen arbeiten, das Bewusstsein: „Wir können die Krankheit nicht beseitigen, wohl aber die ‘Tragflügel’ verbreitern, mit denen Menschen ihrem Schicksal begegnen können.“

Die Kommunikationspädagogin Renate Csellich-Ruso geht auf die Herausforderungen der transkulturellen Kommunikation im Gesundheitswesen ein. Inter- und transkulturelle Kompetenz fordert Hintergrundwissen über vielfache Zusammenhänge wie Gesellschaftsstrukturen oder kulturell geprägte Krankheits- und Heilungskonzepte und ist Ausgangspunkt für kultursensibles Therapieren.

In ihrem Beitrag zeigt die Mediatorin und Juristin Martina Pruckner (FH Kärnten) Wege auf zur Optimierung der interprofessionellen Kooperation. Die Gestaltung multiprofessioneller Zusammenarbeit hängt nicht nur davon ab, wie die handelnden Personen miteinander umgehen. Sie wird darüber hinaus maßgeblich durch Programme, Strukturen und Prozesse bestimmt.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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