90 Millionen Euro - so viel hat die Pharmaindustrie im Jahr 2016 an Ärzte, Apotheker und andere Fachkreisangehörige sowie medizinische Institutionen in Österreich bezahlt. Der Betrag teilt sich laut Science ORF (online, 12.7.2017) in zwei große Bereiche berichtet: Forschung und Entwicklung mit 34 Millionen Euro sowie Honorare für Vorträge und Beratungen, Sponsoring für Kongressreisen, Unterstützung für Veranstaltungen sowie Spenden mit insgesamt rund 56 Millionen Euro. Dieser Teil ging an Organisationen und medizinische Einrichtungen sowie mit 21 Millionen direkt an Ärzte.
Die Bereitschaft zur Offenlegung der Zahlungen - und damit zur namentlichen Nennung - stagniert allerdings, berichtet der Standard (online, 5.7.2017). Österreich hat geringste Zustimmung im deutschsprachigen Raum: Nur 18,9 Prozent der Ärzte haben hierzulande einer namentlichen Nennung inklusive Höhe der Geldsumme zugestimmt - die Zahl ist praktisch unverändert gegenüber 2015. Zum Vergleich: In der Schweiz stimmte rund die Hälfte aller Ärzte zu. In Deutschland ist die Rate von 32 Prozent (2015) auf 25 Prozent gesunken. Leicht erhöht hat sich in Österreich der Anteil nachvollziehbarer Geldflüsse bei Krankenhäusern und anderen medizinischen Institutionen: 62,4 Prozent der Zahlungen sind transparent - ein Anstieg um 5,7 Prozentpunkte zum Jahr 2015.
„Die Pharmaindustrie hat die Transparenzinitiative im Vorjahr gestartet, um zu zeigen, dass sie Ethik ernst nimmt. Dass sie auch im zweiten Jahr die Transparenz auf einem erschreckend geringen Niveau ist, zeigt, dass das Anliegen der Pharmafirmen gescheitert ist“, sagt IMABE-Generalsekretär Enrique Prat. Die Pharmafirmen dürften sich allerdings nicht hinter den Ärzten verstecken. Nur wenige Pharmafirmen seien so konsequent gewesen, nur mit jenen Personen und Institutionen Verträge einzugehen, die sich auch zu einer Offenlegung der Geldzuwendungen vorab verpflichtet hatten, betont Prat und ergänzt: „Die Pharmabranche verpasst damit eine Gelegenheit, zu signalisieren, dass sie wirklich an Ethik interessiert ist - und eine Chance, ihren ramponierten Ruf zu verbessern.“
Die neuen Veröffentlichungen sind seit Ende Juni auf den Webseiten der 74 einzelnen Unternehmen zu finden. Jene Summen, die nicht einzeln nach Empfänger aufgeschlüsselt sind, werden nur als Gesamtsummen für die einzelnen Bereiche genannt. „Wir haben nichts zu verbergen. Die Zahlungen haben nichts mit Bestechung, Beeinflussung oder Korruption zu tun. Ohne die Zusammenarbeit würde es keine Weiterentwicklung und Forschung für Medikamente geben“, betont Herwig Lindner, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer. Auf einen „Kulturwandel“ unter der Ärzteschaft zu mehr Transparenz hin hoffen Pharmig und Ärztekammer noch immer (vgl. Bioethik aktuell, 5.12.2016). Gerald Gartlehner von Cochrane Österreich hält die Freiwilligkeit hingegen für eine „Farce“ und fordert eine gesetzliche Verpflichtung zur Offenlegung (vgl. ORF Science, online, 13.7.2017). Sollte die Rate in absehbarer Zeit nicht über 50 Prozent liegen, werde man sich nicht gegen eine gesetzliche Regelung wehren, erklärt die Ärztekammer auf Nachfrage.
An der Pharmig wird kritisiert, dass die Zahlungen nicht zentral, sondern nur auf den jeweiligen Firmenwebseiten veröffentlicht wurden. Journalisten von Standard, ORF und der Rechercheplattform Correctiv haben deshalb die Informationen in einer öffentlichen Datenbank zusammengeführt. Allerdings: Wenn ein Arzt darin nicht erscheint, lässt sich wegen der unvollständigen Transparenz nicht unterscheiden, ob er kein Geld erhalten oder auf Datenschutz beharrt hat. Interessierte Mediziner können deshalb nun beim neuen Projekt Null-Euro-Ärzte selbst erklären, dass sie im zurückliegenden Jahr keine Gelder von der Pharmaindustrie erhalten haben.
Die Problematik Interessenskonflikte gewinnt seit Jahren an Bedeutung. Inwieweit Honorare von Pharmafirmen das Verhalten von Ärzten beeinflussen, wird diskutiert. Die Betroffenen selbst weisen meist eine Einflussnahme von sich. Studien legen nahe, dass finanzielle oder materielle Zuwendungen von Pharma- und Medizintechnik-Unternehmen Affinitäten begründen und damit Therapieentscheidungen oder die Erstellung von Leitlinien beeinflussen (vgl. Bioethik aktuell, 6.2.2017 und Bioethik aktuell, 11.1.2016).