Zur Ankündigung der britischen Regierung, die therapeutische Klonung von Menschen zu erlauben
Die Ethikkommission des Institutes für medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) bedauert die Ankündigung der Britischen Regierung vom 16. August 2000 im Herbst dem Parlament eine Änderung von „The Human Fertilisation and Embryology Act 1990“ vorzulegen, durch den die Zulassung von Versuchen mit Embryonen auf die sogenannte therapeutische Klonung ausgedehnt wird. Diese Änderung würde dem Gesetz, das bereits im krassen Widerspruch zur Würde des Menschen steht, einen weiteren Verstoß gegen das Lebensrecht hinzufügen, weil sie die Erzeugung und Tötung von Embryonen weiter liberalisiert.
Der Ankündigung ist die Veröffentlichung eines Berichts der offiziell eingesetzten 14-köpfigen Expertengruppe vorausgegangen, die sich vehement dafür ausgesprochen hattw. Die Experten versichern, dass ihre Empfehlung keinen Dammbruch bedeutet, weil die entsprechenden Forschungsprojekte genau und streng kontrolliert werden, damit aus der therapeutischen nicht eine reproduktive Klonung werden kann. Es wird tatsächlich zu keinem Dammbruch mehr kommen, weil der Damm bereits vor 10 Jahren gebrochen wurde. Mit dem Gesetz von 1990 wurde eine Forschung mit und an Embryonen innerhalb der ersten 14 Lebenstage unter gewissen Bedingungen bereits erlaubt. Auch damals hat der Gesetzgeber alle Einwände mit dem Hinweis abgetan, dass alles genau und streng kontrolliert wird.
Regierung und Experten präsentieren ihren Vorstoß als eine an sich minimale gesetzliche Korrektur: 1990 war die Klonung nicht aktuell und deshalb wurde ihre Zulassung im Gesetz nicht verankert. Dies soll jetzt nachgeholt werden. Die Regierung dürfte die Argumente der Experten übernommen haben: Erstens können ethische Bedenken gegen die therapeutische Klonung nicht geltend gemacht werden, weil diese gleichermaßen auch für das bereits bestehende Gesetz zutreffen. Zweitens werden diese Bedenken bei einer Abwägung gegen den möglichen zukünftigen Nutzen kaum mehr ins Gewicht fallen. Letztere These kann nur jemand nachvollziehen, der bereit ist, den Etikettenschwindel mitzumachen, der dem Gesetz von 1990 zugrunde lag: nämlich einen menschlichen Embryo bis zum 14. Lebenstag willkürlich als Präembryo zu bezeichnen, um ihm damit de facto sein Lebensrecht abzusprechen. Es entbehrt nicht des Zynismus, die Verantwortung für den jetzigen Schritt dem damaligen Gesetzgeber (1990) anzulasten. Damit erklärt die Regierung stillschweigend ihre eigene ethische Inkompetenz. Politische Verantwortung würde die angesprochenen ethischen Bedenken von Neuem prüfen und die Mängel des damaligen Gesetzes korrigieren lassen.
Die Experten legen im Bericht die biologischen Fakten und Zusammenhänge richtig dar, indem sie den langen Weg, den die Stammzellenforschung noch zurückzulegen hat, beschreiben, bevor sie zu den verheißungsvollen, heilenden Anwendungen am Menschen kommen kann. Ebenso richtig ist die Darlegung der sechs theoretischen Möglichkeiten, Stammzellen zu gewinnen. Drei davon wären ethisch unbedenklich, weil sie im Gegensatz zu den drei anderen nicht mit der Erzeugung und Tötung von Embryonen einhergehen. Diese werden allerdings nicht in Erwägung gezogen, weil sie nach der Einschätzung der Experten, geringere Erfolgsaussichten haben als die „Embryonen verbrauchenden“ Möglichkeiten.
Hier zeigt sich neuerdings die große ethische Schwäche der Argumentation: die größere Erfolgsaussicht, die nicht einmal als gesichert gelten kann, weil sich die Gegenhypothese als ebenso richtig erweisen könnte, genügt anscheinend um einen Menschen zunächst zu erzeugen, ihn zur Gänze zu instrumentalisieren und ihn nach 14 Tagen wieder zu töten. Diese utilitaristische und radikal-relativistische Argumentation ist beängstigend, weil sie vor nichts Halt machen wird: eine Gesellschaft, die es zulässt, dass menschliches Leben in einer Güterabwägung zur Disposition gestellt wird, ist menschenverachtend und begibt sich in den ethischen Bankrott.
Bedrückend ist auch die im Bericht zugegebene Zahl der in Großbritannien zwischen August 1990 und März 1998 bereits in der Forschung „verbrauchten“ Embryonen: 118 wurden exklusiv für Forschungszwecke „erzeugt“. Außerdem wurden 48.000 bei der In-vitro-Fertilisation übriggebliebene Embryonen verwendet.
Zu Recht hat die Ankündigung ebenso wie die Argumentation der Expertengruppe, der nur ein Ethiker angehört hat, eine weltweite Welle der Entrüstung ausgelöst. Sollte dieser Vorschlag die Zustimmung des Parlaments finden, wird ein weiterer wirksamer Schritt auf dem furchterregenden Weg des Abbaus der rechtlichen Grundlagen eines menschenwürdigen Lebensschutzes gesetzt, der im 20. Jahrhundert begonnen hat. Erwähnenswert ist, dass sich in den Vereinigten Staaten ein Konsens unter den Wissenschaftlern abzeichnet, die Stammzellenforschung ohne therapeutische Klonung zu betreiben. Keine staatlichen Gelder werden für Projekte vergeben, die eine Klonung enthalten. Dieses Faktum lässt eine gewisse Hoffnung aufkeimen, dass der Trend der unverantwortlichen Forschung doch gestoppt werden kann.
Wien, am 25. August 2000