Bioethik aktuell

Studie: Nur 11 Prozent der Gesundheitsnachrichten stimmen

Mangelnde Qualität der Medizin-Berichterstattung auch in österreichischen Medien

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Wenn es um Medizin-Berichterstattung geht, neigen Journalisten zu Übertreibung und Verzerrung. Wie wenig faktenbasiert auch österreichische Medien zu Gesundheitsthemen berichten, zeigt eine nun in der Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität (doi:10.1016/j.zefq.2015.05.014) veröffentlichte Studie. Das Ergebnis ist ernüchternd: Nur 11 Prozent der Gesundheitsnachrichten stimmen, 60 Prozent von 990 geprüften Artikeln in Online- und Print-Medien sind „stark verzerrt“, so Studienleiter Bernd Kerschner vom Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie der Donau-Universität Krems. Zwei Drittel der Medienartikel würden den Eindruck einer hohen Evidenzlage vermitteln, was in Wirklichkeit nur selten der Fall sei. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die meisten Medien PR-Meldungen von kommerziellen Anbietern weitgehend ungeprüft übernehmen“, sagt Kerschner (vgl. Pressemitteilung, online, 16.6.2015). Ausgangspunkt der Untersuchung waren Daten aus der Internetplattform medizin-transparent.at. Dort werden seit 2011 Gesundheitsbehauptungen österreichischer Medien überprüft und mit der tatsächlichen Evidenzlage zur jeweiligen Fragestellung verglichen.

Die Studienautoren untersuchten 990 Beiträge aus 15 Print- und Online-Medien im Zeitraum 2011 bis 2014, Inhalt waren 219 gesundheitsrelevante Fragestellungen. Die meisten unseriösen Behauptungen werden über kosmetische Behandlungen oder Methoden zum Abnehmen verbreitet: 97,6 Prozent dieser populärwissenschaftlichen Texte waren stark verzerrt, gefolgt von 70,5 Prozent der Medienmeldungen zur angeblich gesundheitsfördernden Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln und Behandlungen durch Nicht-Mediziner. „Die Palette reicht von elektromagnetischen Wundergeräten oder Nahrungsergänzungsmitteln zur Therapie von Gelenksbeschwerden bis zu Wandfarben, die angeblich Allergien bessern.“ Ebenfalls stark übertrieben sind mit 41,1 Prozent Behauptungen zur Wirkung zulassungspflichtiger Medikamente und Behandlungen, die nur durch Ärzte durchgeführt werden dürfen.

Printmedien berichten offenbar genauso häufig verzerrend wie Nachrichtenseiten im Internet. Ausführliche Meldungen übertreiben die Fakten genauso oft wie Kurzmeldungen. Boulevard-Zeitungen haben mit 64 Prozent zwar den größten Anteil an stark übertriebenen Artikeln, bei Qualitätszeitungen sind es jedoch mit 52,4 Prozent nur unwesentlich weniger.

Wo liegt der Grund für die Misere? Zeitdruck, Simplifizierung komplexer Zusammenhänge auf Kosten von Fakten, mangelndes kritisches Potential der Journalisten, Abhängigkeiten und Interessenskonflikte durch Werbeeinschaltungen und Marketing spielen laut Autoren eine Rolle. Sie mahnen, dass eine faktentreue, unverzerrte Medienberichterstattung von imminenter Wichtigkeit für die öffentliche Gesundheit sei, da Print- und Online-Medien wichtige Informationsquellen zu Gesundheitsthemen für Laien darstellen. Erst kürzlich hat eine Studie im British Medical Journal (2014; 349: g7015) gezeigt, dass Pressestellen an Universitäten und Instituten in ihren Meldungen gerne übertreiben oder wichtige Hinweise und Einschränkungen fehlen (vgl. Spiegel, online, 10.12.2014). Journalisten sollten häufiger Informationsquellen für qualitative Medizin-Berichterstattung nutzen. Der Medien-Doktor ist ein seit 2010 bestehendes Online-Angebot von Journalisten für Journalisten, angesiedelt am Lehrstuhl Wissenschaftsjournalismus der Technischen Universität Dortmund. Mit Hilfe eines Gutachterpools aus Journalisten werden mehrmals pro Woche medizinjournalistische Beiträge aus deutschen Print-, TV-, Hörfunk- und Online-Medien nach definierten Kriterien beurteilt (vgl. IMABE 2014 Deutsche Wissenschaftsakademien stellen Empfehlung für eine qualitätsvolle Berichterstattung vor).

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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