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Schönheitschirurgie: Körperbilder im Internet setzen Jugendliche immer stärker unter Druck

Mehr als die Hälfte der Jugendlichen möchte ihren Körper verändern

Lesezeit: 03:22 Minuten

Die Zahlen sind erschreckend: Mehr als ein Viertel der Jugendlichen hat schon einmal über eine Schönheitsoperation nachgedacht. Soziale Medien spielen in der Vorstellung von Schönheitsidealen eine große Rolle. Doch hinter dem Wunsch der Selbstoptimierung kann auch eine krankhafte Störung in der Wahrnehmung des eigenen Körpers liegen. Statt zum Skalpell zu greifen sollte die Rolle von Erziehern gestärkt werden. Und mitunter Psychiater hinzugezogen werden.

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51 Prozent aller Jugendlichen würden gerne etwas an ihrem Körper ändern, bei den Mädchen sind es sogar 60 Prozent. Ein Viertel der Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren hat schon einmal über eine Schönheitsoperation nachgedacht. Das ist das Ergebnis einer kürzlich in Wien präsentierten Studie der Initiative Safer Internet aus Anlass des "Safer Internet Day" (Pressemitteilung, 5.2.2024). 

Jugendliche wollen Schönheit, Style und Schlankheit ausstrahlen

Dabei zeigten sich 70 Prozent zumindest „eher zufrieden“ mit ihrem Aussehen. Fast zwei Drittel aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer (61 Prozent) postet regelmäßig Fotos von sich im Internet. 54 Prozent nutzen dabei spezielle Licht- oder Handywinkel, weitere 41 Prozent bearbeiten Fotos mit Filtern. Damit wollen Jugendliche laut Studie unter anderem Schönheit (68 Prozent), Style (64 Prozent), Schlankheit (54) oder Sex-Appeal (34 Prozent) ausstrahlen, wo bei letzteres für Burschen wichtiger ist als für Mädchen.

Soziale Netzwerke haben großen Einfluss auf Selbstwahrnehmung

Soziale Netzwerke wirken sich auf die Selbstwahrnehmung aus und beeinflussen, ob man sich selbst schön findet oder nicht – dieser Meinung sind zwei Drittel der Jugendlichen (65 %). Insbesondere Mädchen (76 %) und Befragte ab 15 Jahren (78 %) stimmen dieser Aussage zu.

Vergleiche mit anderen spielen eine große Rolle – und diesen sind Jugendliche gerade im Internet stark ausgesetzt. Fast drei Viertel (71 %) der Jugendlichen bestätigen, dass die in Sozialen Netzwerken konsumierten Bilder dazu führen, dass man sich mit anderen Personen vergleicht. 74 Prozent attestierten Beauty- und Fitness-Influencern einen großen Einfluss. Mehr als ein Viertel (27 %) betont die negativen Folgen und gibt an, sich nach dem Scrollen durch die diversen Social-Media-Feeds schlecht zu fühlen. Rund die Hälfte (53 %) gibt an, aufgrund entsprechender Bilder schon einmal etwas am eigenen Aussehen geändert zu haben. 

Kritischen Umgang mit Schönheitsidealen erlernen – Eltern sind besonders gefordert

Um Jugendliche bei einem kritischen Umgang mit Schönheitsidealen im Internet und bei der Entwicklung eines gesunden körperbezogenen Selbstbildes zu unterstützen, sind neben Lehrenden und Onlineplattformen vor allem Eltern gefordert. 57 Prozent der befragten Jugendlichen sind dieser Ansicht. 63 Prozent der Jugendlichen sind der Meinung, dass weniger Zeit in sozialen Netzwerken eine gute Vorgehensweise wäre. Trotz dieses „theoretischen Bewusstseins“, schaffen es die Jugendlichen in der Praxis aber nicht, sich dem Sog der sozialen Netzwerke zu entziehen. Eltern müssten nach Meinung der Jugendlichen besser unterstützt werden, um ihre Kinder bei der kompetenten Mediennutzung begleiten zu können.

400 Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahre wurden befragt 

Die Studie „Schönheitsideale im Internet“ wurde vom Institut für Jugendkulturforschung und Kulturvermittlung im Auftrag des Österreichischen Instituts für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und der ISPA – Internet Service Providers Austria im Rahmen der EU-Initiative Saferinternet.at durchgeführt. Im Befragungszeitraum (Dezember 2023) nahmen 400 Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren teil, repräsentativ nach Alter, Geschlecht und Bildungshintergrund. Zusätzlich wurden vier Fokusgruppen-Gespräche mit insgesamt 56 Jugendlichen zwischen 13 und 19 Jahren durchgeführt.

Neue europäische Leitlinie legt Fokus auf Diagnose und Therapie der körperdysmorphen Störung (BDD)

Wenn Patienten chirurgische Eingriffe zur Verbesserung ihres Körperbildes einfordern, kann dahinter auch eine Störung der Wahrnehmung des eigenen Körperbildes stehen. Beim Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) 2023 haben Experten europäische Leitlinien zur Diagnose und Therapie körperdysmorpher Störungen (BDD) vorgestellt, berichtet Dermatology News (7.11.2023) . 

Die körperdysmorphe Störung ist eine psychische Erkrankung, bei der Menschen übermäßig auf vermeintliche Mängel oder Defekte in ihrem Aussehen fixiert sind. Ihre Gedanken kreisen um ihre Haut, Nase, Haare, Gewicht oder andere Körpermerkmale, die sie als belastend unschön empfinden. Häufig suchen sie Chirurgen auf, doch das Skalpell ist die falsche Antwort auf ein psychisches Leiden. Stattdessen empfehlen die Leitlinien ein einheitliches Screening auf BDD bei allen Patienten vor kosmetischen Eingriffen. Das Risiko dermatologischer Eingriffe bestehe nicht nur darin, dass Erwartungen nicht erfüllt würden, erklärt Gkini. Vielmehr könne ein aus Patientensicht fehlgeschlagener Eingriff die Störung verschlimmern. Daher wird die Zusammenarbeit mit Psychiatern empfohlen.

Literaturtipp: Piza-Katzer, H., Kummer, S.: Schönheitschirurgie am ethischen Prüfstand, in: Imago Hominis (2007); 14(4): 297-306

Institut für Medizinische
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