AIDS-Prävention und katholische Kirche
AIDS ist eine dramatisch Krankheit, die sich auf allen Kontinenten ausgebreitet hat. Es ist erfreulich, dass die wissenschaftliche und pharmazeutische Forschung in der Behandlung von HIV-positiven Patienten große Fortschritte erzielt hat. Es ist zu hoffen, dass die Krankheit bald gänzlich therapierbar wird.
Die strategischen Konzepte zur AIDS-Prävention setzen in vielen betroffenen Ländern und in den Gesundheitsorganisationen neben Aufklärung immer noch fast ausschließlich auf die Propagierung und Verbreitung von Präservativen. In diesem Zusammenhang wird oft die katholische Kirche kritisiert, weil sie dieser Strategie kritisch gegenübersteht. Dabei wird die katholische Sexualmoral als menschenfeindlich hingestellt, ja der Kirche wird manchmal sogar eine direkte Mitschuld an der Ausbreitung von AIDS gegeben.
In dieser Kritik zeigt sich sowohl eine große Unkenntnis über die Aufgabe der Kirche als auch über ihre Lehre zur Sexualität.
Zunächst muss ein Missverständnis ausgeräumt werden.
Die Moralverkündigung der Kirche darf nicht als eine gesundheitspolitische Strategie gedeutet werden. Wenn die Kirche aus guten Gründen darauf besteht, dass der einzige Ort, der dem tiefen Sinn der geschlechtlichen Beziehung entspricht, die Ehe ist und sie deshalb voreheliche und außereheliche sexuelle Beziehungen ablehnt, macht sie eine allgemeine moralische Aussage, stellt damit jedoch kein gesundheitspolitisches Programm auf.
Durch ihre Position bietet sie allerdings allen Menschen ein Modell an, wie sie die menschliche Liebe und Sexualität in einer wirklich menschengemäßen Form leben können. Auf dieser Grundlage macht sie auch einen klaren Blick auf die AIDS-Problematik möglich.
Wenn man sich nämlich die Ursachen für die Ausbreitung von AIDS, insbesondere in Afrika ansieht, lassen sich (von medizinisch unzureichender Qualität etwa bei Bluttransfusionen abgesehen) hauptsächlich zwei Gründe nennen: Promiskuität und Prostitution, also eine Verwahrlosung der Geschlechterbeziehungen und mangelndes Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit der Sexualität. Wer sich mit diesen Tatsachen konfrontiert, muss zwangsläufig erkennen, dass die Ansteckung mit dem HI-Virus in überwiegender Zahl kausal mit dem Lebensstil zusammenhängt. In der Mehrheit der Fälle hat ein bestimmtes sexuelles Verhalten zu dieser Erkrankung geführt, dessen Risiko eigentlich vielerorts bekannt sein müsste.
Dementsprechend kann auch nur ein verantwortlicher Umgang mit Sexualität die Epidemie wirklich nachhaltig eindämmen. Diese Erkenntnis, die auch mit der Sexuallehre der katholischen Kirche in Einklang steht, packt das Problem bei der eigentlichen Wurzel. Sie betont nämlich die einfache Einsicht, dass zwei Menschen, die nur mit einem Partner, einer Partnerin, ihr ganzes Leben hindurch sexuellen Umgang gehabt haben, ein Risiko von 0% haben, sexuell übertragbare Krankheiten zu bekommen oder andere damit anzustecken.
Enthaltsamkeit außerhalb der Ehe sowie Treue in der Ehe sind daher der vernünftigste, einfachste und zudem billigste Schutz gegen die Ausbreitung von AIDS. Weiters trägt die Erziehung zu Enthaltsamkeit und Treue auch direkt zu einer Verbesserung der Situation der Frauen bei: Durch ein Verständnis für die Bedeutung von Enthaltsamkeit und Monogamie lernen Männer Respekt und Feinfühligkeit in ihren Beziehungen mit dem anderen Geschlecht.
Auf derartigen Überlegungen basiert auch die – teils kritisierte – so genannte ABC-Strategie, die die Propagierung von Enthaltsamkeit (abstinence) und Treue (be faithful) an erster Stelle setzt und Kondome (condoms) bloß als Notfalllösung darstellt. Dass diese Strategie praktisch umgesetzt werden kann und auch positive Ergebnisse zeitigt, zeigt das Beispiel von Uganda. Dort sank die HIV-Infiziertenrate von mehr als 15% zu Beginn der 1990er Jahre auf 6,7% (2005). Eine von Forschern der Stanford University 2009 publizierte Studie bestätigte die positiven Effekte der ABC-Strategie. Simbabwe und Kenia folgtem dem Beispiel Ugandas. In vielen anderen Ländern zeigt sich deutlich, dass die einseitige Propagierung von Präservativen ohne umfassende Bewusstseinsbildung für eine verantwortliche Sexualität keineswegs die erwünschte Eindämmung der AIDS-Epidemie gebracht hat. Das Gegenteil ist der Fall.
Ergebnisse wie in Uganda widerlegen auch eindrucksvoll die Behauptung, dass das Bestreben, einen wirklich verantwortlichen und menschengemäßen Umgang mit Sexualität zu propagieren und zu fördern, „naiv“ und „lebensfern“ sei. Letztendlich basiert diese Ansicht nämlich auf einem bestimmten Menschenbild, das Menschen – oder zumindest manche Menschengruppen – als rein triebgesteuerte Kreaturen auffasst, die ihre sexuellen Impulse nicht kontrollieren können. Demgegenüber hält die katholische Kirche – ebenso wie jene Staaten und Institutionen, die die ABC-Strategie fördern – daran fest, dass Menschen im Prinzip sehr wohl fähig sind, mit ihrer Sexualität verantwortlich umzugehen. Ihnen aus ideologisch-weltanschaulichen Gründen diese Fähigkeit abzusprechen ist nicht nur inhuman, sondern gefährdet auch – wie an der AIDS-Epidemie zu sehen ist – direkt Menschenleben.
Die weltweite Ausbreitung von AIDS kann nur durch konzentriertes Durchgreifen an allen Fronten in den Griff bekommen werden:
- Die pharmazeutische Forschung nach neuen und noch besseren Medikamenten muss vorangetrieben werden;
- HIV-Positive und AIDS-Kranke müssen auch in armen Ländern Zugang zu einer verlässlichen Versorgung mit wirksamen Medikamenten bekommen;
- Die Übertragung der HIV-Infektion von Mutter auf Kind (immerhin 10% der Infektionen in den afrikanischen Ländern) muss durch entsprechende hygienische und medizinische Maßnahmen eingedämmt werden;
- In den Bevölkerungen der betroffenen Länder muss eine umfassende Bewusstseinsbildung stattfinden, die eine klare Aufklärung über Ursachen und Ausbreitungswege der Krankheit mit der Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Sexualität verbindet;
- Die verheerenden gesellschaftlichen Auswirkungen, etwa die Problematik der AIDS-Waisen oder der Wegfall ganzer Generationen junger Erwachsener, müssen durch entschiedenes soziales Engagement in den Griff bekommen werden.
Die katholische Kirche ist eine jener Institutionen, die sich weltweit am intensivsten um die Opfer der Auswirkungen der AIDS-Epidemie – Kinder, Frauen, Männer – kümmert. Sie unterstützt und befürwortet alle Maßnahmen, die dem tatsächlichen Wohl der Menschen und der wirklich effektiven und nachhaltigen Eindämmung dieser lebensbedrohlichen Krankheit dienen.
Wien, 15. Oktober 2007 (aktualisiert Jänner 2010)