Der deutsche Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die „seelischen Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen“ untersuchen lassen. Fünf Millionen Euro stellte das Kabinett für eine wissenschaftliche Studie zur Verfügung. Kritiker sprechen von „Skandal“, „Unsinn“ und „rechtsextremem Gedankengut“.
Laut WHO werden weltweit jährlich 56 Millionen Abtreibungen durchgeführt. Österreich ist eines der wenigen westlichen Länder, für das keine offiziellen Zahlen vorliegen. Alleine in Deutschland gibt es mehr als 100.000 Schwangerschaftsabbrüche jährlich.
„Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, vorurteilsfrei Fragestellungen zu durchleuchten und valide Ergebnisse anzustreben - auch was die psychischen Folgen nach Abtreibung bei Frauen anlangt“, betont IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer. Die bisher erschienenen Studien zu Folgen nach Abtreibung zeichnen kein einheitliches Bild und unterscheiden sich erheblich in ihrer Qualität. Es sei deshalb „im Interesse aller, evidenzbasierte Medizin auch im Bereich Schwangerschaftsabbruch zu fördern“. Nur so könne man jenen Frauen, die nach einer Abtreibung mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, auch eine adäquate Hilfe leisten, statt das Problem zu tabuisieren und sie alleine zu lassen, betont die Bioethikerin und ergänzt: „Und wir müssen intensiver in die Aufklärung der Risiken investieren.“
Die bislang umfangreichste Studie, die die psychischen Risiken nach Abtreibung untersucht, wurde im British Journal of Psychiatry (2011; 199: 180-186) publiziert. Sie analysierte die Daten von 877.181 Frauen aus den Jahren 1995 bis 2009, von denen 163.831 eine Abtreibung hinter sich hatten. Die Meta-Analyse kam unter anderem zu folgenden Ergebnissen: Frauen, die abgetrieben haben, hatten ein um 81 Prozent höheres Risiko, unter psychischen Problemen zu leiden im Vergleich zu ungewollt schwangeren Frauen, die ihr Kind zur Welt brachten.
Im Vergleich zu Frauen, die nicht abgetrieben haben, litten sie auch signifikant öfter unter Angstzuständen und Depressionen. Insbesondere war das Risiko, eine Sucht zu entwickeln (Alkohol und Marihuana) höher, ebenso waren Suizidversuche und Suizide signifikant häufiger. Junge Frauen sind offenbar besonders gefährdet, nach einer Abtreibung seelisch zu erkranken. Auch die American Psychological Association (APA) empfahl weitere Forschungen: „Gut geplante, gründlich durchgeführte Forschung hilft, die Störfaktoren zu entwirren und daraus relative Risiken von Abtreibungen im Vergleich zu Alternativen abzuleiten.“
Eine rezente, im Jänner 2019 publizierte Studie südkoreanischer Gynäkologen untersuchte 5.133 Frauen in der Postmenopause, die in ihrem reproduktiven Alter Abtreibungen oder spontane Fehlgeburten erlitten hatten. Das Ergebnis ihrer Analyse über die Jahre 2010 bis 2012 (vgl. Taiwan J Obstet Gynecol. 2019 Jan; 58 (1): 153-158, doi: 10.1016 / j.tjog.2018.11.028): Bei Frauen mit spontanen Abortus konnte kein Zusammenhang zwischen Anzahl und Auftreten von Suizidgedanken festgestellt werden. Hingegen konnte bei jenen Frauen, die drei oder mehr Schwangerschaftsabbrüche hinter sich hatten - sie machten 27,6 % der untersuchten Gruppe aus - auch nach Bereinigung von anderen möglichen Faktoren - ein 1,66-fach höheres Risiko für Suizidgedanken festgestellt werden, die auch nach der Behandlung der Depressionen anhielten.
In Österreich setzt sich die Bürgerinitiative #Fairändern für eine umfassendere Aufklärung von Schwangeren in Not sowie die Abschaffung der eugenischen Indikation ein. Diese komme einer gesetzlichen Diskriminierung von Menschen mit Behinderung gleich. Die Initiative fordert außerdem eine offizielle Statistik und anonyme Motivforschung zu Abtreibungen in Österreich sowie bessere Beratung, Hilfestellung und eine verpflichtende Bedenkzeit vor einem Schwangerschaftsabbruch. Die Bürgerinitiative, die noch bis 22. Februar online unterzeichnet werden kann (Link), zählt bisher 56.000 Unterschriften.