Zur Regierungsvorlage des „Bundesgesetzes, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz geändert werden soll“ – FMedGNov2004
Im Jänner 2004 hat das Bundesministerium für Justiz den Entwurf zu einer Novelle des Fortpflanzungsmedizingesetzes zur Begutachtung versandt. Kurz zusammengefasst enthielt der Entwurf:
- Ein Klonverbot
- Ein Verbot für Eingriffe in die Keimbahn
- Eine Verlängerung der Aufbewahrungsfrist für Samen und Eizellen sowie für Embryonen bis zum 50. Lebensjahr der Frau.
- Ergänzungen der Strafbestimmungen, die vor allem zur rechtlichen Durchsetzung des inzwischen totes Recht gewordenen § 10 des Gesetzes abzielen.
IMABE hat in seiner Stellungnahme 1), 2) und 4) als notwendig und sinnvoll bejaht und aus ethischen Gründen bedauert und kritisiert, dass Embryonen überhaupt aufbewahrt werden dürfen (Vgl.34/SN-131/ME).
Nun hat am 9. November 2004 der Ministerrat die Regierungsvorlage der Novelle beschlossen und an das Parlament zur Beratung weitergeleitet. Sie wird am 1. Dezember 2004 im Justizausschuss behandelt und voraussichtlich am 9. Dezember 2004 im Plenum verabschiedet. Bedauerlicherweise sind in dieser Vorlage die an sich begrüßenswerte Vorschläge des Entwurfes 1), 2) und 4) nicht mehr enthalten. Es wird nur mehr die Verlängerung der Frist zur Aufbewahrung von Keimzellen und Embryonen von der Regierung vorgeschlagen.
Dazu nimmt das Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) folgendermaßen Stellung:
1. Ein ausdrückliches Klonverbot ist aus politisch-ethischen Gründen dringend notwendig.
In den Erläuterungen der Regierungsvorlage wird lediglich gesagt, dass die Auseinandersetzung mit diesem Thema „noch fortgeführt werden“ muss und „dabei wird auch die Entwicklung in anderen Staaten zu beobachten sein“. Dass sich die österreichische Regierung diese Argumentation zu Eigen macht, ist höchst befremdlich. In der UNO hat die Österreichische Vertretung zugesichert, bei einer Abstimmung den Vorschlag von Costa Rica zu unterstützen, der vorsieht, eine jede Klonungsart verbietende Konvention zu verabschieden. Nun will die Regierung innenpolitisch abwarten und „beobachten“. Das ist bedauerlich, weil gerade bei dieser Frage viel davon abhängt, dass genügend Länder als Vorreiter eine klare Position beziehen. Eines müsste heute jedem klar sein: die Option, die therapeutisches Klonen bejaht und dabei reproduktives Klonen verbieten will, ist völlig unrealistisch. Es ist mittlerweile das Schicksal der Biopolitik, dass streng begrenzte Ausnahmen zur Normalsituation mutieren. Was ursprünglich als Ausnahme genehmigt wurde, wird früher oder später zum Bestandteil der Regel. Sollte einmal Klonen zu Therapiezwecken verwirklicht sein, so werden Implantationsversuche zur Erzielung einer Schwangerschaft nicht mehr zu vermeiden sein. Dann werden Verbote in vielen Ländern nicht viel helfen.
Das einzig richtige Vorgehen wäre der vollständige Verzicht auf die Klonungstechnik. Österreich hätte die Chance vertan, überzeugend dafür einzutreten.
2. Aus politisch-ethischen Überlegungen sollte das Verbot von Eingriffen in die Keimbahn in der Regierungsvorlage verbleiben.
Obwohl für eine solche Therapie heute keine entsprechende Technik zur Verfügung steht, würde es zu einem Fortpflanzungsmedizingesetz gehören, dass solche Eingriffe ausgeschlossen werden.
3. Die Aufbewahrung von Embryonen ist ethisch bedenklich, weshalb es bedauerlich ist, dass die Novelle eine Verlängerung der Aufbewahrungsfrist vorsieht.
Die vorgeschlagene Verlängerung der Aufbewahrungsfrist von Embryonen ist überflüssig. Durch die Aufbewahrung von Samen- und Eizellen kann sichergestellt werden, dass jederzeit die benötigten Embryonen hergestellt werden können. Die Frau braucht sich dann nicht mehr einer „belastenden und überdies kostspieligen Hormonbehandlung zu unterziehen“, sondern die bereits vorhandenen Eizellen können aufgetaut, befruchtet und der Frau eingepflanzt werden. Das Einfrieren von Embryonen ist also auch in diesen Fällen ganz und gar unnötig und sollte verboten werden. Damit würde die Produktion „überzähliger“ Embryonen, die niemals eingepflanzt und deshalb irgendwann getötet werden müssen – was leider in vielen Ländern zur Praxis geworden ist – verhindert werden.
Die Tatsache, dass das Einfrieren und Aufbewahren von Eizellen vorerst weniger effizient ist als das bei Embryonen und daher weltweit nur von wenigen Zentren für Reproduktionsmedizin angeboten wird, ist unseres Erachtens kein ausreichender Grund, um die Kryokonservierung von Embryonen zuzulassen. Hier müsste dem Lebensschutzrecht unbedingt Vorrang gegeben werden.
4. Auf jene im Entwurf des Ministeriums enthaltene Strafbestimmung, die den Missstand verhindern würde, dass § 10 (überzähligen Embryonen darf es nicht geben) totes Recht ist, sollte nicht verzichtet werden.
Das geltende Gesetz, das auch dem Schutz der Embryonen verpflichtet ist, sieht vor, dass „nur so viele Eizellen befruchtet werden, wie nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung innerhalb eines Zyklus für eine aussichtsreiche und zumutbare medizinisch unterstützte Fortpflanzung notwendig sind“ (vgl. § 10 des Gesetzes). Was genau damit gemeint ist, kann aus den Erläuterungen des Gesetzes entnommen werden, die in den 216 Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVIII. GP enthalten sind. Dort wird gesagt: „Bei der In-Vitro-Fertilisation entspricht es dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung, der Frau mehrere Eizellen zu entnehmen, zu befruchten und in ihren Körper einzubringen. Dadurch steigen die Erfolgsaussichten der Behandlung. Um die Entstehung ‚überzähliger’ entwicklungsfähiger Zellen zu verhindern, schränkt § 10 solche mehrfache Befruchtungen auf das für eine Erfolg versprechende Behandlung erforderliche Maß ein. Dabei wird – entsprechend mehrerer Vorschläge im Begutachtungsverfahren – klargestellt, dass nur so viele Eizellen befruchtet werden dürfen, wie innerhalb eines Zyklus benötigt werden. Dies bedeutet auch, dass alle befruchteten Eizellen in den Körper der Frau eingebracht werden. Die ausdrückliche Festschreibung einer derartigen Verpflichtung erscheint jedoch nicht sinnvoll, da der Frau bis zur Einbringung der entwicklungsfähigen Zellen ein Widerrufsrecht zuerkannt wird (vgl. § 8 Abs. 4).“
Leider ist es in den österreichischen Zentren für Reproduktionsmedizin übliche Praxis, möglichst viele Eizellen zu befruchten, die zum Teil für den Fall aufbewahrt werden, dass der erste und vielleicht noch der zweite Transfer fehlschlagen. § 10 wird in Wirklichkeit nicht eingehalten. Dies wollte das Ministerium im Entwurf vom Jänner d. J. verhindern, in dem dieser Verstoß als Verwaltungsübertretung (§ 3a) deklariert, und mit einer Geldstrafe von EUR 36.000,– geahndet hätte werden sollen. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wird nicht erklärt, warum die im Entwurf vom Jänner vorgesehene Strafbestimmung fallen gelassen wurde.
§ 10 ist nicht nur totes Recht, weil keine Strafen für die Erzeugung von unnötigen überzähligen Embryonen festgelegt werden, sondern weil das Gesetz in § 17 erlaubt, diese, aus welchem Grund immer, ungesetzlich erzeugten Embryonen nunmehr 10 Jahre lang aufzubewahren, was, wie oben erwähnt, im Widerspruch zu § 10 steht.
5. Es ist dringend angezeigt, die Präimplantationsdiagnostik, die zuletzt ausführlich diskutiert wurde, ausdrücklich zu verbieten.
Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist ethisch im höchsten Maß bedenklich, weil sie nicht im Dienste einer heilenden oder leidenslindernden Therapie steht, sondern allein im Dienste der Entscheidung über Leben und Tod. Sie ist ein unmittelbares Instrument der Selektion und mittelbares Instrument der Tötung von Menschen. Die Anwendung dieser Technik würde nicht den Grundsätzen entsprechen, die die Österreichische Gesetzgebung in Zusammenhang mit dem Lebensschutz prägen. Da aber in der letzten Zeit da und dort die juristische Meinung vertreten wurde, dass die restriktive Anwendung von PID bei der jetzigen Rechtslage zulässig wäre, müsste man im Gesetz diese Möglichkeit namentlich ausschließen. Eine Regelung, die PID restriktiv nur in bestimmten Fällen zulässt, wäre, wie aus der weltweit geführten Diskussion klar hervorgeht, undurchführbar und käme einer Zulassung gleich.
6. IMABE stellt die grundsätzliche Frage, ob eine so schwache Novelle einen Sinn hat.
Der Vergleich mit dem ursprünglichen Entwurf zeigt, dass nur eine geringe Änderung, die kein wirkliches Problem löst, übrig geblieben ist, während hier die ganz wichtigen Fragen der Biopolitik ungeregelt bleiben. Unter diesen Umständen stellt sich die Frage, ob eine so schwache Novellierung nicht eher den geringen Durchsetzungswillen und den Mangel an Problemlösungskapazität der Regierung in den Fragen der Biopolitik offenbart bzw. ob sich hier die Regierung nicht für die Einzelinteressen einer kleinen Gruppe von Reproduktionsmedizinern instrumentalisieren lässt.
Wien, am 29. November 2004