Die „Pille danach“ ist ab sofort in Österreichs Apotheken rezeptfrei erhältlich. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) hat das hochdosierte Hormonpräparat, das in bestimmten Fällen auch eine frühabtreibende Wirkung hat, entgegen der Empfehlung der Österreichischen Ärztekammer (online, 20. 12. 2009), der Fachgruppe Gynäkologie und Geburtshilfe und trotz zahlreicher Bürger-Proteste per Erlass rezeptfrei gestellt - „für Frauen aller Altersgruppen“, wie es im entsprechendem Bescheid heißt (online, 18. 12. 2009).
IMABE-Direktor Johannes Bonelli hält es für „recht bequem, ja beinahe zynisch“, wenn man nun Frauen, die eine Schwangerschaft befürchten, in ihrer „Not allein lässt und sie mit einer rezeptfreien Notfallpille ohne Rücksicht auf Verluste im wahrsten Sinne des Wortes abspeist“. Bonelli, selbst klinischer Pharmakologe, betonte in einem Diskussionsbeitrag in der Tageszeitung Die Presse (online, 21. 11. 2009) das Recht der Frauen auf ärztliche Beratung. Es sei eine „medizinische Binsenweisheit“, dass eine hohe, auf einmal verabreichte Hormondosis gefährlicher sei, als wenn sie, wie im Fall eines konventionellen - rezeptpflichtigen! - Kontrazeptivums, über einen ganzen Monat verteilt eingenommen werde. „Viele Frauen lehnen einen Schwangerschaftsabbruch durch Nidationshemmung ab. Auch diese haben das Recht, fachgerecht informiert zu werden“, betont Bonelli (Medizinische Fakten zur Wirkungsweise der „Pille danach“, siehe unten).
Gesundheitsminister Stöger hatte erst kürzlich angekündigt, auch im Alleingang sein Vorhaben einer Rezeptbefreiung durchziehen zu wollen, da keine Pharmafirma bereit war, einen Antrag zu stellen. Nun zog sich Stöger aus der Affäre, indem er im Eilverfahren einen seit Jahren ignorierten Antrag für das Präparat „Vikela“ von Gerot Pharmazeutika (ein Unternehmen aus der Firmengruppe von Ex-ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein) aus der Schublade holte. Die Optik ist mehr als schief: Nicht Gerot, sondern Sanova Pharma wird ab 2010 das Präparat vertreiben, genau jene Firma, die noch jüngst gegenüber dem Standard (online, 03. 12. 2009) beteuert hatte, aus „moralischen und ethischen Gründen“ keinerlei Antrag auf eine Rezeptfreistellung zu planen. Mit dem rezeptfreien Vertrieb haben sie offenbar kein Problem. „Diese Doppelmoral der politisch Verantwortlichen und der Pharmabranche ist unbegreiflich und führt zu Scheinlösungen, deren Folgen nun die Frauen zu tragen haben“, kritisiert Bonelli.
Proteste gegen die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“ haben sich inzwischen auch in Spanien und Deutschland formiert. Allein in Spanien haben rund 3.000 Apotheker eine Petition für die Wiedereinführung der (per September 2009 abgeschafften) Rezeptpflicht unterschrieben, dazu weitere 2.000 im Gesundheitssektor Tätige. Sie werfen dem Gesundheitsministerium „Unverantwortlichkeit“ im Umgang mit Frauen, insbesondere auch mit Jugendlichen, vor.
Medizinische Fakten zur Wirkungsweise der „Pille danach“
1. Im Beipacktext von Vikela, der nun rezeptfreien „Pille danach“, wird eindeutig festgehalten, dass das Präparat auch eine frühabtreibende Wirkung haben kann: „Es verhindert, dass sich eine befruchtete Eizelle in der Gebärmutter einnistet“, heißt es dort.
2. Die WHO, die die „Morning-After Pill“ propagiert, behauptet, das Präparat habe keine frühabtreibende Wirkung. Das ist falsch. Es stimmt, dass das Hormonpräparat nicht in jedem Fall einen Einfluss auf die Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) hat. Im Fact Sheet aus 2005 unterschlägt die WHO aber den zweiten Effekt, nämlich die Lähmung des tubalen Flimmerepithels und der Tubenmotilität. Diese Verlangsamung des Organismus verhindert, dass sich die bereits befruchtete Eizelle rechtzeitig in die Gebärmutter einnisten kann. Sie stirbt ab, was einer Frühabtreibung gleich kommt (vgl. die Studie von Rella W., Neue Erkenntnisse über die Wirkungsweise der „Pille danach“, Imago Hominis (2008); 15(2): 121-129, sowie Bonelli J., „Pille danach“: Fakten statt Propaganda. Frauen haben ein Recht auf Aufklärung, Imago Hominis (2009); 16: 269-271).