Stellungnahme zur Novellierung Fortpflanzungsmedizingesetz

Der Entwurf zur Novellierung sieht unter anderem vor, dass Österreich

  • eine Selektion von möglicherweise behinderten Kindern (Präimplantationsdiagnostik) legalisiert und damit die Diskriminierung von Ungeborenen aufgrund genetischer Veranlagung (Eugenische Indikation) weiter zuspitzt;
  • sich außerhalb der ratifizierten Kinderrechtskonvention stellt, in der festgehalten ist: Jedes Kind hat ein prinzipielles Recht auf Vater und Mutter, das nicht willkürlich missachtet werden darf (vgl. Art 7 und 8 der UN-Kinderrechtskonvention).
  • die sog. Eizellspende einführt, die eine erhebliche Gesundheitsbelastung für Frauen bedeutet sowie einer Kommerzialisierung des weiblichen Körpers Vorschub leistet.

Einwände und Fakten gegen den vorliegenden Entwurf

1. Kinder haben ein Recht auf Vater und Mutter – nicht umgekehrt.

Seit 2011 ist ein Teil der UN-Kinderrechtskonvention auch in der österreichischen Verfassung verankert. In Art. 1 heißt es: „Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.“ Die Fremd-Samenspende und Eizellspende missachten die Rechte des Kindes. Ein „Kinderwunsch“ ist nur dann legitim, wenn er auch den Wünschen eines Kindes gerecht wird. Die vorsätzliche Trennung von sozialer und genetischer Elternschaft widerspricht Wunsch und Wohl des Kindes.

Weltweit spricht sich eine wachsende Zahl von inzwischen erwachsenen Personen gegen die Art und Weise aus, wie sie ins Leben gerufen worden sind. Viele von ihnen fühlen sich als „genetische Waisenkinder”. Beim Versuch, die eigenen Verwandtschaftsbeziehungen herauszufinden, geraten sie in eine Identitätskrise (vgl. MyDaddy's Name is Donor: A Pathbreaking New Study of Young Adults Conceived Through Sperm Donation, K. Clark, N. Glenn, E. Marquardt, 2010). Das Kindeswohl steht vor dem Kindeswunsch.

Die künstliche Befruchtung für lesbische Paare führt dazu, dass ein Kind in der Absicht gezeugt wird, ohne leiblichen Vater aufzuwachsen. Das verstößt gegen das durch die Kinderrechtskonvention geschützte Recht des Kindes, möglichst bei Vater und Mutter aufzuwachsen. Das schicksalhafte Ereignis der Vaterlosigkeit ist für Pflegekinder oder Scheidungswaisen schwer genug zu tragen. Ethisch inakzeptabel ist es, wenn Personen für ein Kind von vorne herein bewusst Vaterlosigkeit planen und intendieren.

Dass jedes Kind optimalerweise Vater und Mutter braucht, wird von kaum jemand ernsthaft angezweifelt. Das prinzipielle Recht des Kindes auf Vater und Mutter darf nicht willkürlich missachtet werden. Damit würde Österreich auch gegen die 1992 ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention (vgl. Art 7 und 8) verstoßen.

2. Eizellspende: Gesundheitsrisiken für Frauen

Die Eizellspende ist ein medizinisch unzureichend dokumentiertes und ethisch umstrittenes Verfahren. Sie schürt unrealistische Hoffnungen auf ein Kind, wobei zugleich gesundheitsschädigende Nebenwirkungen für Frau, Empfängerin und Kind verschwiegen werden. Die hohen Hormondosen, die nötig sind, damit die Frau mehrere Eizellen produziert, werden unter Narkose invasiv entnommen. Die Nebenwirkungen reichen von Unfruchtbarkeit bis zum sog. Hyperovulationssyndrom, das tödlich enden kann (vgl. Human Reproduction 2010; 25: 1782-1786). Die Langzeitfolgen werden in den Fachzeitschriften diskutiert, zugleich werden entsprechende Studien eingefordert, an den Firmen aber sichtlich kein Interesse haben (vgl. Reproductive BioMedicine Online 2014; 28: 443-450).

Ebenso werden in der einschlägigen Literatur die erhöhten Gesundheitsrisiken für Eizell-Spender-Kinder und gebärende Mütter aufgelistet. Umso erstaunlicher ist es, dass die Novelle nicht vorsieht, den beratenden vom behandelnden Arzt zu trennen. Hier besteht ein eklatanter Interessenskonflikt.

Bei der Abgabe der eigenen Eizellen an andere Frauen ergeben sich zusätzliche ethische schwerwiegende Probleme, wie „Aufwandsentschädigung als verdeckte Bezahlung“, Marktregeln, potentielle Ausbeutung usw. Der Gesetzgeber verschließt seine Augen vor dem international steigenden Eizellenhandel und der damit verbundenen Degradierung des Körpers der Frau zu Rohstofflieferantinnen. Die Kommerzialisierung und damit die Ausbeutung von Frauen in prekären Lagen nehmen zu. Es muss Aufgabe des Gesetzgebers sein, Betreffende in diesem Fall vor sich selbst zu schützen und das Kindeswohl (Stichwort: Dreifach-Elternschaft) voranzustellen.

3. Präimplantationsdiagnostik kann Krankheit nicht verhindern. Sie ist ein Instrument der Selektion und Diskriminierung.

Aus medizinischer Sicht ist die PID ein aufwändiges, belastendes, wenig erfolgversprechendes und risikoreiches Verfahren: Sie ist ethisch unannehmbar, weil sie ein reines Instrument der Selektion des frühen Embryos ist. In letzter Konsequenz handelt es sich um eine moderne Spielart von Eugenik.

Es zählt zu den fundamentalen Schutzpflichten des Staates, schon die Erzeugung von Embryonen zu verbieten, die in diskriminierender Weise „aussortiert“ werden sollen. Wer dieses Prinzip zugunsten einer fragwürdigen Eugenik aufgibt, unterhöhlt die Grundlagen der Demokratie.

Die angeblich beschränkte Zulassung im Entwurf täuscht: Beschränkungen durch den Staat sind praktisch undurchführbar. Im Gegenteil: Eine Ausweitung der Indikation wird zur Regel, wie dies die Erfahrung in anderen Ländern zeigt. Wer soll denn rechtens definieren, welche Krankheiten oder Risiken für Krankheiten zur Menschenselektion berechtigen?

PID stellt Diagnosen, gibt Risikowerte an, bietet aber keine Therapien. Die „Therapie“ lautet Selektion und Vernichtung. Es gibt keine „Zeugung auf Probe“.

Der Wunsch nach einem gesunden Kind ist und bleibt ein legitimer Wunsch. Diesem mit allen technischen, aber ethisch nicht immer rechtfertigbaren Mitteln nachzugeben, fördert eine unrealistische Haltung. Es wächst ein Anspruchsdenken auf ein Null-Fehler-Baby oder Wunsch-Baby um jeden Preis. Für 85 Prozent der Frauen wird jedoch aus dem Traum ein Trauma: Sie können trotz mehrfacher Versuche einer IVF kein Kind bekommen. Es gibt zudem bislang keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass die Schwangerschaftsrate nach PID steigt. (Reproductive BioMedicine Online, 2012: 25, 108-117). Die Medizin bewegt sich hier in einem Experimentierfeld. Was hingegen steigt, ist die Zahl der erzeugten Embryonen: Weltweit werden im Schnitt 33,7 Embryonen für eine Lebendgeburt nach PID „verbraucht“.

Die Zahl der Spätabtreibungen kann durch PID kaum gesenkt werden. In Österreich ist der Schwangerschaftsabbruch aufgrund der embryopathischen Indikation straffrei, im Falle eines behinderten Kindes ist der Fetozid sogar bis zur Geburt möglich. Diese Regelung ist eine eindeutige Diskriminierung von Behinderten. Aus einem Gesetz, das ein klares Unrecht gegenüber dem Ungeborenen und seinem Recht auf Leben beinhaltet, dann die Selektion von Embryonen als rechtmäßig abzuleiten, wie dies PID-Befürworter tun, scheint mehr als fragwürdig.

Das Indikationsmodell („Watch-Liste“ von Krankheiten) ist praktisch undurchführbar, die Liste wird je nach Stand der Technik immer dehnbarer – und damit auch die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen immer schärfer.

Aus faktischen Ungerechtigkeiten werden die falschen Schlüsse gezogen. Wäre der Gesetzgeber ehrlich, müsste analog zur PID auch für die eugenische Indikation eine Liste genau definierter Krankheiten erstellt werden, die diese erlaubt. Doch dann stellen sich heikle Fragen: Wer soll dann entscheiden, ob etwa Down-Syndrom-Kinder (Trisomie 21) in so eine „Watch-Liste“ aufgenommen werden sollen?

Ob im Reagenzglas oder im Mutterleib – es widerspricht eindeutig der Würde des Menschen, dass andere bestimmen, welcher Mensch anderen Menschen „zumutbar“ ist und welcher nicht.

Wer PID nach mehreren Fehlgeburten aufgrund ungeklärter Ursache, wie die Novelle es vorsieht, zulässt, bahnt den Weg, dass sie damit als Routineverfahren der In-vitro-Fertilisation wird und Sicherheiten auf ein „gesundes“ Kind vorspiegelt. Ein Screening bei Fehlgeburten ohne bekannte Ursache führt dazu, nach allem Möglichen zu suchen und Informationen einzuholen, die weit über die vom Gesetzgeber zugleich eingeforderten Grenzen gehen. Hier besteht ein offener Widerspruch zwischen scheinbarer Intention der Beschränkung und Wirkung der normativen Formulierung.

In diesem Zusammenhang ist auch eine breite Debatte über nicht offen gelegte ökonomische Interessen gefordert: Die Ermöglichung der Qualitätskontrollen von Embryonen im Zuge der künstlichen Befruchtung ist ein lukrativer Markt für reproduktionsmedizinische Zentren (Kosten für PID-Test: rund 4.000 Euro). Es erstaunt, dass in der Debatte vornehmlich jene zu Wort kommen, die selbst an diesen Verfahren Geld verdienen. Auch hier liegt ein klarer Interessenskonflikt vor.

4. Eine breite gesellschaftspolitische Debatte ist nötig – und sie braucht Zeit!

Es besteht keinerlei Zugzwang, das FMedG in einem Ruck-Zuck-Verfahren derart umfassend und im Verhältnis zu anderen Ländern (Bsp. Deutschland) wesentlich liberaler zu gestalten. Dass dies noch dazu ohne breite demokratiepolitische Debatte geschehen soll, gilt als ein Warnsignal und wäre ein Hohn für jeglichen glaubwürdigen Parlamentarismus.

IMABE fordert den Gesetzgeber auf

1. Maßnahmen zu ergreifen, die ernsthafte Alternativen bei unerfülltem Kinderwunsch darstellen:

  • Gezielte Fördermittel zur Erforschung der Ursachen und der professionellen Begleitung und Therapie bei Unfruchtbarkeit (in Österreich nicht gewährleistet)
  • Psychologische und psychotherapeutische Begleitung bei unerfülltem Kinderwunsch: Mehr als 80 Prozent der Frauen bekommen trotz mehrfacher IVF-Versuche kein Kind. Aus dem Traum wird ein Trauma.
  • Integration statt Selektion: Ausbau der Unterstützung für Paare mit Kindern mit Behinderung und besonderen Bedürfnissen
  • Erleichterung der Adoptionsverfahren, vorbehalten für Ehepaare.


2. eine breite, ausgewogene gesellschaftspolitische Debatte in diesem ethisch hochsensiblen Bereich zu ermöglichen.

Das Gesetz von heute bestimmt das persönliche Schicksal von Menschen über Generationen. Die positive Arbeit der Enquete-Kommission „Sterben in Würde“ zeigt, wie wichtig solche Modelle unter Einbindung aller Beteiligten sind.

3. Der Gesetzesentwurf muss umgehend zurückgezogen und ohne Zeitdruck einer grundlegenden Überarbeitung unterzogen werden.

4. Eine Verlängerung der Begutachtungsfrist
ist angesichts der kontroversen Standpunkte nötig, damit der demokratische Prozess nicht unterbunden wird.

IMABE sieht eine Chance, dass Österreich ein Vorzeigeland hoher ethischer Standards werden könnte, wenn es aus den Fehlern anderer Länder lernt.

Wien, 24.11.2014

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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