Stellungnahme zu zwei alternativen Voten der Bioethikkommission zur Stammzellenforschung
Die Bioethikkommission im Bundeskanzleramt hat eine Stellungnahme zu Fragen der Stammzellenforschung im Kontext des 6. Forschungsrahmenprogramms der EU veröffentlicht. Die Mitglieder der Kommission konnten sich allerdings nicht einigen und haben der Regierung zwei alternative Empfehlungen abgegeben. In der ersten plädieren elf Mitglieder der Kommission für eine eingeschränkte Förderungswürdigkeit von embryonaler Stammzellenforschung. Alternativ dazu lehnen acht Mitglieder diese Position ab und empfehlen ihrerseits der Bundesregierung, in der EU gegen eine Förderung solcher Projekte einzutreten.
Eine Ethikkommission ist kein repräsentativ-politisches Gremium, das in erster Linie einen Konsens der verschiedenen Positionen suchen soll, sondern eine Instanz zur Wahrheitsfindung in konkreten und aktuellen ethischen Fragen. Aber diese Wahrheit lässt sich nicht durch Abstimmungen ermitteln. Wenn bei den Beratungen keine Einigkeit erreicht wird, dürfen die Positionen nicht nach dem Stimmenverhältnis bewertet werden. Es war daher sicher richtig, beide Positionen der Bioethikkommission als gleichwertige Empfehlung zu veröffentlichen. Dass einige Mitglieder der Ethikkommission, Medien und Politiker so tun, als ob nur die erste Empfehlung abgegeben worden wäre und die ethisch gehaltvollere Alternative verschweigen, ist allerdings befremdend und irreführend.
Die erste Empfehlung möchte die Förderungswürdigkeit der embryonalen Stammzellenforschung an sechs Bedingungen knüpfen, die – wie die Argumentation der Alternativposition klarstellt – unhaltbar sind. Die Stellungnahme geht an den wahren ethischen Problemen des Rahmenprogramms vorbei, das in dieser Woche das Europaparlament behandelt und in wenigen Wochen vom Rat der Forschungsminister endgültig approbiert werden soll. Im vorliegenden überarbeiteten Artikel 3 der Abstimmungsvorlage werden Forschungsprojekte zum therapeutischen Klonen ebenso wie Forschung mit überzähligen Embryonen aus der In-vitro-Fertilisation von der Förderung nicht eindeutig ausgeschlossen. Hier liegt die wahre Hürde. Damit befasst sich die Stellungnahme nur am Rande. So lange diese Forschungen von der Förderungswürdigkeit nicht effektiv ausgeschlossen werden, hat es wenig Sinn, mehr oder weniger formale Bedingungen für die Unterstützung der Forschung mit embryonalen Stammzellen zu verlangen.
Die politischen Gremien müssen nun zwischen den beiden Empfehlungen abstimmen. Sie dürfen dabei nicht übersehen, dass von vier Ethikern, die Mitglieder der Ethikkommission sind – also den Experten der Moral – drei gegen die embryonale Stammzellenforschung abgestimmt haben. Das Stimmenverhältnis 3 zu 1 spricht die Sprache der Ethik.
Die Bundesregierung wäre gut beraten, in Brüssel weiterhin gegen die Förderung von Forschungsprojekten zum therapeutischen Klonen sowie gegen die Förderung von Forschungen mit überzähligen Embryonen und embryonalen Stammzellen einzutreten. Alles andere wäre ein Rückschlag für den Lebensschutz dieses Landes. Noch im Dezember hat die zuständige Ministerin Mut bewiesen, in dem sie bei der zuständigen Ministerkommission für Österreich eine Position vertreten hat, die die ethisch bedenklichen Stellen des 6. EU-Rahmenprogramms ablehnt. Dabei sollte sie bleiben.
Prim. Prof. Dr. Johannes Bonelli
Prof. Dr. Enrique H. Prat
Wien, am 15. Mai 2002