Zur Entscheidung des Deutschen Bundestages zum Import von embryonalen Stammzellen
Am 30. Jänner 2002 hat der deutsche Bundestag mit 340 gegen 265 Stimmen einen Antrag zur Zulassung des Imports von embryonalen Stammzellen mit strengen Auflagen approbiert. Es dürfen nur embryonale Zellen aus Stammzelllinien, die nachweislich bereits vor einem bestimmten noch festzulegenden Stichtag vor dem 30. Jänner 2002 existiert haben, für Forschungszwecke verwendet werden. Ein Gesetzesentwurf in diesem Sinne wird in den nächsten Wochen im Bundestag zur Abstimmung gebracht. Der Entscheidung vom 30. Jänner sind monatelange Diskussionen vorausgegangen. Schlussendlich hat der Bundestag zwischen vier Anträgen abstimmen müssen: (1) Absolutes Verbot der Forschung mit embryonalen Stammzellen, (2) Zulassung des Imports von embryonalen Stammzellen mit strengen Auflagen, (3) uneingeschränkte Importzulassung und (4) völlige Freigabe der Forschung mit Embryonen, inkl. Embryonenerzeugung.
In einer ersten Abstimmung hat der (1) Antrag eine relative aber nicht absolute Mehrheit erhalten, in einer zweiten Abstimmung hat in der Stichwahl zwischen (1) und (2) der letztere Antrag die Mehrheit erlangt.
Positiv an dem Kompromiss ist die Tatsache, dass für diese Forschung keine weiteren Embryonen mehr vernichtet werden müssen, da auf nur schon bestehende Stammzelllinien zurückgegriffen werden darf und dass eine Verwertung überzähliger Embryonen aus der IVF verhindert wird.
Der Kompromiss ist aber aus ethischem Standpunkt sicherlich nicht als erfreulich zu bewerten, weil er im Grunde eine weitere Lockerung des Lebensschutzes darstellt. In Deutschland verbietet das Embryonenschutzgesetz embryonenverbrauchende Versuche ebenso wie die Gewinnung von embryonalen Stammzellen. Der Gesetzgeber hatte nicht ausdrücklich an einen Import der Letzteren gedacht, weil dies vor zehn Jahren ziemlich abwegig erschien. Dass der Bundestag diese Lücke des Gesetzes im nachhinein bestätigt, und dadurch die in Deutschland geltende strenge Regelung auflockert, so dass ab nun die Forschung mit embryonalen Stammzellen unter strengen Auflagen, aber doch gesetzlich erlaubt sein wird, kann nur als ein Rückschritt im Lebensschutz bezeichnet werden. Man kann natürlich unter Umständen diese Forschung ethisch vertreten, aber zweifelsohne wäre ein Verbot dieser Forschung ein wichtigeres Signal für den Lebensschutz gewesen.
Außerdem muss man aus sachlichen Gründen fragen, ob nach dem aktuellen Wissensstand eine derartige Entscheidung im Bundestag notwendig war. Die Fortschritte in der ethisch einwandfreien Forschung mit adulten Stammzellen und deren klinischen Anwendung, die in den letzten Monaten und ganz besonders in den letzten Wochen erzielt werden konnten, machen eine Forschung mit embryonalen Stammzellen völlig überflüssig.
Dies bestätigen auch redliche Wissenschaftler, die vor einigen Monaten noch für die embryonale Stammzellenforschung eingetreten sind.
Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten durch seine moralisch ausgewogene und gemäßigte Gesetzgebung ausgezeichnet und eine starke ethische Kompetenz in biopolitischen Fragen gezeigt. Es wäre für Deutschland und für Europa bedauerlich, sollte die Abstimmung vom 30. Jänner tatsächlich eine Kursänderung in der Biopolitik darstellen.
Die Ethik-Kommission des IMABE-Instituts ist ein Ausschuss des Instituts, der ad-hoc einberufen wird, wenn es aktuelle Fragen erforderlich machen. Sie ist mit Personen aus dem Wissenschaftlichen Kuratorium, dem Vorstand und dem Direktorium des Instituts, fallweise auch mit externen Experten besetzt.
Wien, am 7. Februar 2002