Von der Mikroevolution zur Makroevolution?
Zusammenfassung
Wissenschaftliche Erkenntnisse haben seit jeher einen Einfluss auf unser Weltbild und daher auf das Leben der Menschen. Leben wird in der heutigen Gesellschaft unterschiedlich beurteilt, wobei dem menschlichen Leben ein einzigartiger Stellenwert zukommt. Die Evolutionstheorie stellt nun einen Bezug zwischen Menschen und tierähnlichen Vorfahren her. In der aktuellen Presse werden daher Befürchtungen laut, dass die Evolutionstheorie zu einem Wertewandel führen könnte, der der Gesellschaft Schaden zufügt. Ein Blick auf die molekularen Grundlagen der Evolution zeichnet ein anderes Bild: Leben im ständigen Wandel. Niemand sollte Angst vor der Evolution haben. Argumentation entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse ist in unserer heutigen Informationsgesellschaft sinnlos. Wissenschaft bedarf aber der Interpretation, und bei ihrer Anwendung in gesellschaftlichen Belangen spielen menschliche Kreativität und Fantasie eine wesentliche Rolle. Eine Rückbesinnung auf unsere Abstammung sollte daher zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit der Umwelt und zum Leben des Menschen im Einklang mit der Natur veranlassen.
Schlüsselwörter: Evolution, Molekularbiologie, Leben
Abstract
Scientific discovery always has implications for society and for the people‘s lives. The theory of evolution continues to be viewed by some as harmful to society. But what does it say and what does this mean? The issue is that we see human life being put in relation to that of animals by evidence of human descent from ancestors akin of animals. Molecularly viewed evolution is the mechanism by which species avoid extinction – and so nobody should be afraid of evolution. Arguments against science are useless in today’s information society. After all, we make and obey the laws of society, but the laws of nature are not voted in by a democratic process. Nonetheless, application of scientific knowledge in society needs interpretation for which human creativity and fantasy are key ingredients. Reflecting on human descent should encourage us in adopting new ideas of living in agreement with nature and with more respect towards the environment.
Keywords: Evolution, molecular biology, life
Es ist ein düsterer Gedanke an den Dodo († 1690, Wappentier von Mauritius), den Moa († 1500) oder den tasmanischen Tiger († 1930, größter je lebender Raubbeutler). Alle diese Tierarten sind in der Zeit unserer Ururgroßeltern ausgestorben. Das Aussterben von Arten bewegt und motiviert einerseits zum Natur- und Umweltschutz und zur Erhaltung bedrohter Tiere, andererseits regt es auch zum Nachdenken an. Das Leben auf unserem Planeten scheint eine ununterbrochene Kette von Generationen. Wird diese Kette unterbrochen so ist der Fortbestand der Art oder der Erblinie nicht gegeben und für die Zukunft ausgelöscht und verloren. Die kontinuierliche Entstehung neuer Arten ist im Bewusstsein der Menschen nicht so präsent. Dabei sind beide Erscheinungen Zeichen der Veränderung des Lebensraums. Evolution kann in diesem Blickpunkt als die Kunst einer Spezies oder Gattung verstanden werden, das Aussterben zu vermeiden. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind zur Zeit unvollständig bekannt. Die Naturwissenschaften im Bereich der „Life Sciences“ bieten jedoch einige Aspekte und Hinweise, die die Evolutionstheorie auch für die Gesellschaft interessant machen. Es mag daher überraschen, dass in der zeitgemäßen Presse Stimmen zu vernehmen sind, die die Evolutionstheorie einzig anzweifeln oder auch gerne verwerfen möchten. Das ist ungewöhnlich. Denn niemand sollte Angst vor der Evolution haben. In diesem kurzen Text sollen einige molekulare Grundzüge der Evolution dargestellt und auf interessante Aspekte hingewiesen werden. Für umfassendere Abhandlungen sei auf die Literaturreferenzen verwiesen, da dieser Text bewusst einfach gehalten ist, um für eine möglichst breite Leserschaft verwendbar zu sein.
Zufällige Mutationen wandeln das Erscheinungsbild von Organismen
Die Information, die die Entwicklung und das Leben von Organismen steuert, ist im Erbgut verankert. Über die Abfolge der Basen im Genom wird diese Erbinformation zur nächsten Generation weitergegeben. Die Basenabfolge der DNA des Genoms zahlreicher Arten einschließlich des Menschen wurde seit den 90er Jahren entschlüsselt.1 Bei der Weitergabe der Erbinformation wird das Erbgut verdoppelt und dann auf die Nachkommen verteilt. Dabei kommt es immer wieder zu kleinen Fehlern. Veränderungen in der Erbinformation – Mutationen – bedingen nun Veränderungen des Erscheinungsbildes der Organismen. Viele dieser Mutationen passieren zufällig bei der Verdopplung des Erbmaterials und haben keine günstige Auswirkung. Häufen sich solche Mutationen an, kann das zu überlebensbedrohlichen Ausfällen bei der Entwicklung des Organismus führen. Dieser Prozess lässt sich sowohl bei Mikroorganismen als auch bei menschlichen Erbkrankheiten beobachten. Im besten Fall kann eine Veränderung im Erbgut zu positiven Veränderungen führen. Dies soll am Beispiel von Bakterien in einem sich verändernden Lebensraum verdeutlicht werden, dazu Abb. 1. Bakterien haben ein ringförmiges Genom, das bei der Vermehrung verdoppelt und dann jeweils auf die zwei Tochterzellen verteilt wird. In diesem Erbmaterial sind alle Informationen für den Stoffwechsel enthalten, so auch zum Abbau von Zucker zur Energiegewinnung. Wird nun eine solche Information bei der Verdopplung fehlerhaft weitergegeben, sind in den Nachkommen Stoffwechseldefekte zu beobachten. Bakterien, die die Fähigkeit zur Energiegewinnung verloren haben, sind nicht mehr lebensfähig und sterben ab. Damit wird aber auch die fehlerhafte Erbinformation nicht mehr zur nächsten Generation weitergegeben und wird aus dem Lebensraum eliminiert. Das bedeutet also, dass im Zuge des Generationenwechsels eine Auswahl von geeigneten Erbmaterialien stattfindet – Selektion. Viele Mutationen betreffen Abschnitte des Erbmaterials, die nicht lebensnotwendig sind. Solche Mutationen können dann sehr wohl an die nächste Generation weitergegeben werden und haben entweder eine geringe oder gar keine Auswirkung auf die Überlebensfähigkeit der Organismen. Ändern sich aber die Lebensbedingungen, zum Beispiel bei der Einnahme eines Antibiotikums, so sterben sehr viele Bakterien ab, da sie keine Stoffwechselwege besitzen, um mit der Bakterien tötenden Medizin fertig zu werden. Haben aber Veränderungen im Erbgut einzelner Bakterien stattgefunden, die die Wirkung des Antibiotikums aufheben, können diese Bakterien überleben und den ganzen Lebensraum bevölkern. Dadurch wird ersichtlich, dass eine Mutation ungerichtet auftreten kann, und sich zu einem späteren Zeitpunkt bei einer Veränderung der Umgebungsbedingungen als vorteilhaft auswirkt. Mutation und Selektion sind zeitlich getrennt, die Mutation ist von der Selektion kausal unabhängig, und die Selektion von der Mutation abhängig. Ein praktisches Beispiel aus dem medizinischen Alltag sind Bakterienstämme, die gegen viele Antibiotika resistent sind. Solche Keime überleben die Behandlung mit Antibiotika und stellen eine besondere Herausforderung an die moderne Medizin dar. Das Auftreten dieser Organismen wird auf die fortwährende Selektion durch Anwendung von Antibiotika in klinischen Zentren zurückgeführt.
Wie viel Information ist im Genom?
Eine interessante Frage ist, wie viel Information im Genom nun tatsächlich gespeichert ist. Dazu schaut man sich am besten die chemische Struktur der Erbinformation an. Die DNA ist eine lineare Abfolge von Basen, die je vier verschiedene chemische Strukturen haben können. Also handelt es sich um einen Text, der aus 4 Buchstaben besteht, jede Stelle im Genom enthält einen Informationsgehalt von zwei Bit. Multipliziert man diese Informationsmenge mit der Gesamtzahl von Basen im Genom erhält man den Informationsgehalt des Genoms. Für Bakterien ergibt sich dabei ein Wert von ungefähr 10 Millionen Bit. Um diese Informationsmenge in Bezug zu setzen sei angemerkt, dass eine handelsübliche Compact Disc rund das 500-fache an Information trägt. Das bakterielle Genom enthält ganz offensichtlich wesentlich weniger Information als das Lebenswerk der Beatles. Warum? Es muss hier klar gestellt werden, dass die Informationseinheit sinnvoll verarbeitet werden muss. Wird eine Daten-CD als Musik abgespielt, entsteht keinerlei sinnvolle Interpretation, ebenso ist die Musik der Beatles im Textverarbeitungsprogramm völlig sinnlos. Bei der Information im Genom verhält es sich genauso. Sie ist im Reagenzglas nicht fähig, Leben entstehen zu lassen, sondern allein zum „Betrieb“ von Leben ausreichend, wenn sie in einer bereits existierenden Bakterienzelle richtig benutzt werden kann. Das Leben basiert daher auf der Betriebsinformation des Genoms und einem vorhandenen Grundinformationsgehalt einer Zelle. Der Informationsgehalt der Zelle kann nicht einfach abgeschätzt werden, leitet sich aber aus der Summe aller vorhergegangenen Generationen bis hin zur Entstehung des Lebens ab. Es kann angenommen werden, dass der Wert für diese Grundinformation des Lebens beträchtlich höher ist als die im Genom enthaltene Informationsmenge. Der Punkt ist aber, dass durch Veränderungen im Erbgut sowohl das Erscheinungsbild als auch diese Grundinformation geändert werden kann. Dazu ein Beispiel: In einem halben Liter Nährmedium leben 100 Millionen Bakterien, und diese teilen sich in einer halben Stunde. Dabei entstehen Fehler bei der Verdopplung der Erbinformation, sodass in einer von 10 Bakterien der Folgegeneration eine Base im Genom geändert ist. Daraus ergibt sich, dass im Nährmedium innerhalb von 30 Minuten Bakterien erzeugt werden, die jeweils eine einzige Mutation an jeder beliebigen Stelle im Genom tragen. Das ganze Genom wird also in der Population gewandelt und kann dann einer Selektion unterworfen werden. Der Prozess scheint sehr effizient abzulaufen, da Veränderungen im Erbgut unmittelbar auf das Erscheinungsbild Einfluss nehmen und die Teilung der Bakterien sehr rasch erfolgt.
Entwicklung höherer Lebewesen
Ein typisches Säugetiergenom enthält rund tausendmal mehr Information als das Genom von Bakterien. Der Informationsinhalt des menschlichen Genoms beträgt rund 10 Milliarden Bit und würde gerade noch auf einer CD Platz finden. In höheren Tieren wie auch im Menschen liegen die Erbinformationen in Form von Chromosomen in doppelter Ausführung vor. Ein kompletter Satz von Chromosomen wird von der Mutter und ein weiterer vom Vater geerbt. Dies erhöht die Stabilität des Genoms und schützt vor der Auswirkung von Mutationen, da jeweils eine intakte Erbinformation im zweiten Chromosomensatz enthalten ist. Das Erbmaterial wird bei Tieren über geschlechtliche Vermehrung weitergegeben: Der doppelte Chromosomensatz wird dazu getrennt und je ein einfacher Satz über die männlichen und weiblichen Keimzellen an die Nachkommen vererbt. Bei der Befruchtung findet eine Mischung des Erbmaterials der Eltern statt und durch die neue Kombination von Erbinformationen können Änderungen im Erscheinungsbild der Nachkommen bewirkt werden. Die Weitergabe der Erbinformationen erfolgt ausschließlich über die Zellen der Keimbahn, während somatische Zellen, die die Gewebe des Körpers aufbauen, wesentlich die der Selektion unterworfenen Merkmale bestimmen. Wenn man bedenkt, dass die Generationszeit von Säugetieren zwischen 6 Wochen und 30 Jahren liegt und damit rund tausend mal länger ist als die der Bakterien, wie soll man sich dann die Evolution von höheren Organismen vorstellen?
Die Geschlechtsbestimmung bei Säugetieren
Einen gewissen Einblick in die Mechanismen zur Evolution der Genome von höheren Tieren erhält man, wenn man die molekularen Grundlagen der sexuellen Reproduktion betrachtet. In der Natur werden verschiedene Mechanismen verwendet, um das Geschlecht eines Individuums festzulegen. Bei Schildkröten und Alligatoren ist die Temperatur ausschlaggebend. Werden Schildkröteneier bei niedriger Temperatur ausgebrütet, wird Schnappi ein Kröter, bei höherer Temperatur werden weibliche Nachkommen erzeugt. Diese Art der Geschlechtsbestimmung hängt vollständig von konstanten Umweltbedingungen ab. Bei Klimaveränderungen scheint das Aussterben der Art unvermeidlich. Bei Säugetieren und dem Menschen tragen die Geschlechtschromosomen X und Y die entscheidende Information. Am Y-Chromosom findet sich das SRY Gen, das die männliche Geschlechtsausprägung bestimmt.2 Männer haben ein X- und ein Y-Chromosom und Frauen besitzen zwei X-Chromosomen. Da das X- und das Y-Chromosom gleich häufig vom Vater an die Nachkommen weitergegeben werden, kommen Buben und Mädchen mit ähnlicher Wahrscheinlichkeit auf die Welt und die Population bleibt stabil. Das ist ein großer Fortschritt gegenüber der temperaturabhängigen Geschlechtsbestimmung, man denke nur an Eiszeiten. Auf der anderen Seite finden sich nun im männlichen Chromosomensatz zwei sehr unterschiedliche Chromosomen.3 Das Y-Chromosom ist klein und trägt nur wenige Erbanlagen, die ausschließlich in der Keimbahn benötigt werden.4 Auf dem X-Chromosom hingegen befinden sich rund 5% der gesamten Erbinformation des Menschen. Daraus resultiert eine ungleiche Ausstattung des Erbgutes von Männern und Frauen. Diese wird dadurch ausgeglichen, dass eines der beiden X-Chromosomen in weiblichen Zellen abgeschaltet wird.5 Das zweite X-Chromosom ist zwar noch vorhanden, die betreffende Erbinformation übt aber keinen Einfluss mehr auf das Erscheinungsbild aus. Die X-Chromosom Inaktivierung in weiblichen Säugetieren ist ein erstaunlicher Prozess, der das Überschneiden von Evolution und Entwicklungsbiologie in aller Klarheit aufzeigt. Eines der beiden X-Chromosomen wird dabei in der frühen Embryonalentwicklung für die Stilllegung gewählt und das andere bleibt aktiv. Dadurch ist sowohl beim Mann als auch bei der Frau nur ein X-Chromosom aktiv, und die Entwicklung beider Geschlechter kann vom Erbgut gesteuert werden.
Evolutionsmotor der Säugetierentwicklung
Bei männlichen Säugetieren findet sich das X-Chromosom in einfacher Kopie, während alle anderen Chromosomen doppelt vorliegen. Mutationen auf dem einzigen X wirken sich daher unmittelbar auf das Erscheinungsbild aus und können der Selektion unterworfen werden. Im Gegensatz dazu werden Mutationen auf anderen Chromosomen zum Teil durch die Erbinformation am jeweils zweiten homologen Chromosom ausgeglichen. Eine schnelle und effiziente Selektion der Erbanlagen ist nur am X-Chromosom in männlichen Säugetieren gewährleistet. Man kann annehmen, dass die Entwicklung der charakteristischen Eigenschaften von Säugetieren dadurch maßgeblich mitbestimmt wurde. Am menschlichen X-Chromosom findet sich demnach auch ein erhöhter Anteil an Erbanlagen, die bei der Entwicklung von Hirn, Muskeln und Keimbahn eine Rolle spielen.6 Durch das einzelne X-Chromosom werden aber auch ungünstige Mutationen sichtbar. So sind über 100 Erbkrankheiten bekannt, die Erbanlagen am X-Chromosom betreffen und sich in Männern auswirken.7 Beispiele sind die erbliche Rot-Grün-Blindheit oder die Bluterkrankheit.
In weiblichen Säugetieren sind Zellen vorhanden, die entweder das väterliche oder das mütterliche X-Chromosom abgeschaltet haben.8 Dadurch entsteht ein Mosaik aus Zellen, sodass Mutationen auf einem X-Chromosom durch Zellen, die das jeweils andere X-Chromosom aktiv haben, ausgeglichen werden können (Abb. 2). Daraus resultiert ein Schutz vor der Auswirkung ungünstiger Mutationen. Bei Säugetieren wird durch erhöhten Transfer von Nährstoffen von der Mutter durch die Plazenta sowie nach der Geburt eine wesentlich längere Entwicklung der Nachkommen ermöglicht. Der Reproduktionserfolg hängt dabei maßgeblich von der Konstitution weiblicher Individuen ab. Säugetieren scheint es also durch den Mechanismus der X-Chromosomen Inaktivierung gelungen zu sein, die Selektion von Merkmalen über eine erhöhte Variabilität des männlichen Erscheinungsbildes bei gleichzeitiger Erhaltung der reproduktiven Fitness zu erreichen. Weiters scheint die im Genom gespeicherte Information großteils schon vor der Entstehung der Säugetiere vorhanden gewesen zu sein scheint. Vorstufen der Plazenta, eines charakteristischen Merkmals von Säugern, sind bereits bei einigen Reptilien zu beobachten.9 Durch Neukombination dieser Erbinformationen und effiziente Selektion sind die charakteristischen Merkmale der Säugetierevolution zum Vorschein gekommen.
Evolution von kleinen Tieren in großen Schritten?
Zieht man in Betracht, dass im Genom Mechanismen kodiert sind, mittels derer Kombination und Selektion von Merkmalen begünstigt werden, kann man sich Evolution auch auf der Ebene höherer Tiere zumindest ansatzweise vorstellen. Diese Mechanismen würden wahrscheinlich ausreichen um bestehende Merkmale abzuwandeln und zu verbessern. Wie zum Beispiel die Hirn- und Intelligenzentwicklung während der Evolution der Primaten und Hominiden. Um das Auftreten neuer Arten und die Innovationen im Tierreich zu erklären, muss man an größere Veränderungen im Erbgut denken. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass die Körpergröße von Organismen die Generationszeit und die Wandelbarkeit der Merkmale stark beeinflusst. Man kann annehmen, dass Veränderungen bei kleineren Tieren rascher vollzogen werden können. Die Evolution der Menschenaffen könnte mit einem kleinen Affen, dem vor 42 Millionen Jahren lebenden und etwa 10 Gramm schweren Eosimias, einen Anfang genommen haben.10 Dies wird durch den heute lebenden Lemuren Microcebus myoxinus verdeutlicht, der ein Körpergewicht von lediglich 28 Gramm besitzt. Es ist dann vorstellbar, dass aus solchen ursprünglichen Innovationsschritten durch Selektion größere und leistungsfähigere Nachkommen hervorgegangen sind. Als Grundlage für die Innovation kann man massive Umordnungen im Genom ansehen. Eine Verdopplung des Genoms ist bei Säugetieren gegenüber Wirbeltieren zu beobachten. Eine weitere Tetraploidisierung durch Verdopplung des Genoms ist heute auch bei der südamerikanischen Ratte Tympanoctomys barrerae zu beobachten, die über das doppelte Genom eines typischen Säugetieres verfügt.11 Die in Asien und Indien beheimateten Arten des Muntjak besitzen verschiedene Chromosomenzahlen aber sehr ähnliches Erscheinungsbild.12 Vertreter verschiedener Muntjaks können gemeinsame Nachkommen zeugen, die dann aber nicht mehr fruchtbar sind. Daraus wird ersichtlich, dass die Umordnungen des Genoms im Evolutionsprozess so stattfinden müssen, dass die Innovationen auch überleben und sich fortpflanzen können.
Abschließende Bemerkungen
Das Genom der Organismen erfüllt drei Aufgaben. Erstens steuert es die Entwicklungs- und Stoffwechselprozesse in jeder Zelle. Zweitens wird die Erbinformation mittels der Zellen der Keimbahn an die nächste Generation weitergegeben. Drittens sind im Genom Mechanismen verankert, die die Evolution begünstigen. Das Genom ist dabei nicht auf Stabilität, sondern auf die Anpassung in kommenden Generationen optimiert. Die Säugetiere haben sich nach dem Aussterben der Saurier im Laufe der letzten 65 Millionen Jahre rasch entwickelt.13 Man könnte vermuten, dass diese rasante Evolution auch heute noch im menschlichen Genom nachwirkt. Das einzelne X-Chromosom im männlichen Karyotyp und X-Inaktivierung als molekulare Komponenten eines leistungsfähigen Evolutionsmotors sind erhalten. Verallgemeinernd kann angenommen werden, dass langfristig gesehen nur Bestand hat, was mit der Evolution vereinbar ist. Könnte fortan die Kenntnis der Selektionskriterien der Säugetierevolution bei sozialen Fragen unserer Kulturgesellschaft nicht auch zu Nutzen und Vorteil gereichen?
Referenzen
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DI Dr. Anton Wutz
Institut für molekulare Pathologie, Universität Wien
Dr. Bohr-Gasse 7, A-1030 Wien
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