Nur jede dritte Frau mit einem Schwangerschaftsabbruch in ihrer Lebensgeschichte beschreibt dieses Ereignis im Nachhinein als gewollt und übereinstimmend mit den eigenen Wertvorstellungen. Zwei Drittel erlebten ihre Entscheidung zur Abtreibung als Verletzung der eigenen Überzeugungen, wobei 24 Prozent der 1.000 befragten Frauen ihren eigenen Schwangerschaftsabbruch sogar als ungewollt oder erzwungen ansehen. Das geht aus einer kürzlich in Cureus (Springer Nature) publzierten US-Studie hervor (11. May 2023; 15(5): e38882. doi:10.7759/cureus.38882) Eine Mehrheit der Frauen von 60 Prozent berichteten, dass sie das Kind ausgetragen hätten, wenn sie zum Zeitpunkt der Entscheidung mehr Unterstützung von anderen bekommen oder über größere finanzielle Sicherheit verfügt hätten.
Häufigkeit des Drucks auf Frauen führt zu ungewollten Abtreibungen
Die Forscher vertreten die Auffassung, dass diese Beobachtungen zeigen, dass eine Abtreibung nur für eine Minderheit der Frauen als eine eher marginale oder gewollte Entscheidung ohne weitere Folgen für die eigene psychische Gesundheit angesehen wird. Dies stimme mit verschiedenen Untersuchungen überein, die sowohl den Druck auf Frauen als auch die Ambivalenz der Abtreibungsentscheidung herausgearbeitet haben.
Schlechte Datenqualität der „Turnaway-Studie“
Anlass für die Umfrage war eine Differenzierung der Aussagen der Turnaway-Studie von 2010, in der sich 95 Prozent der Frauen als mit ihrer Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch „zufrieden“ bezeichnet hatten. Diese Studie war von einer Interessenvertretung von Abtreibungseinrichtungen in den USA (ANSIRH – Advancing New Standards in Reproductive Health) in Auftrag gegeben worden. Dort sollten Frauen nur die Frage beantworten: War in Ihrer damaligen Situation die Entscheidung zu ihrer Abtreibung die richtige – ja oder nein?“
Eine Gewichtung bei den Antworten der neuen Umfrage war möglich
Die neue Umfrage wurde von 1.000 Frauen im Alter von 41 bis 45 Jahren ausgefüllt, die ihren Wohnsitz in den Vereinigten Staaten hatten. Die Umfrage nutzte 11 visuelle analoge Skalen, um auch die Gewichtung der jeweiligen Fragen zu ermöglichen. Unterscheidungen zwischen inkonsistent mit den eigenen Wertvorstellungen, ungewollte Abtreibung oder erzwungene Abtreibung waren möglich. Bei den Ergebnissen gaben 33 Prozent die Abtreibung als gewollt an, 43 Prozent als inkonsistent mit den eigenen Wertvorstellungen und 24 Prozent als ungewollt oder als erzwungen. „Gewollte Abtreibungen“ wurden in der Umfrage mit positiven Emotionen oder mit Zugewinnen bei der psychischen Gesundheit verbunden. Alle anderen Gruppen berichteten negative Emotionen und Verschlechterungen der eigenen psychischen Situation.
Auch Männer leiden unter den Folgen einer Abtreibung
Schwangerschaftsabbrüche gehen auch an den beteiligten Kindsvätern nicht spurlos vorüber. Das zeigt eine repräsentative vom US-Markt- und Meinungsforschungsinstituts ShapardResearch durchgeführte Umfrage . Von 100 befragten Männern, die einen Kindesverlust durch Abtreibung mitmachten, gab die Mehrheit an, unter negativen Erfahrungen wie Depressionen, Angst und Wut zu leiden – oft über Jahre hinweg.
Für Gespräche besteht auch bei Kindesvätern ein Bedarf
Unabhängig von der Grundeinstellung (Pro Choice oder Pro Life) gaben die meisten Kindesväter an, dass sie nach der Abtreibung von einem Gespräch mit einer unbeteiligten Person profitiert hätten. Nur 18 Prozent der befragten Männer wussten, an wen sie sich wegen Hilfe nach Abtreibung hätten wenden können. 51 Prozent hatten tatsächlich Hilfe gesucht. 77 Prozent wollen dies am liebsten anonym tun.
Die Men's Abortion Study war eine von vier repräsentative Umfragen, die von der NGO Support After Abortion zum Thema Hilfe nach Abtreibung in Auftrag gegeben wurde. Laut Vereinsobmann Greg Mayo zeigen die Ergebnisse die Notwendigkeit, die Erfahrungen von Männern zu validieren und ihnen Unterstützung anzubieten.
Österreich: 30.000 Abtreibungen, 90 Adoptionen und 1.500 Adoptiveltern warten
In Österreich werden Schätzungen zufolge jährlich 30.000 Kinder abgetrieben. Die neue Salzburger Landesregierung will Alternativen zu Schwangerschaftsabbrüchen aufzeigen und Beratungsangebote an die Nöte schwangerer Frauen anpassen. Zielführend wäre dafür unter anderem eine anonymisierte Studie über Abtreibungsmotive zu erstellen, die Aufschluss über das Alter der Frauen und die Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch gibt. Geplant ist auch eine „Informationskampagne zur Vermeidung ungewollter Schwangerschaft" sowie Maßnahmen, die Adoption und Pflegeelternschaft als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch erleichtern, heißt es im ÖVP-FPÖ Regierungsprogramm 2023-2028.
In Österreich finden Schätzungen zufolge jährlich 30.000 Abtreibungen statt. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 gab es 32 anonyme Geburten und insgesamt 90 Adoptionen, davon waren 78 Kinder aus dem Inland. Dem standen 1.527 Adoptiveltern auf der Warteliste gegenüber (vgl. Statistik Austria Kinder- und Jugendhilfestatistik 2021).