Das tragische Erdbeben in Nepal zeigt auch die Ausmaße des florierenden Fortpflanzungstourismus: Israel ließ kurze Zeit nach dem Beben rund 40 Babys, die von Leihmütter geboren worden waren, evakuieren, mehr als 100 Leihmütter sind noch mit zukünftigen israelischen Staatsbürgern schwanger. In der Mehrzahl der Fälle stammen die Kinder von einem israelischen Vater und einer westlichen Eizellspenderin ab. Die in Nepal zwecks Schwangerschaft angemieteten Frauen sind indische Gastarbeiterinnen, da Leihmutterschaft für Nepalesinnen verboten ist, berichtet Bioedge (online, 16.5.2015). Zahlreiche Bürgerbewegungen in Europa und den USA machen nun Druck auf die UNO und den Europarat, um ein sofortiges internationales Verbot von Leihmutterschaft durchzusetzen. Ihr Argument: Leihmutterschaft verstößt gegen die Menschenrechte von Frauen und Kindern.
Die EU-weite Petition No maternity traffic geht von der International Union for the Abolition of Surrogacy aus - einer Dachorganisation von europäischen Initiativen zum Schutz der Rechte von Kindern und Frauen. Rund 68.900 Bürger haben die Petition bereits unterzeichnet. Sie fordern darin den Europarat in Straßburg auf, Leihmutterschaft zu verbieten.
In Frankreich haben sich prominente Feministinnen, Politiker und Menschenrechtsaktivisten sowie namhafte Personen aus Wissenschaft und Kultur der internationalen Plattform Stop Surrogacy Now angeschlossen und in einer in der Tageszeitung Libération (online, 11.5.2015) veröffentlichten Deklaration gegen Leihmutterschaft protestiert.
Ausbeutung der Frau, Zwangsverhältnisse, sowie medizinische Risiken stellen Gefahren für die so genannten Leihmütter dar, heißt es in dem Manifest, das detailliert die wissenschaftlich belegten gesundheitlichen Schäden für Frau und Kind durch den Prozess der Leihmutterschaft auflistet. Ausdrücklich geht die Petition auch auf die psychischen Probleme ein: Eine Leihmutterschaft unterdrücke vorsätzlich das sogenannte Bonding (d. i. die Phase der Bindungsentwicklung zwischen Mutter und Kind während der Schwangerschaft). Wenn Leihmutterschaft legal ist, würden diese daraus bekannten möglichen Schäden institutionalisiert, so die Befürworter des Verbots. Ebenso komme es zu einem Handel mit Kindern. „Niemand, ob heterosexuell, homosexuell oder als freiwilliger Single, hat ein Recht auf ein Kind“, betont das Manifest.
„Das Anmieten von ärmeren Frauen durch Reichere als Gebärmütter stellt eine neue Form der Kolonialisierung und Ausbeutung dar“, betont IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer, die die Petitionen ausdrücklich begrüßt. „Wir haben es hier mit einer neuen Form von Menschenhandel zu tun. Die psychischen und gesundheitlichen Auswirkungen auf Frauen und Kinder sowie das Problem, dass reiche Länder offenbar von Frauen profitieren, die sich aus finanzieller Not zu Dumping-Preisen als lebende Brutkästen zur Verfügung stellen, ist ein Skandal, der bis jetzt unter den Teppich gekehrt worden ist“, so die Ethikerin. Eine indische Leihmutter bekomme etwa zwischen 1.000 und 4.000 Euro bezahlt, die Agenturen verlangen von den Baby-Bestellern mitunter das Fünffache (vgl. The Hindu, online, 25. 8. 2014). Die Frauen werden pro (gesunder) Lebendgeburt bezahlt, das meiste Geschäft machen jedoch die Vermittlungsagenturen.
„Wenn Indien Leihmutterschaft bereits als profitablen Industriezweig ins BIP miteinberechnet, müssen bei uns die Alarmglocken läuten“, sagt Kummer (vgl. IMABE 2012: Indien: Rent-a-Womb-Industrie boomt und zeigt tragische Kehrseiten). Die Indische Industriellenvereinigung (CII) schätzt einen jährlichen Umsatz von rund 2,3 Milliarden US-Dollar (rund 1,5 Milliarden Euro). 50 Prozent der Auftraggeber stammen aus dem Westen, rund 25.000 Babys werden in Indien jährlich von Leihmüttern geboren, berichtet Lancet (DOI: doi.org/10.1016/S0140-6736(12)61933-3). Seit Dezember 2013 ist hier zudem die Einfuhr von tiefgefrorenen Embryonen aus dem Ausland erlaubt (vgl. Erlass des Indischen Handelsministeriums Notification No.52 (RE-2013)/2009-2014).